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Schlangen. Faszination einer unbekannten Welt.

Aus dem Amerikanischen von Monika Niehaus-Osterloh. Birkhäuser, Basel 1999. 347 Seiten, DM 98,-.

Schlangen erregen bei vielen Menschen heftige Gefühle, von Faszination bis zu entschiedener Abneigung. Jeder kennt sie, aber kaum jemand richtig. Bis vor einigen Jahren traf dies selbst auf die Naturwissenschaften zu. Abgesehen von ihren Giften und deren medizinischen Auswirkungen genossen Schlangen nur sehr vereinzelt wissenschaftliches Interesse. Dies hat sich in den letzten zwei Dekaden grundlegend geändert.

Das vorliegende Buch richtet sich an eine breite Leserschaft. Interessierte Laien werden den sehr angenehm geschriebenen und meist leicht verständlichen Text zu schätzen wissen. Dessen Autor Harry W. Greene, Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Cornell-Universität in Ithaca (New York), bietet jedoch auch der Fachwelt einen überaus tiefen Einblick in die Biologie der Schlangen. Die hervorragenden Fotos stammen von dem weltbekannten Naturfotografen-Ehepaar Michael und Patricia Fogden. Die gute Aufmachung macht das Buch zu einem Schmuckstück. Die Information ist absolut aktuell, das Literaturverzeichnis umfassend.

Der erste der drei Teile behandelt die wichtigsten Aspekte der Lebensweise: Fortbewegung, Ernährung, Giftigkeit und mehr. Teil II betrachtet die Vielfalt der Schlangen vom systematischen Standpunkt, allerdings nicht erschöpfend. Vielmehr arbeitet Greene wesentliche Kennzeichen von Großgruppen wie Boas oder Vipern an Fallbeispielen heraus. Teil III bietet eine Synthese. Greene gelingt es, Schlangen als faszinierende, eigenständige Gruppe der Reptilien zu charakterisieren und Verständnis für deren zahlreiche Spezialanpassungen zu erzeugen. Vierzehn kleine Extrakapitel von ein bis zwei Seiten befassen sich mit Spezialthemen wie berühmten Reptilienforschern, Schlangenfossilien und Artenschutz.

Von einigen Amerikanismen und falsch-wörtlichen Eindeutschungen abgesehen, ist die Übersetzung gut gelungen. Sehr erfreulich ist, dass der deutsche Verlag ein Glossar hinzugefügt hat.

Das Werk bietet kaum Anlass zu inhaltlicher Kritik. Lediglich die systematische Einordnung der Madagassischen Boas scheint etwas voreilig. Auf diesem sehr kontrovers diskutierten Feld schlägt sich Greene auf die Seite der Neuerer, indem er zum Beispiel die Madagaskar-Hundskopfboa Boa mandrita statt bisher Sanzinia madagascariensis nennt. In einem Buch, das sich auch an Laien richtet, wäre zur Vermeidung von Verwirrung eine konservative Grundhaltung anzuraten.

Dieses Buch ist absolut empfehlenswert. Ein Muss für jeden an Reptilien interessierten Zoologen. Fast ein Muss für jeden naturkundlich Interessierten. Und das bei einem hervorragenden Preis-Leis-tungs-Verhältnis.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2000, Seite 104
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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