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Wissenschaft in Bildern: Submarine Panoramen

Kartierungen der Ränder des nordamerikanischen Kontinents mit moderner Sonar-Technik offenbaren reich gegliederte Landschaften am Grund des Meeres.

Wie tief ist das Mittelmeer? Dieser Frage gingen der grie- chische Philosoph Poseidonios (135 bis 51 vor Christus) und seine Mannschaft im Jahre 85 vor Christus im Wortsinne auf den Grund, indem sie ein beinahe zwei Kilometer langes Tau in die Tiefe abließen, an dem ein großer Stein befestigt war. Zweitausend Jahre lang war solch mühseliges Ausloten in der Ozeanographie üblich. Erst in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts boten Echolote eine Alternative – Instrumente, die Schallwellen zum Meeresgrund senden und das dort reflektierte Signal empfangen; aus der verstrichenen Zeit und der bekannten Schallgeschwindigkeit läßt sich der Abstand zwischen Gerät und Grund berechnen.

Bald gewann man so einen besseren Eindruck von der Bodengestalt der Ozeanbecken. Wie sich zeigte, wäre Poseidonios Lot im Mittel nicht schlecht geeignet gewesen, denn das europäische Mittelmeer ist durchschnittlich 1450 Meter tief, doch in einigen Regionen hätten die antiken Ozeanographen ein mehr als vier Kilometer, westlich des Peloponnes sogar ein 5121 Meter langes Seil benötigt – und entsprechend mehr Kraft, um es wieder an Bord zu hieven.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Ingenieure immer raffiniertere akustische Meßgeräte konstruiert, um die Kartierung dieses bisher verborgenen Teils der Meere voranzubringen, sei es im Rahmen nationaler Verteidigungsprogramme, aus wirtschaftlichen Gründen oder wissenschaftlicher Neugier (siehe Kasten auf den Seiten 78/79).

Die Anrainerstaaten der Weltmeere haben, beginnend mit den USA 1981, Wasser und Meeresboden in einer 200-Meilen-Zone entlang ihrer Küsten zu Wirtschaftszonen erklärt. Um den Wert dieser Gebietserweiterung genauer einzuschätzen, vermißt die amerikanische Behörde für Ozean und Atmosphäre (NOAA) seit 1983 ausgewählte Bereiche und hat bis 1993 mehr als 200000 Quadratkilometer Meeresboden vor der Atlantik- und Pazifikküste und am Golf von Mexiko erfaßt. Im gleichen Zeitraum finanzierte auch die amerikanische Wissenschaftsstiftung (NSF) zwei kleinere Kampagnen an den Küsten von New Jersey und dem westlichen Florida. Alle beteiligten Schiffe benutzten moderne Fächer-Echolote, um die Topographie des Ozeanbodens weiträumig zu vermessen (siehe Kasten auf dieser Seite).

Aus solchen Daten lassen sich faszinierende Panoramen der Kontinentalabhänge Nordamerikas rekonstruieren. Obwohl kein Sonnenstrahl in diese Tiefen dringt, entstehen so Bilder unterseeischer Landschaften, freilich nicht zur Erbauung. Solche submarinen digitalen Geländemodelle lassen sich nutzen, um das Verlegen interkontinentaler Kommunikationskabel, das Verankern von Bohr-inseln in immer größeren Wassertiefen oder auch das Versenken von Müll zu planen – schließlich erfordern derartige Unternehmungen einen stabilen Meeresboden, an dem keine submarinen Erdrutsche zu befürchten sind oder heftige Strömungen auftreten. Zudem kann man damit Verwerfungssysteme vor den Küsten lokalisieren und Erdbebenrisiken abschätzen. Des weiteren erfahren wir Grundlegendes über die geologischen Kräfte, die den Ozeanboden formen.

Bilder, wie diejenigen, die wir berechnet haben, führen Wissenschaftlern riesige Areale am Meeresboden in einer Perspektive vor Augen, wie sie bislang eher von weit entfernten Himmelskörpern vertraut war, und geben so neue Einblicke in die komplexe Entwicklung unseres eigenen Planeten.

Literaturhinweise

- Swath Bathymetric Mapping. Sonderausgabe des Journal of Geophysical Research. Band 19, Heft B3, 10. März 1986.

– Imaging the Ocean Floor: History and State of the Art. Von Peter R. Vogt und Brian E. Tucholke in: Geology of North America, Band M: The Western North Atlantic Region. Herausgegeben von P. R. Vogt und B. E. Tucholke. Amerikanische Geologische Gesellschaft, 1986.

