Quantenmechanik: Kein Ausweg aus der Unwirklichkeit
Der theoretische Physiker John Wheeler sprach einmal vom »großen, rauchenden Drachen«, um ein Lichtteilchen zu beschreiben, dass sich von einer Quelle zu einem Detektor bewegt. »Das Maul des Drachen ist scharf, damit beißt er in den Detektor. Seine Schwanzspitze ist scharf, dort ist die Quelle«, schrieb Wheeler. Das Photon besitzt also sowohl am Anfang als auch am Ende eine eindeutig definierbare Realität. Doch dazwischen ist der Körper des Drachen unwirklich, gewissermaßen in Nebel gehüllt. »Es lässt sich nichts darüber aussagen, wie der Drache in diesem Bereich aussieht oder was er dort macht.«
Elementare Quantenphänomene sind nicht real, solange wir sie nicht beobachten – diese von Wheeler vertretene philosophische Position wird als Antirealismus bezeichnet. In der klassischen Sichtweise dagegen besitzen Objekte immer eindeutige intrinsische Eigenschaften. Wheeler entwarf ein Experiment, das zeigen sollte, wie ein Verharren auf dem klassischen Standpunkt unweigerlich zu der Schlussfolgerung führt, die Zukunft beeinflusse die Vergangenheit. Ausgehend von der Absurdität solcher Zeitreisen wurde Wheelers Experiment zu einem Stützpfeiler des Antirealismus auf der Quantenebene.
Doch im Mai 2018 fanden Rafael Chaves, Gabriela Barreto Lemos und Jacques Pienaar vom Internationalen Institut für Physik in Natal, Brasilien, ein Schlupfloch. Sie zeigten, dass sich Wheelers Experiment unter bestimmten Voraussetzungen mit einem klassischen Modell erklären lässt, in dem das Photon intrinsische Eigenschaften besitzt. Die Forscher gaben dem Drachen also einen definierten Körper, der jedoch dem mathematischen Formalismus der Standardquantenmechanik verborgen bleibt ...
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