Schnelle Einrumpfschiffe - Entwicklungen in Europa
Zu jeder Transportgeschwindigkeit gibt es ein optimal effizientes Verkehrsmittel – dasjenige, das eine Tonne Nutzlast mit dem geringsten Energieaufwand von A nach B bringt (logistische Merkmale wie Verfügbarkeit und Flexibilität sind dabei nicht berücksichtigt). Für Geschwindigkeiten bis etwa 50 Kilometer pro Stunde ist dies das Schiff, oberhalb von ungefähr 400 Stundenkilometer das Flugzeug und im Bereich dazwischen die Eisenbahn (Bild 1).
Für den internationalen Frachtverkehr bei mittleren Geschwindigkeiten stehen aber nur eher schlecht taugliche Geräte wie Hubschrauber, Tragflächenboote und Luftkissenfahrzeuge zur Verfügung. Um diese Lücke zu schließen, entwickeln Schiffbauer und Flugzeugbauer dicht über dem Wasser gleitende sogenannte Bodeneffektflugzeuge, die im Meer starten und landen können und 300 bis 600 Stundenkilometer schnell sind. (Der Effekt wurde bereits 1920 beschrieben: Bei Flughöhen von wenigen Metern staut sich die Luft zwischen Tragfläche und Wasser, was den Auftrieb vergrößert. Gleichzeitig können sich energieverzehrende Wirbel nicht in dem Maße ausbilden wie in freier Luft. Die Dornier DO X vermochte wohl nur aufgrund dieses Effektes 1931 den Atlantik zu überqueren, und Kampfflieger des Zweiten Weltkrieges nutzten ihn, um Treibstoff zu sparen. Die Redaktion.) Solche Hybride aus Schiff und Flugzeug nennt man im Westen WIG (wing in ground, Tragflügel im Bodeneffekt) und in Osteuropa Ekranoplan. Obwohl sie bereits vor Jahrzehnten als Truppentransporter in der Sowjet- union entwickelt wurden, sind für einen wirtschaftlichen und nach zivilen Standards sicheren Betrieb noch viele Probleme zu lösen. Auch kleinere deutsche Firmen haben bereits Prototypen, doch hätte ein Personentransport mit 300 Stundenkilometern in einer Flughöhe von wenigen Metern wohl derzeit keine Aussicht auf Genehmigung.
Länge läuft
Schnelle Containerschiffe sollen die Geschwindigkeitslücke im Bereich zwischen 60 und 80 Stundenkilometern schließen. Die vorgeschlagenen Konzepte sind in Details innovativ, folgen aber bekannten Grundlagen des Schiffbaus, die physikalisch bedingt sind.
So läßt sich mit beliebigen Rumpfformen eine hohe Geschwindigkeit erreichen, wenn der Antrieb nur leistungsstark genug ist. Kurze und leichte Boote beginnen dann in der Regel zumindest teilweise zu gleiten, wodurch sich der Gesamtwiderstand verringert – die mit dem Wasser wechselwirkende Schiffsoberfläche wird kleiner. Nur benötigt man dafür meist teure Gasturbinen, und der erforderliche Treibstoffvorrat übertrifft sehr bald die Ladung an Gewicht. Solche im Fachjargon Briefmarkentanker genannten Schiffe könnten vor lauter Treibstoffgewicht lediglich eine "Blaue Mauritius" befördern.
Die erste Überlegung des Schiffbauers gilt deshalb der Rumpfform. Um den Leistungsbedarf zu verringern, muß man den Wasserwiderstand reduzieren. Das gelingt mit langen, schmalen Formen – Länge läuft. Außer der Hydrodynamik muß der Konstrukteur aber weitere Aspekte beachten: Ausreichende Stabilität gegen Kentern erfordert eine Mindestbreite, ausreichende Längsfestigkeit gegen Auseinanderbrechen eine Mindestseitenhöhe, Ladung und Maschine müssen sinnvoll untergebracht sein.
Auf hoher See regen Wellen Schiffsbewegungen an, die einen Zusatzwiderstand verursachen und damit die Geschwindigkeit reduzieren – wenn sie nicht ohnehin so heftig werden, daß nur Drosseln der Fahrt Schäden an Schiff oder Ladung vermeidet. Insbesondere auf Schnelligkeit optimierte Fahrzeuge zeigen häufig diesen Effekt; so hat man Katamarane auf Routen im Ärmelkanal aus dem Verkehr gezogen – Seekrankheit war den Passagieren geradezu sicher. Lange Einrumpfschiffe sind hingegen günstig, denn die mit weniger als 50 Metern Länge verhältnismäßig kurzen Wellen, die auf See hauptsächlich vorkommen, mitteln sich in ihrer Wirkung über die Schiffslänge und erregen kaum Bewegungen.
