Psychotherapie: Zuversicht hilft
Seit mehr als 20 Jahren singt Frau S. professionell mit zahlreichen Engagements an verschiedenen Opernhäusern. Vor einigen Jahren hatte sie eine erste depressive Episode. Seitdem fühlt sie sich immer wieder – oft für mehrere Wochen oder Monate – niedergeschlagen, antriebslos und hat wenig Freude an Aktivitäten, die ihr sonst Spaß machen. Das betrifft auch die Musik, eigentlich ihre große Leidenschaft. Wenn die depressiven Phasen nachlassen, gelingen ihr die meisten Dinge leichter, doch ein gewisser Pessimismus bleibt. Und sie weiß, dass die Depression jederzeit wiederkehren kann.
Eines Abends singt Frau S. vor rund 200 Zuhörern in einem kleinen Konzerthaus. Die Proben verliefen normal, die Partie kennt sie seit Langem. Dennoch hat sie vor dem Auftritt ein mulmiges Gefühl und erwartet, dass sie Fehler machen wird. Noch während der Aufführung, als sie gerade eine besonders schwierige Arie beendet, brandet Applaus auf. Nach dem Finale fällt der Vorhang, und als die Opernsängerin die Bühne erneut betritt, stehen viele Zuhörer von ihren Sitzen auf und applaudieren. Frau S. wundert das, denn ihr waren mehrere Unsauberkeiten in ihrem Gesang aufgefallen. Den Jubel findet sie übertrieben.
Am nächsten Morgen liest Frau S. eine wohlwollende Kritik des Opernabends in der Zeitung. Sie denkt: »Nicht nur das Publikum ist ahnungslos, selbst der Musikkritiker hat offenbar meine Fehler überhört! Das spricht nicht gerade für die Qualität dieses Käseblatts. Vielleicht hat er aber auch nur Mitleid mit mir und will mich über mein Versagen hinwegtrösten.«
Was Frau S. hier passiert, kennen viele Menschen von sich, denn es ist keineswegs auf psychische Störungen beschränkt: Negative Erwartungen an die eigene Leistung prägen die Art und Weise, wie sie sich selbst und die Reaktionen ihrer Umwelt wahrnehmen und bewerten ...
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