Nervensystem: Senkt eine Blinddarm-OP das Parkinsonrisiko?
Mehr als 100 000 Menschen landen in Deutschland pro Jahr mit einer Blinddarmentzündung auf dem OP-Tisch. Von der Erkrankung ist dabei genau genommen nicht der Blinddarm selbst betroffen, sondern der Wurmfortsatz (Appendix), ein nur wenige Zentimeter langes Anhängsel. Klagen die Patienten über Bauchschmerzen, Fieber und Übelkeit, hilft oft nur noch die Entfernung des Appendix – und das kann langfristig vielleicht nicht nur vor weiteren Blinddarmentzündungen schützen: Wie Bryan Killinger vom Van Andel Research Institute in Grand Rapids und sein Team entdeckten, leiden Menschen ohne Wurmfortsatz offenbar auch seltener an der Parkinsonkrankheit.
Die Forscher analysierten Daten von etwa 1,6 Millionen Schweden. Dabei fiel auf, dass Teilnehmer, denen der Appendix entfernt worden war, ein rund 20 Prozent niedrigeres Risiko hatten, später an Parkinson zu erkranken – bei Probanden auf dem Land sank die Wahrscheinlichkeit sogar um ein Viertel. Zudem begann die Krankheit bei den Betroffenen durchschnittlich 3,5 Jahre später im Vergleich zu Menschen, die keine Blinddarm-OP benötigt hatten.
Wie die Wissenschaftler in weiteren Experimenten beobachten konnten, sammeln sich im Wurmfortsatz offenbar nach und nach größere Mengen an fehlgefalteten Alpha-Synuclein-Proteinen an, die bei Parkinsonpatienten üblicherweise im Gehirn anzutreffen sind. Dort tragen sie vermutlich zum Absterben von dopaminproduzierenden Nervenzellen bei und sorgen so für die typischen Bewegungsstörungen. Bereits in der Vergangenheit gaben Studien Hinweise darauf, dass Alpha-Synuclein sich auch im Darm der Betroffenen abzulagern scheint. Zudem klagen Parkinson-patienten oft schon Jahre vor dem eigentlichen Krankheitsbeginn über Darmprobleme.
Da sich bislang allerdings nur eine Korrelation und kein kausaler Zusammenhang nachweisen ließ, warnen die Autoren davor, sich den Wurmfortsatz prophylaktisch entfernen zu lassen. Zumal neuere Erkenntnisse darauf hindeuten, dass der Appendix doch nicht so überflüssig ist, wie Mediziner lange annahmen: Auch heute noch scheint er bei gewissen Immunprozessen eine Rolle zu spielen. Und auch eine Operation an sich sei schließlich nicht risikolos.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben