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Schliemanns Erben. Von den Schwarzen Pharaonen zu den Herren der eisigen Höhen.

Lübbe, Bergisch Gladbach 1999. 256 Seiten, DM 49,80.


Dieser Begleitband zur neuen Staffel der ZDF-Fernsehserie "Schliemanns Erben" setzt sich mit drei unterschiedlichen Themen der Archäologie unserer Zeit auseinander: neue archäologische Entdeckungen im Sudan, frühe Hominiden-Funde in Ostafrika und Ausgrabungen im Himalaya. Exemplarisch sei hier das erste Thema näher betrachtet.

Lange Zeit hat man den Sudan kulturell unterschätzt – einerseits, weil er wie Ägypten seit der Eroberung durch die Türken 1517 den Europäern weitgehend verschlossen war, andererseits, weil er anders als Ägypten zu antiken Zeiten zumeist kulturell kein zusammenhängendes Gebiet, sondern durch kleinere regionale Zentren geprägt war.

Die Erforschung des antiken Sudans konnte erst einsetzen, nachdem Napoleon Bonaparte 1798 im Kampf gegen England Ägypten erobert hatte; doch blieben Reisen südlich des Ersten Kataraktes noch immer ein großes Wagnis. Die drohende Überflutung durch das Wasser des Staudamms von Assuan löste von 1959 bis 1969 eine beispiellose Grabungsaktivität aus, die hauptsächlich altägyptische Denkmäler zu Tage brachte.

Aber auch im Sudan wurden sensationelle Funde gemacht, die das gesamte traditionelle Bild von der Überlegenheit der altägyptischen Kultur in Frage stellten. Man entdeckte Königsgräber der so genannten A-Gruppe, die noch vor Beginn der 1. Dynastie in Ägypten, das heißt vor 3100 v. Chr., angelegt wurden. Von diesen intensiven Untersuchungen profitiert noch heute die Forschung.

Erst in jüngster Zeit erlebt die Archäologie des Sudan eine regelrechte Renaissance, nicht zuletzt mit Hilfe der deutschen Forschung. Seit 1995 führt das Ägyptische Museum Berlin systematische Ausgrabungen in den hervorragend erhaltenen Ruinen der Stadt Naga 130 Kilometer nördlich von Khartum durch. Auf der Grundlage der Dokumentation der gesamten Stadtanlage sollen einzelne Gebäude archäologisch erschlossen und das ganze Ensemble später in einen archäologischen Park integriert werden. Die Humboldt-Universität Berlin setzt ihre – schon Ende der fünfziger Jahre begonnenen – Arbeiten am Tempel von Musawwarat es Sufra fort. In neuester Zeit ist die Sudan-Archäologie verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangt, vor allem durch die großen Ausstellungen "Das Gold von Meroë" und "Die Pharaonen des Goldlandes: Antike Königreiche im Sudan".

In ersten Teil des vorliegenden Begleitbandes versucht nun Gisela Graichen, für eine breite Öffentlichkeit einen Bericht über die neuesten Erkenntnisse der Sudan-Archäologie zu geben. Das Informationsbedürfnis des Lesers wird jedoch nur bedingt gestillt.

Streiflichtartig erzählt Graichen Anekdoten der Sudan-Archäologie, von den Preisverhandlungen im Kunsthandel nach dem Schatzfund der Königin Amanishakheto bis zu Erlebnissen bei den Ausgrabungen in Musawwarat. Man vermisst eine sachliche oder chronologische Linie. Ihr Anspruch auf, "eine Fährte von Ruinen und Relikten, von sandüberwehten Pyramiden und versunkenen Kultplätzen" zu gehen, wird nicht eingelöst.

Die 4000jährige Geschichte der Beziehungen zwischen Ägypten und dem Sudan, unentbehrlich für das Verständnis des antiken Sudans, wird auf ganzen vier Seiten abgehandelt. Graichen geht auch nicht auf die große künstlerische Hinterlassenschaft dieser Kultur ein – von den Goldfunden abgesehen. Gerade die großen Sudan-Ausstellungen der letzten Jahre haben aber gezeigt, wie eigenständig die Kunst in dieser Region war.

Überschriften wie "Das Gold der Schwarzen Königin", "Die Mordsweiber von Meroë" oder "Das mysteriöse Labyrinth" zeigen, worauf es Frau Graichen ankommt. Die diplomierte Volkswirtin und Fernsehautorin versucht das Thema reißerisch und populistisch anzugehen.

Über die Grundschwäche des Werkes helfen auch in den Text eingebundene Kommentare von international renommierten Ägyptologen wie Dietrich Wildung nicht hinweg. Im Mittelpunkt ihrer Kapitel stehen immer wieder die sensationellen Gold- und Schatzfunde. Selbst Tutanchamuns Grab werden noch drei Seiten gewidmet, obwohl er nur sehr peripher mit der Archäologie des Sudans zu tun hat. Gisela Graichen berichtet statt archäologischer Fakten lieber, wie sie der sudanesischen Geheimpolizei Teile ihres Filmmaterials aushändigen musste.

Fazit: Die Chance, einen sachlich ansprechenden und gut recherchierten Beitrag über das "Goldland der Pharaonen" zu schreiben, wurde gründlich vertan. Auch fehlt dem Werk die verlegerische Sorgfalt. Auf ein Register wurde verzichtet; die Literaturangaben sind dürftig. Wer sich seriös über den Sudan informieren möchte, greife zu einem anderen Buch.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2000, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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