Medizin: Siegeszug der RNA-Impfstoffe
An einem Freitagnachmittag im März 2013 erhielt der Pharmazeut Andrew Geall einen Anruf. Drei Menschen in China hatten sich gerade mit einem neuen Erregerstamm der Vogelgrippe infiziert. Gealls Vorgesetzter beim Pharmaunternehmen Novartis wollte wissen, ob der Forscher und seine Kollegen bereit seien, ihre neue Impfstofftechnik einzusetzen. Ein Jahr zuvor hatte das Team kurze RNA-Stücke in kleine Tröpfchen aus Lipidverbindungen (so genannte Lipid-Nanopartikel) eingebettet und damit Ratten gegen eine virale Atemwegserkrankung immunisiert. Würde diese Methode nun auch gegen die Vogelgrippe helfen? Und ließe sie sich rasch anwenden?
Geall, der damals die Forschung über RNA-Impfstoffe bei Novartis leitete, erinnert sich: »Ich sagte: Natürlich, schicken Sie uns einfach die genetische Sequenz des Virus.« Am Montag begann sein Team damit, virale Sequenzabschnitte in Form von RNA-Strängen herzustellen. Am Mittwoch verpackten sie diese in Lipid-Nanopartikel. Am Wochenende darauf testeten sie den fertigen Impfstoff an Zellen – und eine Woche später an Mäusen. Ein geradezu halsbrecherisches Tempo. Geall und seine Kollegen hatten in einem Monat erreicht, was mit herkömmlichen Methoden der Impfstoffentwicklung mindestens ein Jahr dauert.
Der Forscher und seine Mitarbeiter fanden allerdings nie heraus, ob ihr Vakzin beim Menschen wirkt – genauso wenig, wie sie das von mehreren anderen RNA-Impfstoffen erfuhren, die sie entwickelt hatten. Denn 2013 ließ sich RNA klinischer Qualität nur in sehr begrenzten Mengen herstellen, die für die Immunisierung größerer Patienten zahlen nicht ausreichten. 2015 verkaufte Novartis seine Impfstoffsparte.
Fünf Jahre und eine weltweite Pandemie später beweisen RNA-Impfstoffe nun ihren Wert …
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