Angemerkt!: Schlaglicht auf die neurobiologische Wirkung von Antipsychotika
Die neue Studie ist aus drei Gründen bemerkenswert: Erstens liefert die mehrjährige Untersuchung im Längsschnitt deutlich besseren Aufschluss darüber, welche Faktoren das Hirnvolumen beeinflussen. Zweitens ist die Stichprobe groß genug, um genauere statistische Analysen zu erlauben. Drittens haben die Autoren das häufige Problem, dass Messwiederholungen in verschiedenen Tomografen oder Labors zu verzerrten Ergebnissen führen können, geschickt gelöst: Sie unterzogen die Teilnehmer ihrer Studie jeweils methodisch weit gehend der gleichen Prozedur.
Überraschenderweise fanden die Autoren keine Unterschiede zwischen verschiedenen verabreichten Neuroleptika. Dies ist insofern erstaunlich, als diese keine einheitliche Substanzklasse darstellen: Ältere Mittel wirken antagonistisch (hemmend) am Dopamin-D2-Rezeptor, während moderne Präparate noch an vielen weiteren Rezeptortypen wie Dopamin-D4 oder 5HT2 ansetzen. Frühere Arbeiten wiesen dementsprechend auch auf unterschiedliche Wirkungen alter und neuer Wirkstoffe auf das Volumen der Basalganglien hin.
Den neuen Befund müssen erst noch weitere Tests bestätigen. Dabei gilt es auch zu prüfen, inwieweit er spezifisch für die Schizophrenie ist oder ob antipsychotische Substanzen bei anderen psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression oder der bipolaren Störung, wo sie ebenfalls häufig eingesetzt werden, den gleichen Effekt zeigen.
Welche Schlüsse sollten wir nun aus den vorliegenden Daten ziehen? Bislang ist noch nicht geklärt, ob und inwiefern der Verlust an Hirnsubstanz für die Patienten tatsächlich bedenkliche Folgen hat. Hierzu müssen mögliche Beeinträchtigungen des Denkens, der Handlungsplanung oder der Kontrolle von Emotionen, die auf solche Veränderungen zurückgehen könnten, noch genauer untersucht werden. Derzeit lässt sich allein mittels bildgebender Methoden, die das Volumen bestimmter Hirnareale messen, weder das Vorliegen einer Schizophrenie noch die Schwere der Erkrankung feststellen.
Klar ist auch: Antipsychotische Medikamente bilden nach wie vor einen zentralen Baustein der Therapie von Patienten mit Schizophrenie. Die Wirksamkeit dieser Medikamente wurde in Hunderten von Studien nachgewiesen: Sie können den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern, indem sie das psychotische Erleben lindern und langfristig das Rückfallrisiko senken.
Doch wie alle Medikamente haben auch Neuroleptika ein Nebenwirkungsprofil, das bei der Anwendung berücksichtigt werden muss. Inwiefern die von Ho und seinen Mitautoren beschriebenen Effekte als direkte Nebenwirkung anzusehen sind und welche funktionellen Auswirkungen sie haben, lässt sich zurzeit aber nicht absehen.
Hierbei dürften noch eine Reihe weiterer Faktoren etwa genetischer und epigenetischer Art eine Rolle spielen. So zeigte sich in den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Ho, dass sich die Hirnmorphologie längst nicht bei allen untersuchten Schizophreniepatienten im Lauf der Zeit veränderte. Vermutlich sind hierbei erblich bedingte Anfälligkeiten in Kombination mit Umwelteinflüssen am Werk: Frühere Studien haben beispielsweise gezeigt, dass Cannabiskonsum den Verlust von Nervenzellen verstärken kann, wohingegen regelmäßiges Ausdauertraining auch bei Patienten zu einem Anwachsen etwa des Hippocampus führen kann, einer wichtigen Schaltstation für Lernen und Gedächtnis.
Eine individuell abgestimmte Therapie mit kleinstmöglicher Dosierung der Antipsychotika gilt bereits seit Längerem als Goldstandard in der Behandlung von Schizophrenie. Bei der Gabe antipsychotischer Substanzen müssen Ärzte stets zwischen möglichem Nutzen und Risiken für den Patienten abwägen. Bisher bekannte Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen oder Unruhe flossen folglich in die nationalen und internationalen Leitlinien zur Schizophreniebehandlung ein.
In jedem Fall wirft die Studie von Ho und Kollegen ein Schlaglicht auf die neurobiologische Wirkweise von Antipsychotika, der Forscher zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Solange die neuronalen Mechanismen nicht verstanden sind, sollte sich die klinische Praxis jedoch weiter an den geltenden Leitlinien orientieren.
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