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100 Jahre Russische Revolution: Städte für die Proletarier

In der jungen Sowjetunion bemühten sich Architekten und Stadtplaner um sozialistische Siedlungskonzepte. Doch das meiste von dem, was sie konzeptionell zu Papier brachten, wurde nie realisiert.

"Schluss mit dem Krieg", "Alle Macht den Räten", "Den Bauern das Land der Gutsbesitzer", "Den Arbeitern die Kontrolle über die Betriebe" – unter solchen Parolen stürzten die Anhänger Lenins, die Bolschewiki, im Herbst 1917 die bürgerliche provisorische Regierung und riefen in Russland eine Sozialistische Räterepublik aus. Doch wie sich bald herausstellte, war die Einlösung der revolutionären Versprechungen schwierig. Und die Diskussion, wie den zahlreichen Problemen begegnet werden sollte, zeigte, dass die bolschewistische Partei über kein einheitliches Konzept für den Staatsaufbau verfügte. Die Losungen "Rätestaat", "Nationalisierung des Bodens", "Arbeiterkontrolle" erwiesen sich als Worthülsen, hinter denen radikaldemokratische, anarchistische oder syndikalistische Ideen ebenso stecken konnten wie die Vorstellung eines straff zentralisierten Wohlfahrtsstaats.

Was für Staat und Partei, Verwaltung und Wirtschaftsordnung, Justiz und Armee, Musik, Literatur und bildende Kunst galt, das galt auch für Architektur und Stadtplanung. Alle redeten vom Sozialismus, aber niemand wusste so genau, wie das gehen sollte. Jeder setzte die Prioritäten anders, und die Konzepte gingen entsprechend weit auseinander. Architekten und Stadtplaner sprachen von der "Angleichung der Lebensweise von Stadt und Land", damit die städtische Kultur ins Dorf gebracht und die "Idiotie des Landlebens" (Karl Marx) überwunden werde. Die "Neuordnung des Alltags auf sozialistischer Grund­lage" nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sollte das Gemeinschaftsgefühl stärken, die Vereinzelung unterbinden, die Frau aus der Sklaverei der Hausarbeit befreien und sie zum gleichberechtigten Mitglied der Gesellschaft (Wladimir Iljitsch Lenin) machen. Die Hoffnung auf Elektrizität, die Licht und Musik buchstäblich in jeden Kuhstall bringen sollte, spielte dabei gerade für Lenin eine wichtige Rolle. Zugleich blieb man skeptisch gegenüber dem Wildwuchs der Riesenstädte, sah in diesen eine problematische "Hinterlassenschaft des Kapitalismus" (Friedrich Engels), die zu beseitigen gehörige Zeit kosten werde 

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  • Quellen

Altrichter, H.: Ernst May: Musterstädte in der Sowjetunion. In: Möller, H., Čubar’jan A. (Hg.): Deutsch-russische Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert. Einflüsse und Wechselwirkungen. De Gruyter, Berlin, Boston 2016

Altrichter, H.: "Totalitarismus" als europäische Idee. In: Donig, S. et al. (Hg.): Europäische Identitäten - Eine europäische Identität? Nomos, Baden-Baden 2005

Bodenschatz, H., Post, C. (Hg.): Städtebau im Schatten Stalins. Die internationale Suche nach der sozialistischen Stadt 1929-1935. Braun, Berlin 2003

Chan-Magomedow, S. O.: Pioniere zur neuen sowjetischen Architektur in den zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre. Löcker, Wien, Berlin 1983

Starr, S. F.: Melnikov: Solo Architect in a Mass Society. Princeton University Press, Princeton 1981

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