Wasserstrahlantrieb plus Gasturbine?
Das Antriebssystem muß stark und effizient sein, um die gewünschte Leistung mit geringem Eigen- und Treibstoffgewicht zu erzielen; ein Anteil von 25 bis 40 Prozent am Schiffsgewicht ist bei schnellen Schiffen typisch.
Prinzipiell entsteht Schub durch Rückstoß, also durch Beschleunigen von Wasser nach hinten. Doch einige Energie geht beispielsweise durch Reibung zwischen Strahl und umgebendem Wasser, durch Kavitation (Bläschenbildung) oder infolge von Reibung in den Lagern und Buchsen der Propellerwelle verloren. Diese Einbußen wachsen mit der Differenz zwischen der Geschwindigkeit des anströmenden Wassers – und das ist im wesentlichen die des Schiffes – und der erreichten Strahlgeschwindigkeit.
Seit einigen Jahren werden Jets als Alternative zu Schraubenpropellern bei schnellen Schiffen propagiert und auch zunehmend eingesetzt. Das Wasser wird dabei durch das Schiff geführt und von einem Schaufelrad beschleunigt, das nun aber beispielsweise fünfmal kleiner ist als eine Schiffsschraube. Dementsprechend gering ist die beschleunigte Wassermasse, und desto größer muß die erreichte Strahlgeschwindigkeit sein, um den gewünschten Schub zu erzeugen. Bei langsamer Fahrt, also auch schwacher Anströmung, arbeitet solch ein Antrieb verlustreich.
Um Schiffsschraube oder Schaufelrad zu bewegen, werden Gasturbinen als Alternative zu Dieselmotoren erwogen, denn sie haben bei gleicher Leistung geringeres Gewicht und weniger Abgas-emissionen. Dafür sind sie in der Anschaffung teurer und verbrauchen mehr und teureren Brennstoff als Dieselmotoren, die man mit Schweröl betreibt. Zudem benötigen Turbinen viel Zu- und Abluft und aufgrund höherer Drehzahl aufwendigere Getriebe zur Untersetzung auf langsamer rotierende Propeller.
Im Prinzip lassen sich Wasserstrahler oder Propeller beliebig mit Dieselmotor oder Gasturbine kombinieren. Die Verbindung von Jets und Gasturbinen eignet sich vor allem für sehr schnelle Fahrt. Es ist im Einzelfall zu prüfen, wie die jeweiligen Anforderungen optimal zu erfüllen sind; dies zeigen die folgenden Beispiele europäischer Entwicklung.
Der EuroExpress
Die Kvaerner Masa-Werft in Turku (Finnland) plant, die Transportzeit ihrer Frachtschiffe nach Deutschland von derzeit 36 auf 18 Stunden zu halbieren. Das erfordert Spitzengeschwindigkeiten von 35 Knoten (63 Stundenkilometern) und eine Halbierung der Umschlagszeit im Hafen. Zwar werden die Fahrzeuge teurer, dafür bietet aber eine nur halb so große Flotte die gleiche Transportleistung wie heute und das bei höheren Frachtraten.
Das soll eine lange, schlanke Einrumpfform bewirken. Der wellendurchschneidende Bug des EuroExpress und die lange Wasserlinie sorgen für gutes Seeverhalten, so daß auch bei hohen Wellen kaum Geschwindigkeitsverluste zu befürchten sind, wie in Modellversuchen nachgewiesen wurde.
Beim Antrieb entschied man sich für Gasturbinen und diskutierte mehrere Alternativen für die Kraftübertragung:
Ein Propellerantrieb erfordert, wie erwähnt, ein aufwendiges Getriebe und Unterbringung der Turbinen in Propellernähe, also unten im Hinterschiff. Bei Verwendung als sogenanntes Ro-Ro- (Roll-on-Roll-off-)Schiff, bei dem die Ladung auf Fahrzeugen an Bord rollt, würden große Zu- und Abluftschächte Spuren auf dem Fahrzeugdeck blockieren und den Ladungsumschlag verteuern.
