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Tropische Regenwälder: Grenzen nachhaltiger Forstwirtschaft

Das Prinzip Nachhaltigkeit erweist sich als überraschend problematisch bei der Suche nach tragbaren Kompromissen zwischen Naturschutz und Holzproduktion in den Tropen - Patentrezepte gibt es nicht.

Wer sich beruflich dem Erhalt der biologischen Vielfalt und der natürlichen Wälder in all ihrer Pracht verschrieben hat, dem verursacht die fortschreitende Zerstörung gerade der tropischen Regenwälder mehr als Frustration. Dieser Lebensraum beherbergt eine so reiche Flora und Fauna, daß bis heute erst ein Bruchteil angemessen wissenschaftlich untersucht ist (siehe Kasten auf Seite 90). Nach dem Waldzustandsbericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO der Vereinten Nationen – zusammengestellt auf Grundlage nationaler Erhebungen – sind zwischen 1990 und 1995 in den Entwicklungsländern jährlich 13,7 Millionen Hektar Primärwald verloren gegangen, davon allein 12,9 Millionen Hektar Regenwald. Somit hat sich der Verlust gegenüber den beiden vorherigen Fünfjahresspannen zwar etwas verringert, doch setzt er sich eben noch immer in ungeheurem Ausmaß fort – unter anderem aufgrund des weit verbreiteten Abholzens tropischer Edelhölzer.

In ihrem Bemühen um eine Trendwende befürworten viele Naturschützer eine sorgfältig geregelte Holzprodukti-on als Kompromiß zwischen strengem Schutz und unkontrollierter Ausbeutung der Wälder. Ein Umstellen auf nachhaltige Nutzung vereinbart – theoretisch – die wirtschaftlichen Interessen der Holzgesellschaften mit dem notwendigen Erhalt der Wälder. In der Praxis freilich verlangt es von den Unternehmen, sowohl den Holzeinschlag einzuschränken als auch in die Regeneration der gefällten Baumbestände zu investieren, das heißt deren Naturverjüngung zu fördern oder Sämlinge zu pflanzen.

Die meisten Naturschützer sehen einen solchen Kompromiß als pragmatischen Weg für jene Staaten an, die es sich schlecht leisten können, ihre wertvollen Hölzer ungenutzt zu lassen. Auch wir favorisierten ihn ursprünglich. Erste Ernüchterung aber machte sich breit, als wir eben solche Forstpraktiken vor einigen Jahren in Südamerika voranzutreiben versuchten. Aufgrund unserer Forschungserkenntnisse und Erfahrungen gelangten wir widerstrebend zu dem Schluß, daß die meisten dieser wohlmeinenden Bemühungen seitens Naturschützern, Forstleuten und internationaler Hilfsorganisationen nur eine sehr geringe Erfolgschance hatten. Seither ist unsere Besorgnis hinsichtlich der Wirksamkeit nachhaltiger Forstwirtschaft in den Tropen noch gewachsen. (Der Begriff selbst wurde in Deutschland geprägt und im 19. Jahrhundert in Forstgesetzen festgehalten, die auf Wiederaufforstung und nachhaltige Nutzung abzielten. Die Redaktion)


Entzauberte Ziele

Der Zufall und gemeinsames Interesse am Schutz der amazonischen Regenwälder Boliviens hatten zwei von uns (Gullison und Rice) 1990 zusammengeführt – an der Bar des verschlafenen Hotels El Dorado in der Hauptstadt La Paz. Gullison war gerade frisch von der Universität Princeton (New Jersey) eingetroffen, um die Ökologie von Breitblättrigem Mahagoni (Swietenia macrophylla King) zu erforschen; die Art ist der wertvollste Edelholzlieferant amerikanischer Tropenwälder (Bild 1). Rice war dagegen auf dem Rückweg nach der US-Bundeshauptstadt Washington; er hatte zuvor mit der Smithsonian-Institution im Beni-Biosphären-Reservat gearbeitet. Daran grenzt der Chimanes-Dauerproduktions-Forst, ein Areal von einer halben Million Hektar Fläche. Das Waldgebiet im Tiefland von Bolivien hatte die ITTO (International Tropical Timber Organization, Internationale Organisation für tropisches Nutzholz) Mitte der Achtziger als Modellprojekt für nachhaltige Forstwirtschaft ausersehen (Bild 3 links).

