Angemerkt!: Schlaglicht auf die neurobiologische Wirkung von Antipsychotika
Eine aktuelle Studie zeigt: Je höher die Dosen antipsychotischer Medikamente sind, die schizophrene Patienten über die Jahre einnehmen, desto stärker reduziert sich die graue und weiße Substanz in ihrem Großhirn. Ein abwägender Einsatz von Neuroleptika scheint somit wichtiger denn je!
Der Psychiater Beng-Choon Ho und seine Kollegen von der University of Iowa in Iowa City (USA) berichteten in einem kürzlich erschienenen Fachartikel über strukturelle Hirnveränderungen im Verlauf schizophrener Erkrankungen. In der bisher größten publizierten Stichprobe von 211 Patienten, deren Gehirne über einen Zeitraum von durchschnittlich etwa sieben Jahren regelmäßig gescannt worden waren, sank das Volumen des Nervengewebes im Mittel signifikant – unter anderem im Frontalkortex. Die Abnahme fiel umso stärker aus, je höher die Dosis antipsychotischer Medikamente war, die die Betroffenen eingenommen hatten. Dagegen wuchs das Volumen des Putamens – eines tief im Gehirn liegenden Teils der Basalganglien, welche vor allem für die Bewegungssteuerung wichtig sind.
Die neue Studie ist aus drei Gründen bemerkenswert: Erstens liefert die mehrjährige Untersuchung im Längsschnitt deutlich besseren Aufschluss darüber, welche Faktoren das Hirnvolumen beeinflussen. Zweitens ist die Stichprobe groß genug, um genauere statistische Analysen zu erlauben. Drittens haben die Autoren das häufige Problem, dass Messwiederholungen in verschiedenen Tomografen oder Labors zu verzerrten Ergebnissen führen können, geschickt gelöst: Sie unterzogen die Teilnehmer ihrer Studie jeweils methodisch weit gehend der gleichen Prozedur.
Überraschenderweise fanden die Autoren keine Unterschiede zwischen verschiedenen verabreichten Neuroleptika. Dies ist insofern erstaunlich, als diese keine einheitliche Substanzklasse darstellen: Ältere Mittel wirken antagonistisch (hemmend) am Dopamin-D2-Rezeptor, während moderne Präparate noch an vielen weiteren Rezeptortypen wie Dopamin-D4 oder 5HT2 ansetzen. Frühere Arbeiten wiesen dementsprechend auch auf unterschiedliche Wirkungen alter und neuer Wirkstoffe auf das Volumen der Basalganglien hin.
Den neuen Befund müssen erst noch weitere Tests bestätigen. Dabei gilt es auch zu prüfen, inwieweit er spezifisch für die Schizophrenie ist oder ob antipsychotische Substanzen bei anderen psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression oder der bipolaren Störung, wo sie ebenfalls häufig eingesetzt werden, den gleichen Effekt zeigen.
Welche Schlüsse sollten wir nun aus den vorliegenden Daten ziehen? Bislang ist noch nicht geklärt, ob und inwiefern der Verlust an Hirnsubstanz für die Patienten tatsächlich bedenkliche Folgen hat. Hierzu müssen mögliche Beeinträchtigungen des Denkens, der Handlungsplanung oder der Kontrolle von Emotionen, die auf solche Veränderungen zurückgehen könnten, noch genauer untersucht werden. Derzeit lässt sich allein mittels bildgebender Methoden, die das Volumen bestimmter Hirnareale messen, weder das Vorliegen einer Schizophrenie noch die Schwere der Erkrankung feststellen.
Klar ist auch: Antipsychotische Medikamente bilden nach wie vor einen zentralen Baustein der Therapie von Patienten mit Schizophrenie. Die Wirksamkeit dieser Medikamente wurde in Hunderten von Studien nachgewiesen: Sie können den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern, indem sie das psychotische Erleben lindern und langfristig das Rückfallrisiko senken.
