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Freier Wille: Spektrum-Diskurs "Schuld und Freier Wille"
In den letzten Monaten haben sich viele Menschen gemeldet, die in ihrer Jugend Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind. Für einige Mediziner sind Pädophilekrank und daher nur vermindert schuldfähig. Dies hat jetzt auch Philosophen auf den Plan gerufen. Sind Menschen Herr ihres Willens? Hätten sie anders handeln können, als sie tatsächlich gehandelt haben? Und wenn nicht, wie steht es dann mit Verantwortung, Schuld und Strafe? Der Medizinethiker Edgar Dahl äußert sich zu diesem brisanten Konflikt. Der Berliner Philosoph Michael Pauen antwortet auf Dahls Thesen.
Text 1
Denn sie wissen nicht, was sie tun …
Von Edgar Dahl
Wie der Vatikan inzwischen zugegeben hat, soll es allein in den vergangenen zehn Jahren mehrere tausend Klagen gegen Priester wegen sexueller Übergriffe an Kindern gegeben haben. Auch aus anderen, nichtkirchlichen Institutionen wurden Missbrauchsfälle bekannt. Wie soll man mit den mutmaßlichen Tätern verfahren? Natürlich gilt das Strafrecht. Aber ist, wie manche Mediziner meinen, Pädophilie womöglich eine Krankheit, so dass die daran Erkrankten nach unserer Rechtsprechung nur »vermindert schuldfähig" sind? "Keiner sucht sich das aus«, meint etwa Klaus Beier, Leiter eines Forschungsprojekts zum Kindesmissbrauch von der Berliner Charité. "Niemand ist verantwortlich für seine sexuelle Neigung, wohl aber für den Umgang damit."
Dieses salomonische Wort führt auf ein grundsätzliches philosophisches Problem: Haben Menschen Willensfreiheit? Hätten sie auch anders handeln können, als sie tatsächlich gehandelt haben? Streng genommen haben wir es bei der Frage nach der Freiheit des Willens – ähnlich wie bei der Frage nach Gott oder der Seele – mit einem schier unlösbaren Problem zu tun. Unlösbar, weil sich Existenzaussagen nicht widerlegen und Nichtexistenzaussagen nicht beweisen lassen.
Dies ist kein Grund zur Resignation. Denn wir können sehr wohl das Problem lösen, das sich dahinter verbirgt. Dass uns die Willensfreiheit umtreibt, liegt schließlich vor allem an unserem Wunsch, zu wissen, ob wir Menschen für ihre Handlungen moralisch verantwortlich machen können...
Denn sie wissen nicht, was sie tun …
Von Edgar Dahl
Wie der Vatikan inzwischen zugegeben hat, soll es allein in den vergangenen zehn Jahren mehrere tausend Klagen gegen Priester wegen sexueller Übergriffe an Kindern gegeben haben. Auch aus anderen, nichtkirchlichen Institutionen wurden Missbrauchsfälle bekannt. Wie soll man mit den mutmaßlichen Tätern verfahren? Natürlich gilt das Strafrecht. Aber ist, wie manche Mediziner meinen, Pädophilie womöglich eine Krankheit, so dass die daran Erkrankten nach unserer Rechtsprechung nur »vermindert schuldfähig" sind? "Keiner sucht sich das aus«, meint etwa Klaus Beier, Leiter eines Forschungsprojekts zum Kindesmissbrauch von der Berliner Charité. "Niemand ist verantwortlich für seine sexuelle Neigung, wohl aber für den Umgang damit."
Dieses salomonische Wort führt auf ein grundsätzliches philosophisches Problem: Haben Menschen Willensfreiheit? Hätten sie auch anders handeln können, als sie tatsächlich gehandelt haben? Streng genommen haben wir es bei der Frage nach der Freiheit des Willens – ähnlich wie bei der Frage nach Gott oder der Seele – mit einem schier unlösbaren Problem zu tun. Unlösbar, weil sich Existenzaussagen nicht widerlegen und Nichtexistenzaussagen nicht beweisen lassen.
Dies ist kein Grund zur Resignation. Denn wir können sehr wohl das Problem lösen, das sich dahinter verbirgt. Dass uns die Willensfreiheit umtreibt, liegt schließlich vor allem an unserem Wunsch, zu wissen, ob wir Menschen für ihre Handlungen moralisch verantwortlich machen können...
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