Gesellschaft: Tugend mit Schattenseiten
Toleranz ist in aller Munde. Kaum eine öffentliche Diskussion, in der nicht zu mehr Toleranz aufgerufen, vor zunehmender Intoleranz gewarnt oder auf die herausragende Bedeutung der Toleranz für die Demokratie und den Rechtsstaat hingewiesen wird. Toleranz allein ermögliche soziale Gerechtigkeit und den Frieden unter den Völkern, sichere den Pluralismus und die Würde des Menschen.
Toleranz ist also die Tugend unserer Zeit. Doch sie ist auch eine zwiespältige, janusköpfige Tugend. Manche meinen, man müsse die Bedürfnisse und Interessen noch der kleinsten Minderheiten gesellschaftlich berücksichtigen; andere finden, man dürfe bestimmte Einstellungen und Handlungsweisen unter keinen Umständen tolerieren. In seinem 2019 erschienenen Buch »Toleranz: einfach schwer« wirbt der frühere Bundespräsident Joachim Gauck für ein Verständnis für Ultrakonservative und für eine erweiterte Toleranz in Richtung rechts. Toleranz, so Gauck, könne auch das Aushalten von Zumutungen bedeuten. Andererseits möchte das NRW-Innenministerium ohne Toleranz gegen ausufernde Autokorsos türkischer oder arabischer Hochzeitsgemeinschaften vorgehen. »Null Toleranz« für kriminelle Ausländer und illegale Einwanderer verkündete auch der US-amerikanische Präsident Donald Trump und erntete dafür viel Beifall von seinen Anhängern. Was alles wollen oder müssen wir uns in der Gesellschaft also tatsächlich zumuten?
In ihrer im Jahr 1995 verabschiedeten »Erklärung von Prinzipien der Toleranz« definiert die UNESCO Toleranz als ...
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