Psychologie: Sigmund Freud und die Geheimnisse der Seele
CD-Rom für Windows und Macintosh. Navigo, München 2000. DM 69,90
An Literatur über Sigmund Freud und die Geheimnisse der Seele ist kein Mangel. Es gibt viele ebenso brauchbare wie preiswerte Einführungen in Leben und Werk des mythischen Gründervaters der Psychoanalyse; wozu dann noch diese CD-Rom? Die einzige halbwegs plausible Antwort ist der "Spaßfaktor". In geradezu vorbildlicher Weise erfüllt dieses Werk jene soziale Norm des Lernens, die schon auf der Grundschule als verbindlich gilt: Nichts soll mehr daran erinnern, dass der Erwerb von Wissen und Kenntnissen mit Anstrengung verbunden ist. Von sphärischer Musik umgarnt und von bewegten Bildern gefesselt, tauchen wir ein in den "Erlebnispark Freud".
Nur liegt das Gros der Informationen als Text vor und muss auch unvermeidlich so dargeboten werden. Dieser Textteil erweist sich durchweg als absolut zuverlässig und auf der Höhe des heutigen Wissensstands. Allenfalls könnte man eine ungleichmäßige quantitative Gewichtung beklagen: Mancher Name aus dem Umfeld Freuds wird weit ausführlicher behandelt, als seiner Bedeutung entspricht, während andere zu knapp dargestellt sind. Aber das ist nebensächlich.
Wie aber findet man einen möglichst mühelosen Zugang zu Leben und Werk Freuds? Die Autoren haben sich für ein Verfahren entschieden, das dem Medium vermutlich am ehesten gerecht wird: Sie strukturieren das "Feld Freud" – bekanntlich ein weites Feld – durch elf metaphorische Leitbegriffe, zum Beispiel "Coca" für Freuds wissenschaftlichen Werdegang, "Wartezimmer" für seelische Krankheit und psychoanalytische Heilung und "Moses" für Freuds Verhältnis zur bildenden Kunst. Wer "Ring" aufruft, erfährt alles über Freuds Schüler und Anhänger, über die Ausbreitung seiner Lehre, über Dissidenten und Abfallbewegungen und dergleichen mehr. Jedem Leitbild ist eine spezielle Bibliografie zugeordnet, ebenso eine Bild-Text-Animation.
Diese für das Medium spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten werden ihrem Gegenstand durchaus gerecht, wo es um "Familienbilder" oder insbesondere um "Film" geht. In anderen Fällen, etwa bei der Darstellung der Freudschen Traumtheorie (Leitmetapher "Bellevue"), wirken sie eher bemüht, zum Teil sogar läppisch. Der Versuch, ein hoch abstraktes, nur in Worten angemessen formulierbares Thema multimedial und erlebnishaft aufzuarbeiten, muss im Absurden enden.
Diese CD-Rom lässt sich als Nachschlagewerk mit leicht herzustellenden Querbezügen nutzen. Die bequem zu erschließende Fülle des Materials ist beträchtlich und befriedigt jeden, der bestimmte Informationen abrufen will.
Was auf der Strecke bleibt, ist ein problematisierender Zugang zu Freud und seiner Schöpfung, der Psychoanalyse. Ein kleines Beispiel: Wenn wir unter dem Stichwort "Philosophie" lesen, Freuds Verhältnis zu derselben sei ein Unverhältnis gewesen, so ist diese Information ohne Zweifel korrekt. Aber sie lässt nicht erkennen, dass dieses Unverhältnis höchst komplexer Natur war: Freud wahrte Distanz zur Philosophie, etwa zum Werk seines Zeitgenossen Friedrich Nietzsche, nicht zuletzt deshalb, weil er bei ihr Fragen formuliert und aufgehoben sah, die seinen eigenen bedenklich nahe kamen – es war eine Distanz aus Angst vor zu großer Nähe! Und erst an dieser Stelle wird die Geschichte von Freud und der Philosophie richtig spannend.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2001, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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