Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Schlaf: Bewusstlos durch die Nacht

Kurz vor dem Einschlafen kühlt unser Körper rapide ab. Vielleicht liefert dieses Phänomen einen Schlüssel zu der Frage, warum wir Abend für Abend für viele Stunden das Bewusstsein verlieren.
Schlaf

Vor der jungen Frau, die sich im Labor für menschliche Chronobiologie einfand, lagen ereignisarme Tage. Nach ­einigen Untersuchungen betrat sie ein kleines Apartment, wo sie die folgenden 72 Stunden verbringen würde – allein, abgeschottet vom Tageslicht und auch sonst jedweder Information beraubt, die ihr einen Hinweis auf die Uhrzeit geben könnte. Zu ihrer Zerstreuung standen ihr ­lediglich ein Kartenspiel, ein Puzzle und ein paar Seiten Lesestoff zur Verfügung. Nichts sollte sie von ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken: zu schlafen, wann immer sie sich danach fühlte.

Zwei Forschende der US-amerikanischen Cornell University in Ithaca hatten das Experiment Ende der 1990er Jahre ersonnen. Patricia Murphy und ihr Kollege Scott Campbell wollten damit eine Frage beantworten, die sie seit einiger Zeit umtrieb: Wann legen sich Menschen zur Ruhe, wenn sie das frei entscheiden können und nicht etwa durch ein spannendes Buch, irgend­welche Verpflichtungen oder soziale Kontakte davon abgehalten werden? Und wie hängt diese Entscheidung mit ihrer Körpertemperatur zusammen?

Insgesamt 44 Frauen und Männer nahmen an dem Versuch teil. Am ersten Abend wurde ihnen ein Thermometer in den Enddarm eingeführt, das kontinuierlich ihre Kerntemperatur aufzeichnete. Als Murphy und Campbell diese Daten später analysierten, bemerkten sie, dass die Körpertemperatur der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Abendstunden abnahm – ein Effekt der inneren Uhr, der schon länger bekannt war. Der Zeitpunkt, zu dem die Temperatur am stärksten ­absank, unterschied sich jedoch von Person zu Person. Das Spannende daran: Genau dann, wenn sie am schnellsten abkühlten, wurden die meisten Versuchspersonen müde.

»Der rasche Abfall der Körperkerntemperatur ist eines der potentesten Schlafsignale«, erklärt der Neurobiologe Albrecht Vorster vom Universitätsspital Bern, Autor des Buchs »Warum wir schlafen«. Und das gilt keineswegs bloß für uns Menschen, sondern auch für andere warmblütige Tiere.

Die Müdigkeit ist eine direkte Folge des inneren Wärmeverlusts. Das ist aber wohl nur eine Seite der ­Medaille. Denn viele Organismen scheinen beim Einschlafen gezielt in eine Art Kühlungsmodus zu wechseln, der ihre Temperatur noch weiter herunterfährt. Es sieht fast so aus, als gehöre die Abkühlung zwingend zum Schlafen dazu; als sei sie eine Zutat, ohne die es einfach nicht geht. Doch weshalb ist das so? ...

Kennen Sie schon …

Gehirn&Geist – Lernen - Das Gedächtnis im Schlaf trainieren

Im Schlaf unbewusst wahrgenommene Reize können die Erinnerungsfähigkeit verbessern. Lassen sich Methoden der Hirnstimulation auch nutzen, um die Folgen neurologischer und psychischer Erkrankungen zu lindern? Außerdem: Wie lernt man Fremdsprachen am besten und erhöht somit seine Sprachkompetenz? Der Psychologe Mitja Back erklärt, was die narzisstische Persönlichkeit im Kern ausmacht und wie man am besten mit Narzissten umgeht. Laut einer populären Ansicht können psychische Störungen ansteckend sein – ähnlich wie eine Viruserkrankung. Was ist an dem Vergleich dran? Die Intelligenz von Tieren zu erforschen, funktioniert nur, wenn der Mensch sich dabei nicht in den Mittelpunkt stellt. Wie kann der Abschied von einer anthropozentrischen Verhaltensforschung gelingen?

Spektrum Kompakt – Schlafen und Träumen

Ob man morgens von einem mitreißenden Traum erzählt oder doch über Schlaflosigkeit klagt, hat verschiedene Einflussgrößen: Unter anderem verraten das Alter und die mentale Gesundheit, wie gut man schläft. Und wer seinen Schlaf beobachtet, kann darin sogar Vorboten künftiger Erkrankungen erkennen.

Spektrum - Die Woche – Tierisch gut geträumt

Träume sind nicht uns Menschen vorbehalten, auch Tiere sind während des Schlafs zeitweise in anderen Welten unterwegs. Was passiert dabei im Gehirn, welche Funktion erfüllt das Träumen? Außerdem in dieser »Woche«: Gigantische Leerräume im All liefern wichtige Daten für die astronomischen Forschung.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Barsky, M. M. et al.: REM sleep enhancement of probabilistic classification learning is sensitive to subsequent interference. Neurobiology of Learning and Memory 122, 2015

de Vivo, L. et al.: Ultrastructural evidence for synaptic scaling across the wake/sleep cycle. Science 355, 2017

Franks, N. P., Wisden, W.: The inescapable drive to sleep: Overlapping mechanisms of sleep and sedation. Science 374, 2021

Harding, E. C. et al.: A neuronal hub binding sleep initiation and body cooling in response to a warm external stimulus. Current Biology 28, 2018

Komagata, N. et al.: Dynamic REM sleep modulation by ambient temperature and the critical role of the melanin-concentrating hormone system. Current Biology 29, 2019

Kräuchi, K. et al.: A relationship between heat loss and sleepiness: effects of postural change and melatonin administration. Journal of Applied Physiology 83, 1997

Landolt, H.-P. et al.: Intracranial temperature across 24-hour sleep–wake cycles in humans. NeuroReport 6, 1995

Murphy, P. J., Campbell, S. S.: Nighttime drop in body temperature: a physiological trigger for sleep onset? Sleep 20, 1997

Peretti, D. et al.: RBM3 mediates structural plasticity and protective effects of cooling in neurodegeneration. Nature 518, 2015

Puentes-Mestril, C., Aton, S.J.: Linking network activity to synaptic plasticity during sleep: hypotheses and recent data. Frontiers in Neural Circuits 11, 2017

Rasch, B. and Born, J.: About sleep's role in memory. Physiological Reviews 93, 2013

Risa, Y. et al.: Evolutionary origin of distinct NREM and REM sleep. Frontiers in Psychology 11, 2020

Sabia, S. et al.: Association of sleep duration in middle and old age with incidence of dementia. Nature Communication 12, 2021

Schmidt, M. H.: The energy allocation function of sleep: A unifying theory of sleep, torpor, and continuous wakefulness: Neuroscience & Biobehavioral Reviews 47, 2014

Sela, Y. et al.: Sub-minute prediction of brain temperature based on sleep–wake state in the mouse. eLife 10.7554/eLife.62073, 2021

Tononi, G., Cirelli, C.: Sleep and synaptic homeostasis: a hypothesis. Brain Research Bulletin 62, 2003

Xie, L. et al.: Sleep drives metabolite clearance from the adult brain. Science 342, 2013

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.