Doch wie alle Medikamente haben auch Neuroleptika ein Nebenwirkungsprofil, das bei der Anwendung berücksichtigt werden muss. Inwiefern die von Ho und seinen Mitautoren beschriebenen Effekte als direkte Nebenwirkung anzusehen sind und welche funktionellen Auswirkungen sie haben, lässt sich zurzeit aber nicht absehen.
Hierbei dürften noch eine Reihe weiterer Faktoren etwa genetischer und epigenetischer Art eine Rolle spielen. So zeigte sich in den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Ho, dass sich die Hirnmorphologie längst nicht bei allen untersuchten Schizophreniepatienten im Lauf der Zeit veränderte. Vermutlich sind hierbei erblich bedingte Anfälligkeiten in Kombination mit Umwelteinflüssen am Werk: Frühere Studien haben beispielsweise gezeigt, dass Cannabiskonsum den Verlust von Nervenzellen verstärken kann, wohingegen regelmäßiges Ausdauertraining auch bei Patienten zu einem Anwachsen etwa des Hippocampus führen kann, einer wichtigen Schaltstation für Lernen und Gedächtnis.
Eine individuell abgestimmte Therapie mit kleinstmöglicher Dosierung der Antipsychotika gilt bereits seit Längerem als Goldstandard in der Behandlung von Schizophrenie. Bei der Gabe antipsychotischer Substanzen müssen Ärzte stets zwischen möglichem Nutzen und Risiken für den Patienten abwägen. Bisher bekannte Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen oder Unruhe flossen folglich in die nationalen und internationalen Leitlinien zur Schizophreniebehandlung ein.
In jedem Fall wirft die Studie von Ho und Kollegen ein Schlaglicht auf die neurobiologische Wirkweise von Antipsychotika, der Forscher zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Solange die neuronalen Mechanismen nicht verstanden sind, sollte sich die klinische Praxis jedoch weiter an den geltenden Leitlinien orientieren.
Der Zusammenhang zwischen der Abnahme des Volumens in der Großhirnrinde (Kortex) und der Medikamentengabe war auch nach Korrektur hinsichtlich Dauer und Schwere der Schizophrenie statistisch bedeutsam – somit kann das sinkende Kortexvolumen wahrscheinlich nicht allein auf die Erkrankung selbst zurückgeführt werden. Dass Teile der Großhirnrinde im Verlauf einer Schizophrenie kleiner werden, während die Basalganglien eher im Volumen zunehmen, ist schon lange bekannt und wurde mehrfach von Psychiatern nachgewiesen. So beschrieben Forscher erstmals in den 1960er Jahren – also vor der breiten Anwendung antipsychotischer Substanzen – vergrößerte Ventrikel (die Hohlräume im Großhirn) bei Patienten mit Schizophrenie.
Die neue Studie ist aus drei Gründen bemerkenswert: Erstens liefert die mehrjährige Untersuchung im Längsschnitt deutlich besseren Aufschluss darüber, welche Faktoren das Hirnvolumen beeinflussen. Zweitens ist die Stichprobe groß genug, um genauere statistische Analysen zu erlauben. Drittens haben die Autoren das häufige Problem, dass Messwiederholungen in verschiedenen Tomografen oder Labors zu verzerrten Ergebnissen führen können, geschickt gelöst: Sie unterzogen die Teilnehmer ihrer Studie jeweils methodisch weit gehend der gleichen Prozedur.
Zwar fehlt auch in dieser Untersuchung eine Placebo-Vergleichsgruppe – jedoch ist es ethisch nicht vertretbar, Patienten mit einer Schizophrenie jahrelang nur mit einem Scheinpräparat zu behandeln. Und noch eine weitere Einschränkung ist zu bedenken: Statistische Zusammenhänge lassen streng genommen keine kausalen Rückschlüsse zu. Dieses Problem hat Hos Untersuchung freilich mit fast allen medizinischen Studien gemeinsam.
