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Hirschhausens Hirnschmalz: Die kochen auch nur mit Wasser

Mineralwasser mit dem "Extra an Sauerstoff"? Das nützt höchstens Fischen, sagt Eckart von Hirschhausen. Denn der Mensch nimmt das lebenswichtige Gas nur über die Lunge auf.
Eckart von Hirschhausen

Mark Twain sagte, man könne die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: "Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich." Gestern kaufte ich am Bahnhof auf die Schnelle eine Flasche Wasser, die diesmal besonders teuer schien. Im Zug erst las ich auf dem Etikett: "Mit dem Extra an Sauerstoff!" Ich staunte, dachte ich doch bislang, dass Kohlendioxid für das besondere Extra im Wasser sorgt, nämlich für die Kohlensäure. Aber wer weiß – jetzt, wo das CO2 durch diese Klimageschichte so in Verruf geraten ist, muss wohl der Sauerstoff ran. Warum nicht gleich ein Edelgas? Damit könnte man noch höhere Preise rechtfertigen! Krypton für die Supermänner? Neon zum Röhren? Oder wenigstens Helium, was bei Partys den alten Gag mit der Mickymaus-Stimme neu beleben könnte?

Was denken Sie? Extrasauerstoff in Mineralwasser ist so sinnvoll wie …

  1. A) … Streichhölzer für Taucher.
  2. B) … Verlängerungskabel für schnurlose Telefone.
  3. C) … Hühnersuppe als Zäpfchen.
  4. D) … Extrawurst auf veganer Pizza.

Nein, es war Sauerstoff. Ich erinnerte mich an meine Physiologievorlesung. Mit welchem Organ gelangte noch mal dieses lebenswichtige Element in unseren Körper … war es der Darm? Da gibt es zwar auch Gase, aber die werden aus guten Gründen wieder abgesondert, so genannte Un-Edelgase. Auf dem Etikett stand nichts Genaueres zur Funktion, nur zur Menge: "Sauerstoff 0,004 %". Mehr, als "natürlichermaßen" enthalten sei, was nichts anderes bedeutet, als dass Sauerstoff sich nur ungern länger im Wasser aufhält und dazu regelrecht hineingezwungen werden muss. Mit Druck.

Im Blut ist Sauerstoff an das Hämoglobin gebunden, dessen geniale Struktur der Nobelpreisträger Max Perutz entschlüsselt hat. Aber im Wasser gibt es keinen roten Blutfarbstoff – noch nicht mal im Blutorangensaft. Sobald der Druck weicht, sucht deshalb der wundersame Zusatz genauso das Weite. In der Luft fühlen sich Sauerstoffmoleküle wohler, da finden sie ihresgleichen. Dort gibt es auch elektromagnetische Wellen, die sich ebenfalls O2 nennen, aber ich möchte die Verwirrung nicht noch größer machen. Wenn in der Luft laut Mobilfunkanbieter gilt: "O2 can do" – was gilt dann im Wasser, oder anders gefragt: Was tut 0-two in H-two-0?

Skeptiker rechnen auf der Seite psiram.com vor: "Um die gleiche Sauerstoffmenge aufzunehmen, die innerhalb einer Stunde eingeatmet wird, müsste man mehr als 1000 Liter Sauerstoffwasser trinken." Selbstwenn ich mich in einen Tank voll davon stürzte, würde ich noch ertrinken! Damit ich etwas von dem Extrasauerstoff hätte, müsste ich evolutionär ein paar Millionen Jahre zurück sein: Als Fisch mit Kiemen ginge es.

Vorsichtig schraubte ich die Flasche auf und hielt sofort die Nase darüber. Aber das Gas wich schneller. Ich trank das jetzt abgestanden wirkende Wasser und wartete, ob ich nicht wenigstens ein kleines bisschen aufstoßen müsste. Theoretisch sollte der Sauerstoff im Magen nach einem Druckausgleich suchen und ihn über die Speiseröhre retrograd auch finden. Der bewusste Konsument könnte dann sein sauerstoffhaltig Gebäuertes in einer Plastiktüte auffangen und sofort wieder einatmen, damit ja nichts von dem teuren Stoff verloren geht.

Risiken und Nebenwirkungen? Weil die Wässerchen bis zu viermal so teuer sind wie normales Mineralwasser, drohen durchaus Komplikationen. Beim Blick auf das Preisschild stockt der Atem, es kommt kein Sauerstoff mehr im Hirn an. Dann hilft nur noch: tief durchatmen! Aber nicht mit dem Darm.

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  • Quelle

Perutz, M. F. et al.: Structure of Hæmoglobin. In: Nature 185, S. 416–422, 1960

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