Hinter den Schlagzeilen: "Scham verschließt die Münder"
Herr Professor Freyberger, als Psychotherapeut betreuen Sie seit Jahren auch Kinder ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Was reizt Sie daran?
Traumatisierungen waren schon länger ein Arbeitsschwerpunkt von mir. Als ich dann 1997 aus dem Westen hierher nach Ostdeutschland kam, traf ich auf ein interessantes Spannungsfeld zwischen Tätern und Opfern. In der DDR hat es rund 90 000 hauptamtliche Mitarbeiter der Staatssicherheit gegeben. Als Psychiater oder Psychotherapeut begegnen Sie da einer großen Zahl von Betroffenen – vor allem Kindern der Opfer und Täter. Ihre besondere Situation hat mich einfach sehr interessiert, und ich fing an, solche Patienten gezielt zu behandeln.
Was sind typische Probleme der Kinder von Ex-Stasi-Mitarbeitern?
Die hauptamtlichen Stasi-Leute wohnten zum größten Teil in eigenen Wohneinheiten. Mietshäuser, in denen ausschließlich Familien lebten, die für die Staatssicherheit tätig waren. Dazu kamen meist spezielle Schulen und Kindergärten. Viele der Kinder wuchsen somit in einer Art Getto auf – mit Nachbarn, die ebenfalls in Stasi-Diensten waren. Die Familien waren nach außen relativ abgeschottet. Aber die Kinder wussten natürlich um den Beruf ihrer Eltern und durften mit niemandem darüber sprechen. Das Makaberste daran: Die Stasi hat auch ihre eigenen Mitarbeiter überwacht, und zwar genauso systematisch wie den Rest der Bevölkerung. Selbstverständlich wurden die Kinder von StasiMitarbeitern ebenfalls ausgefragt. Das alles schuf eine Atmosphäre der Paranoia ...
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