Alles Gute kommt von unten
Schon in Platons frühem Dialog "Euthyphron" stellt Sokrates (5./4. Jh. v. Chr.) die Frage, ob es eine von den Götternunabhängige Moral geben könne. Und so wie der griechische Philosoph das seinerzeit bejahte, so ist auch der niederländische Verhaltensforscher Frans de Waal davon überzeugt, dass Gott nicht als Urheber nötig ist. Dabei geht es ihm allerdings nicht so sehr darum, das Wesen der Moral zu verstehen, wie es bei Platon der Fall war, als vielmehr ihre Herkunft zu beleuchten.
De Waal hält den Menschen von Natur aus für gut und glaubt nicht an die von ihm "Fassadentheorie" genannte Vorstellung, wonach Moralität von außen, oder religiös gedacht, "von oben" auf den Menschen aufgesetzt sei und sozusagen nur eine dünne Schicht bilde, unter der sich die brutale und gefühllose Natur verberge. Wie der deutsche Biologe und Philosoph Ernst Haeckel (1834 – 1919) wendet er sich damit gegen den ethischen Dualismus Immanuel Kants und dessen Trennung von theoretischer und praktischer Vernunft. Er versucht nachzuweisen, dass prosoziales Verhalten bereits bei Tieren in Erscheinung tritt, und bietet hierfür eine Fülle an Beispielen bei Bonobos und Schimpansen. Seine Versuchsergebnisse belegen, dass die Affen sich gegenseitig helfen, einfühlsam sind und ein Gespür für Gerechtigkeit besitzen, was sich etwa bei Streitigkeiten oder auch bei der Verteilung von Nahrung zeigt. De Waal postuliert, moralisches Verhalten entstehe nicht auf einer "abstrakten geistigen Ebene, sondern durch soziale Interaktionen". Mit dieser Auffassung wendet er sich explizit gegen namhafte Biologen, angefangen bei Darwins Mitstreiter Thomas Henry Huxley (1825 – 1895), welcher der Meinung war, dass die Natur niemals etwas Gutes hervorbringen könne, bis hin zu dem schillernden Evolutionsforscher Richard Dawkins. ...
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