Überraschenderweise fanden die Autoren keine Unterschiede zwischen verschiedenen verabreichten Neuroleptika. Dies ist insofern erstaunlich, als diese keine einheitliche Substanzklasse darstellen: Ältere Mittel wirken antagonistisch (hemmend) am Dopamin-D2-Rezeptor, während moderne Präparate noch an vielen weiteren Rezeptortypen wie Dopamin-D4 oder 5HT2 ansetzen. Frühere Arbeiten wiesen dementsprechend auch auf unterschiedliche Wirkungen alter und neuer Wirkstoffe auf das Volumen der Basalganglien hin.
Den neuen Befund müssen erst noch weitere Tests bestätigen. Dabei gilt es auch zu prüfen, inwieweit er spezifisch für die Schizophrenie ist oder ob antipsychotische Substanzen bei anderen psychiatrischen Erkrankungen wie der Depression oder der bipolaren Störung, wo sie ebenfalls häufig eingesetzt werden, den gleichen Effekt zeigen.
Welche Schlüsse sollten wir nun aus den vorliegenden Daten ziehen? Bislang ist noch nicht geklärt, ob und inwiefern der Verlust an Hirnsubstanz für die Patienten tatsächlich bedenkliche Folgen hat. Hierzu müssen mögliche Beeinträchtigungen des Denkens, der Handlungsplanung oder der Kontrolle von Emotionen, die auf solche Veränderungen zurückgehen könnten, noch genauer untersucht werden. Derzeit lässt sich allein mittels bildgebender Methoden, die das Volumen bestimmter Hirnareale messen, weder das Vorliegen einer Schizophrenie noch die Schwere der Erkrankung feststellen.
Klar ist auch: Antipsychotische Medikamente bilden nach wie vor einen zentralen Baustein der Therapie von Patienten mit Schizophrenie. Die Wirksamkeit dieser Medikamente wurde in Hunderten von Studien nachgewiesen: Sie können den Krankheitsverlauf und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern, indem sie das psychotische Erleben lindern und langfristig das Rückfallrisiko senken.
Doch wie alle Medikamente haben auch Neuroleptika ein Nebenwirkungsprofil, das bei der Anwendung berücksichtigt werden muss. Inwiefern die von Ho und seinen Mitautoren beschriebenen Effekte als direkte Nebenwirkung anzusehen sind und welche funktionellen Auswirkungen sie haben, lässt sich zurzeit aber nicht absehen.
Hierbei dürften noch eine Reihe weiterer Faktoren etwa genetischer und epigenetischer Art eine Rolle spielen. So zeigte sich in den Ergebnissen der Arbeitsgruppe um Ho, dass sich die Hirnmorphologie längst nicht bei allen untersuchten Schizophreniepatienten im Lauf der Zeit veränderte. Vermutlich sind hierbei erblich bedingte Anfälligkeiten in Kombination mit Umwelteinflüssen am Werk: Frühere Studien haben beispielsweise gezeigt, dass Cannabiskonsum den Verlust von Nervenzellen verstärken kann, wohingegen regelmäßiges Ausdauertraining auch bei Patienten zu einem Anwachsen etwa des Hippocampus führen kann, einer wichtigen Schaltstation für Lernen und Gedächtnis.
Eine individuell abgestimmte Therapie mit kleinstmöglicher Dosierung der Antipsychotika gilt bereits seit Längerem als Goldstandard in der Behandlung von Schizophrenie. Bei der Gabe antipsychotischer Substanzen müssen Ärzte stets zwischen möglichem Nutzen und Risiken für den Patienten abwägen. Bisher bekannte Nebenwirkungen wie Bewegungsstörungen oder Unruhe flossen folglich in die nationalen und internationalen Leitlinien zur Schizophreniebehandlung ein.
In jedem Fall wirft die Studie von Ho und Kollegen ein Schlaglicht auf die neurobiologische Wirkweise von Antipsychotika, der Forscher zukünftig noch mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Solange die neuronalen Mechanismen nicht verstanden sind, sollte sich die klinische Praxis jedoch weiter an den geltenden Leitlinien orientieren.
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