Diesem voranzuhelfen entpuppte sich als unser beider Anliegen, und schon am Ende unseres kurzen Gedankenaustausches bei einem Drink waren wir uns einig, künftig zusammenzuarbeiten. Innerhalb eines Jahres stand die Finanzierung für eine Studie, die sich schließlich auf vier Jahre ausdehnte. Zunächst einmal sollte Gullison die vom ökologischen Standpunkt aus besten forstwirtschaftlichen Methoden zur Erzeugung von Mahagoni-Holz ermitteln, und Rice wollte dann die nötigen wirtschaftlichen Argumente beisteuern, mit denen sich Holzgesellschaften zur Übernahme bewegen ließen.

Die waldökologischen Untersuchungen von Gullison und seinem bolivianischen Feldforschungsteam offenbarten, daß Mahagoni-Sämlinge nur dort gedeihen, wo ihnen beträchtliche natürliche Störungen zuvor Freiraum zum Keimen und Wachsen geschaffen haben; denn in der Chimanes-Region standen jüngere Mahagoni-Bäume nur in der Nähe von Flüssen, wo Hochwasser und Überschwemmungen in den vergangenen Jahren die Ufer geräumt und konkurrierende Vegetation unter einer dicken Sedimentschicht begraben hatten. Frühere solche Störungen hatten weit verstreut liegende Nester entstehen lassen, in denen Sämlinge zu Gruppen von Bäumen annähernd gleichen Alters und gleicher Größe herangewachsen waren.

Dieser Aspekt im Lebenszyklus von Mahagoni schuf ein Dilemma: Raubbau würde immer wieder die älteren, reifen Bestände komplett vernichten, weil dort ja fast alle Stämme marktfähige Größe zu haben pflegen; umgekehrt würde behutsamer Einschlag nur wenig an natürlichem Nachwuchs wieder aufkommen lassen, weil die besonders lichthungrigen Sämlinge von Mahagoni (wie die anderer Arten) im Schatten des Kronendachs nicht gedeihen. Da ausreichende Naturverjüngung bei fortgesetzter Entnahme unwahrscheinlich ist, kann Mahagoni nur durch menschliches Eingreifen auf Dauer als Nutzholz erhalten werden.

Theoretisch könnten Holzfäller günstige Bedingungen schaffen, wenn sie – gewissermaßen in Imitation natürlicher Störungen – eigens große Lichtungen in den Wald schlagen (in abgelegenen Regionen wie dem Chimanes-Forst schlägt man sonst nur die wertvollsten Hölzer heraus, weil nur deren Abtransport sich lohnt). Der Aufwand wäre aber enorm und – nach früheren solchen Versuche anderswo zu urteilen – anschließend in Abständen auch noch teures Durchforsten erforderlich, um mitaufkommende konkurrierende Vegetation zu entfernen. Derlei Aktionen zugunsten nachhaltiger Mahagoni-Produktion könnten jedoch so viel Wald schädigen, daß sie die übergeordneten Schutzziele gewiß gefährdeten. Der Bestand von Mahagoni wäre wohl gesichert, aber den Kampf um den Erhalt der biologischen Vielfalt dürfte man dabei verlieren. Dieser Umstand ließ uns fragen, was genau wir eigentlich erreichen wollten.


Die Rolle des Geldes

Während sich die Regeneration der Mahagoni-Bestände in ökologischer Hinsicht als problematisch herauskristallisierte, erbrachte die finanzielle Kosten-Nutzen-Analyse ebenfalls nichts Gutes. Wie Rice feststellte, bestand für Holzgesellschaften im Chimanes-Wald keinerlei ökonomischer Anreiz, in nachhaltige Produktion zu investieren. Dies war nicht völlig überraschend, weil schon aus globalen Statistiken von Ende der achtziger Jahre zu erschließen: Wenn damals Tropenwälder holzwirtschaftlich genutzt wurden, dann in nur rund 0,1 Prozent der Fälle auf der Basis nachhaltigen Ertrags (offenbar lohnte es nicht).

Bei der für die Tropen typischen Holzwirtschaft werden die wertvollsten Stämme in kurzer Zeit allesamt heraus-geschlagen. Die Anzahl entnommener Baumarten kann dabei zwischen einer (wo es ein Spezialholz wie Mahagoni gibt) und bis zu 80 oder 90 schwanken (wo Nachfrage nach einem breiten Spektrum besteht). Im allgemeinen kümmern sich Holzgesellschaften wenig um den Zustand verbliebener Bestände und investieren nicht in die Regeneration. Diese Haltung entspringt teilweise einfachen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Diese bestimmen, wie es aussieht, die Entscheidung, wenn ein Unternehmen vor der Alternative steht, interessierende Bäume sofort zu fällen und den Gewinn bei Banken anzulegen oder den Einschlag aufzuschieben und den Bestand an Wert und Biomasse noch wachsen zu lassen.

