Verkehrsmanagement: Stauprognose mit Infrarot-Kameras
Wer in Ballungsgebieten Auto fährt, fürchtet Staus und Behinderungen. Manche nutzen bereits die Dienste von Leitzentralen und erfragen günstige Strecken. Doch es mangelt an einer verlässlichen Erfassung der Verkehrsdichte. Wohl sind einige wichti-ge Hauptachsen mit Detektoren aus-gestattet, die eine mittlere Geschwindigkeit pro Straßenabschnitt messen, doch Nebenstrecken bleiben terra incognita. Um nicht auf freiwillige Melder angewiesen zu sein, könnten einige Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit senden. Hinreichend viele vorausgesetzt, ließe sich ein Gesamtbild erschließen, doch eben nur dann.
Ob eine Verkehrszählung aus der Luft vorteilhafter sei, untersuchte Frithjof Voss vom Institut für Geographie der Technischen Universität Berlin im Auftrag des Herstellers BMW. Drei Sensorsysteme kamen prinzipiell in Frage: Video- und Wärmekameras sowie Radargeräte. Während Erstere Sonnenlicht und wolkenfreien Himmel voraussetzen, ermöglichen Radargeräte theoretisch die Beobachtung der Straßen zu jeder Tageszeit und bei jedem Wetter. Doch der technische Aufwand solcher Systeme ließe sich derzeit kaum finanzieren.
Hingegen erwiesen sich kommerzielle Infrarot-Kameras als gut geeignet, aus luftiger Flughöhe den Verkehrsfluss zu messen. Einzige Einschränkung: Der Sensor muss unterhalb einer eventuellen Wolkendecke fliegen. Schon geringe Wärmeunterschiede zwischen Autos und Fahrbahn reichen dann für die Erkennung und Klassifikation aus (siehe Bild). Zu diesem Zweck modifizierten Voss und seine Mitarbeiter eine eigentlich für Materialprüfung entwickelte Software.
Zunächst ermittelt ihr Programm durch statistische Analysen der aufgenommenen Grauwerte einen Schwellenwert, um die Silhouette der Straße aus einem Bild herauszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein Hintergrundbild der Straße. Anhand dieser Referenz – und nur begrenzt auf den Straßenbereich – werden dann Objekte freigestellt und wieder mittels Schwellenwerten mögliche Fahrzeuge identifiziert. Um Irrtümer auszuschließen und zudem nach Pkw, Transporter oder Lkw/Bus zu klassifizieren, ersetzt das Programm die freigestellten Pixelflächen durch Rechtecke und bestimmt Parameter wie das Größenverhältnis oder die Grauwertverteilung.
Aus 500 Metern Flughöhe erfasste die Kamera bei Tests in Berlin einen 250 Meter breiten Streifen, die Daten wurden zu Boden gefunkt und nahezu in Echtzeit verarbeitet. Die Erkennungsquote betrug etwa 85 Prozent. Fehler, wie sie beispielsweise Schattenwurf und Bäume am Straßenrand verursachen können, sollten sich durch eine Kombination mit elektronischen Straßenkarten weiter reduzieren lassen. Die technische Durchführbarkeit eines solchen Gesamtsystems will BMW mit dem Anwendungszentrum intermodale Verkehrstelematik Berlin jetzt in einer Pilotstudie testen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2002, Seite 92
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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