Physiologie: Das mechanische Gehirn
Eine junge Frau liegt in einem Untersuchungszimmer eines Kopenhagener Krankenhauses. Ihr ausgestreckter linker Arm ist mit Elektroden verkabelt. Alle paar Sekunden ertönt ein knackendes Geräusch: ein elektrischer Impuls. Dabei zucken jedes Mal ihre Finger. Hunderte solcher Stromschläge wird die Frau im Lauf des Tages noch erhalten.
Um die Probandin, die für ihre Mitwirkung 1000 dänische Kronen (etwa 135 Euro) bekommt, scharen sich mehrere Ärzte in weißen Kitteln. Thomas Heimburg, Physiker mit dem Schwerpunkt Biophysik, sitzt mit etwas Abstand auf einem Stuhl und hält auf seinem Tablet die Details des harschen Experiments fest, von dem er sich weit reichende Erkenntnisse erhofft.
Zu Beginn haben die Ärzte der Frau das Betäubungsmittel Lidocain in den Arm injiziert – so hoch dosiert, dass es für eine schmerzfreie Operation ausgereicht hätte. Anfangs reagieren die Nerven im Arm der Probandin daher auch nicht auf die elektrischen Reize. Dann jedoch erhöhen die Forscher die Stromstärke stufenweise auf das Zehnfache, bis zu 40 Milliampere; so viel fließt durch
eine 5-Watt-Glühbirne.
Knack – ein weiterer Stromschlag. Die Hand der Frau windet sich. Heimburg schenkt ihr keine Beachtung; er blickt auf einen Computermonitor an der Wand. Eine Welle, die das elektrische Signal in Armmuskel und Nerv wiedergibt, zeigt einen großen Ausschlag – die zunehmende Stromstärke hat jetzt den Effekt des Betäubungsmittels überwunden. Der Nerv feuert nun genauso stark wie ohne Betäubung. Der Wissenschaftler freut sich: »Was in den Lehrbüchern steht, ist hiermit nicht vereinbar.«
Heimburg arbeitet am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen, das für seine physikalische Forschung berühmt ist. Er will nichts weniger als einige zentrale Lehrbuchinhalte widerlegen ...
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