Bei rascher Ausbeutung streicht das Unternehmen aus den angelegten Gewinnen die aktuelle Rendite ein, die sich nach der realen, also inflationsbereinigten Verzinsung bemißt. In Entwicklungsländern, wo Risiken beträchtlich und Kapitalmittel knapp sind, bringen Investitionen oft eine viel höhere Realverzinsung als in Industrieländern. In Bolivien zum Beispiel gab es auf Dollar-Konten im Schnitt der letzten Jahre inflationsbereinigt 17 Prozent, verglichen mit nur vier in den Vereinigten Staaten. Ähnlich hohe Realerträge sind in den meisten anderen lateinamerikanischen Staaten üblich. Somit können Gesellschaften, die ihre Aktiva – die Holzbestände – schnell zu Geld machen, ihre Profite sofort bei Banken investieren und damit fortlaufend eine hohe Rendite erzielen (Bild 4).

Die Holzernte hinauszuziehen bringt dagegen nur geringe Vorteile. Zwischen 1987 und 1994 sind die Preise für Mahagoni jährlich im Schnitt real nur um ein Prozent gestiegen. Berücksichtigt man ferner, daß hiebreife Bäume dieser Art im typischen Fall jährlich weniger als vier Prozent an Masse zulegen, dann bringen sie (ebenso wie die meisten anderen kommerziell genutzten Holzlieferanten im tropischen Amerika) insgesamt einen jährlichen Wertzuwachs von höchstens vier bis fünf Prozent. Das ist zwar ungefähr so viel wie bei einer konservativen, auf Sicherheit angelegten Investition in den Vereinigten Staaten, aber viel weniger, als was ansonsten an Erträgen in Bolivien zu erzielen wäre.

Hinzu kommt noch das Risiko: Zum Weiterwachsen stehengelassene Bäume könnten leicht durch Sturm, Brände oder Krankheiten an Wert verlieren – ebenso wenn die Regierung in Zukunft Holzeinschlag mit Restriktionen belegt. Dadurch wird das Ganze auch noch zu einer ziemlich unsicheren Investition – mit nur bestenfalls praktisch gleicher Rendite wie bei raschem Ausbeuten und dann sicherer Anlage der Gewinne. Wie die meisten anderen Geschäftsleute sind aber Holzunternehmer nicht gewillt, riskantere Investitionen in Entwicklungsländer zu tätigen, wenn nicht gleichzeitig beträchtlich höhere Renditen winken. Deshalb fällen sie ihre Bäume schnellstmöglich zum Verkauf.

Wie die sorgfältige Analyse der wirtschaftlich relevanten Faktoren für die Holzunternehmen in der Chimanes-Region ergab, ist uneingeschränkter Holzeinschlag bei Mahagoni zwei- bis fünfmal profitabler als nachhaltige Produktion. Aus rein finanzieller Sicht erscheint es somit am vernünftigsten, so vorzugehen wie die Unternehmen es eben tun: zunächst alles nutzbare Mahagoni abzuholzen, Investitionen in künftige Ernten zu vermeiden und dann sukzessive mit allen anderen Arten fortzufahren, die einen Nettogewinn erzielen.

Die zu unkontrolliertem Holzeinschlag motivierenden Triebkräfte erweisen sich als besonders stark in Entwicklungsländern mit ihrer im allgemeinen recht schwachen staatlichen Regulation und Aufsicht. Die nationale Forstbehörde in Bolivien beispielsweise erhält jährlich weniger als 30 Cents für jeden Hektar von ihr verwalteten Landes. (Zum Vergleich: Die Bundesverwaltung der Vereinigten Staaten erhält etwa 44 US-Dollar.) Damit befinden sich die bolivianischen staatlichen Überwachungsstellen schwerlich in der Lage, dem gewinnträchtigen raschen Fällen aller wertvollen Bäume entgegenzuarbeiten. Wie könnten sie etwa die Einhaltung von Holzquoten oder Regenerationsmaßnahmen gewährleisten? So verwundert auch nicht, daß dort nur wenige Holzgesellschaften irgendwelche Zeit und Mühe investieren, den betroffenen Baumarten zum Nachwachsen zu verhelfen.


Nachhaltigkeit – ein Bärendienst?