Statt dessen könnten die Gasturbinen auch Stromgeneratoren antreiben, und die Propeller würden von Elektromotoren bewegt. Zwar ließen sich die Turbinen dann beliebig unterbringen, der Antrieb wäre aber durch die Generatoren etwa 20 Prozent schwerer und 40 Prozent teurer in der Anschaffung als die Getriebelösung.
Bei einem Antrieb mit mehreren Wasserstrahlern entfallen die Steuerruder, und das Gesamtgewicht halbiert sich, doch ist ein solches System 40 Prozent teurer in der Anschaffung.
Die optimale Lösung hängt von den Gesamtkosten ab. Dabei müssen die Betriebskosten, bestimmt durch Transportstrecke, Anzahl der anzulaufenden Häfen und aktuelle Treibstoffpreise, gegen die Vorteile eines geringeren Eigengewichts und entsprechend hoher möglicher Zuladung abgewogen werden.
Fast Monohull
Auch die Ingenieure der deutschen Traditionswerft Blohm+Voss in Hamburg konzipieren eine schlanke Einrumpfform. Ihr Fast Monohull (Bild 2) erreicht fast 30 Knoten (56 Stundenkilometer), und das mit konventioneller Technologie: schweröltauglichen und sehr sparsamen Dieselmotoren sowie einem oder zwei Propellern. Zudem ist die Tragfähigkeit höher als bei vergleichbaren Konzepten. Das erreicht man durch Beschränkung auf nur mäßig hohe Geschwindigkeiten und eine ungewöhnliche Rumpfform.
Ein tiefgetauchtes U-Boot erzeugt weder Wellen, noch wird es vom Seegang weit über ihm beeinflußt. Dies nutzen die Ingenieure zumindest teilweise und erzeugen den Auftrieb zu einem großen Teil durch eine tiefliegende U-Boot-ähnliche Rumpfpartie. Die notwendige Stabilität ergibt sich durch Übergang zur V-Form des eigentlichen Schiffes oberhalb, denn mit zunehmender Beladung erhöht sich dessen Tiefgang und damit die im Wasser wirksame Schiffsbreite. Der Rumpf formt zudem im hinteren Schiffsbereich einen Tunnel, der opti-male Zuströmung zu einem Propeller mit großem Durchmesser gewährleistet. Insgesamt ergibt sich so ein ungewöhnlich guter Wirkungsgrad des Vortriebs. Zahlreiche Versuche im Schlepptank sowie Computer-Simulationen haben gezeigt, daß ein Fast Monohull bei hohen Geschwindigkeiten eine Leistungsersparnis von circa 20 Prozent gegenüber konventionellen Rumpfformen erzielt. Hinsichtlich seines Verhaltens bei hohem Seegang hat es überdies die für Einrumpfschiffe genannten Vorteile.
Zwar verbraucht ein solches Schiff mehr Treibstoff als ein konventionell gebautes, langsameres Schiff vergleichbarer Tragfähigkeit, doch werden diese Mehrkosten Wirtschaftlichkeitsrechnungen zufolge durch Zeitersparnis wettgemacht, so daß sich die Kosten für den Transport eines Containers oder Lastwagens auf gewohntem Niveau halten. Die höheren Geschwindigkeiten erlauben mehr Fahrten pro Jahr mit größerem Umsatz; außerdem wird das Transportmittel für Kunden attraktiver. Es ist von daher nicht verwunderlich, daß über den Bau dieses Typs bereits konkret verhandelt wird.
Es gibt, wie der voranstehende Beitrag von David L. Giles zeigt, noch eine Reihe weiterer Konzepte. Letztendlich entscheidet der Markt, welches sich durchsetzt. Dabei spielen die Treibstoffpreise eine entscheidende Rolle. Bei den derzeit relativ niedrigen Preisen erscheinen einige Projekte mit Zielgeschwindigkeiten zwischen 30 und 40 Knoten realistisch. Japanische Konzepte für Frachtschiffe, die sogar 50 Knoten erreichen sollten, wurden wegen der hohen Kosten für Anschaffung und Betrieb nicht weiterverfolgt. Sollten die Treibstoffpreise steigen oder gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Abgas-emissionen verschärft werden, würden Modelle mit niedrigeren Zielgeschwindigkeiten, vermutlich aber auch moderat schnelle Schiffe im Bereich von 30 bis 35 Knoten begünstigt.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1998, Seite 89
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