Schnelle Bildgewinnung im Infraroten
Visuelle Meßverfahren nutzen meist sichtbares Licht, also Wellenlängen von etwa 380 bis 780 Nanometern (millionstel Millimetern). Elektronische Kameras – also solche, die elektromagnetische Strahlung mit charged coupled devices, CCDs, aufzeichnen – vermögen sehr feine Details zu unterscheiden und zudem Bilder mit hoher Geschwindigkeit aufzeichnen. Bei infraroten Wellenlängen, die deutlich länger als ein Mikrometer (tausendstel Millimeter) sind, stoßen sie jedoch an ihre Grenzen.
Zwar gibt es kommerzielle Detektoren, die noch wesentlich weiter in den infraroten Bereich messen, doch geht das entweder auf Kosten der räumlichen oder der zeitlichen Auflösung:
- Bolometer sind schwarz gefärbte Metalle oder Halbleiter. Wenn Strahlung sie erwärmt, verändert sich meßbar ihr elektrischer Widerstand; doch bis ein thermisches Gleichgewicht erreicht ist, vergehen einige Dutzend Millisekunden.
- Quantendetektoren sind dotierte Halbleiter, in denen absorbierte Photonen Elektronen aus dem gebundenen Zustand in das energetisch höherliegende Leitungsband heben. Sie registrieren Wellenlängen bis unterhalb von einem Millimeter und vermögen, da sie fern vom thermischen Gleichgewicht arbeiten, in Mikrosekunden-Abständen zu messen. Allerdings bestimmt die Größe der Photozelle die des Bildpunkts. Zudem müßten beispielsweise hundert mal hundert Zellen zu einem Array verdrahtet werden, um eine ausreichend große Fläche beobachten zu können – ein kaum zu bewältigender Aufwand.
Der Infrarot-Konverter
Für die Prozeßkontrolle von Anwendungen, bei denen hohe Temperaturen genutzt werden, sucht man deshalb nach Alternativen. Hans-Georg Purwins, Leiter des Instituts für Angewandte Physik der Universität Münster, sowie Yuri Astrov und weitere Wissenschaftler des A. F. Ioffe Physikalisch-Technischen Instituts in Sankt Petersburg setzen auf einen Konverter: Indem Infrarotstrahlung in sichtbares Licht umgewandelt wird, sind herkömmliche CCD-Kameras mit ihren Vorteilen wieder zu nutzen.
Grundlage ist die nichtlineare Charakteristik eines Gasentladungsspalts (Bild 1): Unterhalb einer bestimmten angelegten Spannung entstehen im Spalt Ionen und Elektronen etwa aufgrund kosmischer Strahlung. Bei Überschreiten eines Schwellenwertes vermehren sich die Ladungsträger lawinenartig; der Stromfluß wächst dann rapide mit der Spannung, und ein erstes schwaches Leuchten ist im Spalt zu sehen. Genutzt wird nun der Bereich der Townsend-Entladung, benannt nach dem irischen, in Cambridge und Oxford tätigen Physiker John Sealey Edward Townsend (1868 bis 1957). Dabei verläuft die Kennlinie fast senkrecht von etwa einem zehnmillionstel bis zu einigen Milliampere; das heißt, zu praktisch ein und derselben Spannung gibt es eine ganze Skala möglicher Stromwerte. Je mehr Strom pro Flächeneinheit fließt, desto stärker ist auch das Leuchten.
Der Trick ist, dem Spalt einen Halbleiter vorzuschalten. Er wirkt wie ein flächenhafter, sehr hoher elektrischer Widerstand. An Stellen jedoch, an denen infrarote Strahlung auftrifft, werden Ladungsträger frei – je intensiver die Strahlung, desto mehr; und im korrespondierenden Bereich des sich anschließenden Spalts steigt die Intensität des sichtbaren Lichts proportional.
Technische Realisierung
Der Halbleiter besteht aus dotiertem Silicium. Wird er mit Zink versetzt, entspricht die Energielücke zwischen dem gebundenen Zustand der Elektronen und dem Leitungsband einer Wellenlänge von vier Mikrometern; mit Indium kann man sogar bis zu zehn Mikrometer erreichen. Allerdings ist der sogenannte Dunkelstrom, der auch ohne Lichteinfall entsteht und das Meßsignal überlagert, bei Raumtemperatur sehr groß. Um solches Rauschen zu unterdrücken und damit die Empfindlichkeit zu erhöhen, wird der Konverter mit flüssigem Stickstoff gekühlt; bei Indium-Dotierung sind mitunter noch tiefere Temperaturen erforderlich. Den elektrischen Kontakt stellt auf der negativen Seite für Infrarotstrahlung transparentes, mit Bor dotiertes Silicium her, als Anode im sichtbaren Spektralbereich transparentes Indium-zinnoxid.
Derzeit läßt sich mit dem System jeweils ein Fleck von 20 bis 25 Millimetern Durchmesser beobachten. Dabei vermag man Linien im Abstand von 0,2 Millimetern aufzulösen. Je nach Dotierung ist alle hunderttausendstel Sekunde ein Bild aufzunehmen, eine Steigerung auf eine millionstel Sekunde scheint möglich. Das Material bestimmt die spektrale Empfindlichkeit: Ein Meßbereich von 1,1 bis 10,6 Mikrometer wurde bereits realisiert, 20 bis 40 Mikrometer dürften zu erreichen sein.
In Zusammenarbeit mit der Industrie soll nun aus dem Funktionsmodell ein Prototyp werden. Für den Einsatz scheinen vor allem drei zunehmend wichtigere Anwendungsgebiete interessant: die Online-Überwachung der Materialbearbeitung mit gepulsten Laserstrahlen (je homogener etwa die Temperaturverteilung in einer Schweißnaht, desto besser wird sie halten), das Prüfen des Strahlprofils von Infrarot-Lasern, wie sie in Medizin, Materialbearbeitung und Umweltbeobachtung verwendet werden, sowie die Materialprüfung, bei der man die Probe erwärmt und aus dem Temperaturfeld beim Abkühlen auf Fehler schließt (Bild 2).
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1996, Seite 119
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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