PALÄONTOLOGIE: Schwimmender Rüssel mit Schnauze
Das Rätsel des "Tully-Monsters", über dem Paläontologen seit beinahe 60 Jahren brüten, scheint gelöst zu sein. Von dem Wesen sind massenweise fossile Überreste erhalten – in einer Gesteinsformation im Nordosten des US-Bundesstaats Illinois. Forscher um Victoria McCoy von der Yale University (USA) haben nun genauer geklärt, was es mit der bizarren Kreatur auf sich hatte: Sie war vermutlich ein Wirbeltier und ein früher Vorfahr der heutigen Neunaugen.
Das Tier trägt den wissenschaftlichen Namen Tullimonstrum gregarium, benannt nach dem Erstentdecker Francis Tully. Es besaß einen fischähnlichen Körper mit seitlich abstehenden Stielaugen und einem Flossenschwanz in Pfeilform. Sein vorderes Ende ging in einen Rüssel über und mündete in eine große Schnauze mit Zähnen. T. gregarium war meist um die 30 Zentimeter lang und lebte vor schätzungsweise 308 Millionen Jahren, also im späten Karbon.
Um die verwandtschaftlichen Beziehungen des Wesens zu klären, untersuchten McCoy und seine Kollegen mehr als 1200 Exemplare aus dem Field Museum of Natural History in Chicago. Einige Merkmale des "Monsters" sprechen dafür, dass es sich um ein Wirbeltier handelte: etwa Zahnreihen im Mundbereich, Kiementaschen und vor allem eine Chorda dorsalis, ein ursprüngliches inneres Achsenskelett. Letztere hatten Wissenschaftler in früheren Untersuchungen fälschlicherweise für einen Darm gehalten.
Über die Lebensweise des Tiers ist wenig bis nichts bekannt. Es ergriff die Nahrung vermutlich mit seiner Schnauze und schabte Stücke davon mit der Zunge ab. Was auf dem Speiseplan stand, wissen die Forscher allerdings nicht. T. gregarium könnte ein Räuber oder auch ein Aasfresser gewesen sein.
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