– What is the Slope of the U.S. Continental Slope? Von Lincoln F. Pratson und William F. Haxby in: Geology, Band 24, Heft 1, Seiten 3 bis 6, Januar 1996.

– Das National Geophysical Data Center ist eine Sammelstelle bathymetrischer Daten, im World Wide Web unter http://www.ngdc.noaa.gov/mgg/mggd.html

Kasten: Verfahren zur Kartierung des Meeresbodens

Satelliten (a) können mit verschiedenen Methoden ihren Abstand zur Ozeanoberfläche messen, beispielsweise bestimmt ihn Geosat, ein Flugkörper der amerikanischen Marine, mittels Radarimpulsen auf fünf Zentimeter genau. Weil seine eigene Position in Bezug zum Erdmittelpunkt bekannt ist, läßt sich so die Höhe der Meeresoberfläche errechnen.



Indirekt vermag man daraus auch auf die Lage des Meeres-bodens zu schließen. Variationen des Meeresspiegels um bis zu 200 Meter rühren nämlich häufig von geringen Differenzen der Schwerkraft von Ort zu Ort, die das Wasser ungleich verteilen. So kann ein unterseeischer Vulkan, der 2000 Meter hoch und 40 Kilometer breit ist, Wasser an sich ziehen und die Ozeanoberfläche darüber um etwa zwei Meter steigen lassen. Strukturen mit weniger als zehn Kilometern Durchmesser besitzen aber im allgemeinen nicht genug Masse, um sich derart auszuwirken, und werden mit diesem Verfahren nicht entdeckt. Zudem beruhen Variationen der Schwerkraft, insbesondere in der Nähe kontinentaler Ränder, auch häufig auf Unterschieden in der Dichte des darunterliegenden Gesteins, statt in der Topographie. Für großräumige Übersichtskarten bislang nicht vermessener Regionen ist diese Methode aber gut geeignet.



Das Fächer-Echolot (b) sendet im Abstand weniger Sekunden ein Schallsignal aus, das einen schmalen Streifen des Meeresbodens quer zur Fahrtrichtung überstreicht. Gleichzeitig werden die am Grund reflektierten Schallwellen aufgezeichnet; das Empfangssystem ist so ausgelegt, daß es nur wenige schmale Streifen parallel zur Fahrtrichtung erfaßt. So tragen lediglich Reflexionen aus der Schnittmenge von Schallstreifen und Abhörkorridoren zur Messung bei. Aus den Signallaufzeiten in diesen Flecken ergibt sich ein Querprofil des Meeresbodens und aus aufeinanderfolgenden Messungen eine Karte des überfahrenen Gebiets. Um den gesamten Meeresboden auf diese Weise zu erfassen, würden die derzeit nicht einmal 200 entsprechend ausgerüsteten Schiffe allerdings Hunderte von Jahren benötigen.



Ein seitlich abtastender Sensor, das Side-Scan-Sonar (c), besteht aus zwei Sonareinheiten an den Seiten eines Schlittens, der hinter einem Schiff dicht über dem Meeresboden entlanggezogen wird. Sie senden nach beiden Seiten Schallwellen aus und dienen zugleich als Empfänger. Falls der Meeresboden eben und glatt ist, wird die ausgestrahlte Energie vom Schlitten weg reflektiert. Ist er hingegen rauh, streut der Grund die Schallwellen in alle Richtungen, und ein Teil wird empfangen. Wenn man die aufgezeichneten Echos je nach ihrer Amplitude als unterschiedliche Grautöne darstellt, ergibt sich ein Bild der Textur des Meeresbodens, allerdings läßt sich daraus nicht die Höhe der Strukturen ablesen. (Die Systeme werden auch zur Sicherung der Schiffahrt eingesetzt. So vermißt das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie mit Fächer-Echolot die Tiefe von Fahrrinnen und hält Seekarten somit auf dem neuesten Stand. Mit dem Side-Scan-Sonar sucht man nach Wracks. Die Redaktion)



Die genauesten und detailliertesten Ansichten liefert sicherlich die Unterwasserphotographie (d), sei es mit am Schiffsboden befestigten Kameras, sei es mit bemannten oder ferngesteuerten Tauchbooten. Freilich ist das Verfahren auf kurze Entfernungen beschränkt, denn selbst die kräftigste künstliche Lichtquelle vermag das Meerwasser nur in der Nähe des Fahrzeugs zu durchdringen.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1997, Seite 74
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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