Ökologie: Leben und sterben lassen
Seit seinem Auftreten vor zirka 200 000 Jahren hat Homo sapiens seine Umwelt verändert: Anfangs unmerklich, seit der neolithischen Revolution vor gut 12 000 Jahren spürbar und mit der industriellen Revolution ab der Mitte des 18. Jahrhunderts radikal. Heute ist sein Einfluss auf die Natur und das globale Ökosystem so tief greifend, dass der niederländische Meteorologe Paul Crutzen vorschlug, den jetzigen Abschnitt der Erdgeschichte, der bislang zum Holozän gerechnet wird, in "Anthropozän" umzubenennen. Mit dieser durch den Menschen geprägten Epoche beschäftigt sich die amerikanische Journalistin Elizabeth Kolbert im vorliegenden Buch, für das sie den Pulitzerpreis 2015 in der Kategorie "General Nonfiction" erhielt.
Bereits das Aussterben des amerikanischen Mastodons, eines Rüsseltiers aus der Gattung der Mammuts, vor zirka 13 000 Jahren fällt mit der Ausbreitung des modernen Menschen zusammen und ist aller Wahrscheinlichkeit nach von ihm verursacht. Anhand der Fundgeschichte der Mastodonknochen erzählt Kolbert, wie der französische Naturforscher und Begründer der Paläontologie, Georges Cuvier (1769 – 1832), seine Theorie des Artensterbens entwickelte. Cuviers Entdeckung, dass Arten aussterben können und dass es eine Welt vor unserer gab, ist eine ziemlich moderne Erkenntnis: Sie kam etwa zeitgleich mit der Französischen Revolution auf, was nach Kolbert "vermutlich kein Zufall war". Cuvier hing allerdings noch nicht dem Evolutionsmodell an, im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Jean Baptiste de Lamarck (1744 – 1829), sondern ging davon aus, dass die betreffenden Spezies durch Katastrophen ausgelöscht worden waren. ...
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