Ethik: Der feine Unterschied zwischen Mensch und Tier
Frau Professor Fischer, Sie haben jahrelang Berberaffen und Paviane in freier Wildbahn beobachtet. Wie viel Affe steckt in uns Menschen?
Julia Fischer: Das kann man prozentual nicht beantworten, denn es kommt darauf an, was man sich anschaut. Bei bestimmten Zelltypen gibt es große Ähnlichkeiten zwischen Menschen und Affen. Wenn Sie aber geistige Fähigkeiten wie etwa Sprache betrachten, finden Sie große Unterschiede. In den letzten Jahrzehnten haben wir Wissenschaftler verstärkt nach den Ähnlichkeiten gesucht. Und wenn wir dann etwas Passendes entdeckten, wurde das weiterverfolgt – gefundene Unterschiede jedoch nicht. Hier liegt ein generelles Problem in der Wissenschaft vor: Was passt, wird publiziert, der Rest kommt in die Schublade. Wenn herauskommt, der Affe oder die Krähe kann etwas, was zuvor dem Menschen vorbehalten schien, kommt das mit großem Bohei in die Medien, und alle finden das toll. Schwieriger wird es, wenn die Affen oder Krähen etwas nicht können. Das will eigentlich niemand so genau wissen und wird erst gar nicht veröffentlicht.
Sehen Sie diese Schieflage auch bei der Erforschung von Sprachfähigkeit?
Fischer: Ja. Hier gab einen großen Hype in den 1980er Jahren. Da wurden Gegrunze und Schreie als Wörter bezeichnet. Das hat aber mit Sprache nichts zu tun, denn es erfüllt nicht die elementarsten Kriterien, die wir an Sprachfähigkeit anlegen, wie etwa Lernen. Inzwischen schauen wir etwas skeptischer auf die Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier und nehmen die Unterschiede wieder stärker in den Blick. Und das finde ich auch sehr spannend.
Herr Professor Bayertz, laut Beobachtungen von Verhaltensforschern benutzen Hühner unterschiedliche Laute etwa für die Anwesenheit von Futter oder Raubfeinden. Kann man eine solch differenzierte Kommunikation schon als Sprache bezeichnen?
Kurt Bayertz: Nein. Man muss sich klarmachen, was eine menschliche Sprache ausmacht ...
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