Hinter den Schlagzeilen: "Psychologie allein wird Europa nicht retten"
Herr Lauenstein, Herr Reese, bei der Europawahl 2014 erstarkten wie befürchtet europaskeptische oder -feindliche Parteien. Warum fühlen sich offenbar so wenige EU-Bürger als Europäer?
Lauenstein: Wir wissen aus der Forschung: Je komplexer eine soziale Gruppe ist, umso schwerer fällt es Menschen, sich mit ihr zu identifizieren. Denn eine übergeordnete Identität muss ja alle darunterliegenden Kategorien abdecken. Sich etwa als "Deutscher" zu fühlen, sollte nicht nur West- und Ostdeutschen gleichermaßen offenstehen, sondern auch Bayern und Hessen, Ober- und Unterfranken, Nürnbergern und Fürthern …
Wäre es dann nicht von der nationalen Kategorie lediglich ein weiterer kleiner Schritt, sich gleich mit ganz Europa zu identifizieren?
Lauenstein: Bei einer europäischen Identität kommen neue Schwierigkeiten hinzu. Etwa sprachliche Barrieren, aber auch religiöse Traditionen. Einige Länder sind historisch stark katholisch geprägt, andere protestantisch, manche haben kein eindeutiges Erbe. Davon abgesehen ist diese Identität nicht sehr alltagsrelevant: Die meisten von uns überlegen nicht ständig, was bedeutet dieses oder jenes für mich als EU-Bürger? Natürlich empfinden trotzdem viele Menschen ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu Europa. Allerdings zeigen Studien, dass die Identifikation in den letzten Jahren etwas abgenommen hat. Eine gewisse Krise scheint also da zu sein ...
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