Als wir einige Zeit später in der Chimanes-Region Bestandsaufnahme machten, wie stark der Holzeinschlag die lokale Umgebung überhaupt geschädigt hatte, mußten wir sehr bald feststellen, daß dessen physische Folgen, bezogen auf den Wald als Ganzes, relativ gering waren (wenn auch für Mahagoni zweifellos untragbar). Da im typischen Fall nur ein oder zwei dieser Bäume in einem Zehn-Hektar-Quadranten wachsen, zerstören Straßenbau, sowie Fäll- und Rückearbeiten weniger als fünf Prozent des Geländes (Bild 2 unten). Wir schätzen, daß die dort gängigen Holzfäll-Praktiken erheblich weniger Schäden verursachen als manche Formen nachhaltiger Forstbewirtschaftung (die intensivere Nutzung eines breiteren Spektrums von Arten erfordern und leicht das doppelte Ausmaß an Zerstörung hinterlassen können).

Nachhaltigkeit ist somit nur ein schlechtes Ktiterium, was Umweltschonung bei Holzfällarbeiten anbelangt. Ein nicht-nachhaltiger Umgang – definiert als einer, der die zur Holzproduktion genutzten Arten nicht langfristig als Ressource erhält – muß nicht sehr schadensintensiv sein (obgleich er das in manchen Wäldern ist, insbesondere dort, wo ein breites Spektrum von Arten ökonomischen Wert hat). Umgekehrt gewährleistet nachhaltiger Holzeinschlag nicht notwendigerweise mehr Schonung der Umwelt.

Idealerweise sollten Holzgesellschaften in einer Weise wirtschaften, die nachhaltigen Holzertrag mit geringstmöglicher Umweltbeeinträchtigung verbindet. Wo aber beide Aspekte nicht miteinander zu vereinbaren sind, sollten sich Naturschützer gut überlegen, welche Option ihren Bemühungen am ehesten entgegenkommt. Gilt der Erhalt der biologischen Vielfalt als oberstes Ziel – wie wir meinen –, dann dürfte ein Ansatz vorzuziehen sein, der wenig Schaden verursacht, selbst wenn er nicht nachhaltig ist.

Nun ist aber gerade ein dauerhafter Holzertrag mittlerweile ein zentrales Thema bei den Bemühungen um den Erhalt tropischer Wälder. Vorschläge von Umweltinteressierten, wie sich die wirtschaftlichen Hindernisse überwinden ließen, gibt es viele. Dabei bleibt jedoch oft unberücksichtigt, daß die Rentabilität des Holzeinschlags in bestehenden Wäldern und die Rentabilität von Investitionen in die Regeneration der Bestände getrennt zu betrachten sind. Ohne strenge staatliche Kontrolle muß jede Aktivität für sich finanzielle Anreize bieten, um erfolgreich zu sein.

Bestrebungen, auch weniger bekannte Baumarten verstärkt als Holzlieferanten zu nutzen, sind ein aufschlußreiches Beispiel. Einige Befürworter einer nachhaltigen Forstwirtschaft behaupten, daß es bei Steigerung der Nachfrage nach solchen Sekundärarten lohnend wird, ei-nen Wirtschaftswald zu unterhalten, der sonst in Farm- oder Weideland umgewandelt würde. Bis jetzt gibt es aber keinerlei Anzeichen – etwa schnelleres Wachstum oder Aussicht auf höhere Preise – , daß in die Regeneration dieser Arten zu investieren attraktiver wäre als in die der gegenwärtig geschlagenen. Größere Absatzmärkte für Sekundärhölzer bewirken möglicherweise nur, daß mehr Bäume nicht-nachhaltig genutzt werden.

Ein gleichlautendes Argument betrifft die Weiterverarbeitung von Holz zu höherwertigen Produkten (wie Sperrholz oder Möbeln). Oft heißt es, diese habe den doppelten Vorzug, daß sie ein breites Spektrum von Baumarten nutzbar macht und gleichzeitig einen stärkeren ökonomischen Anreiz zur nachhaltigen Forstwirtschaft schafft. Tatsächlich aber hat die Förderung einer solchen Veredelung in vielen Ländern deren Nettoeinnahmen verringert (weil erhebliche Subventionen nötig sind, um die erforderlichen Investoren anzuziehen) und überdies Tempo wie Ausmaß der Waldzerstörung beträchtlich vergrößert.

Argumente, die auf eine Förderung langfristiger Pachtverträge abheben, sind mit ähnlichen Schwächen behaftet. Fehlender Langzeit-Zugriff auf Holzressourcen, so Umweltschützer, sei einer der Hauptgründe für nicht-nachhaltige Forstwirtschaft. Ohne Pachtsicherheit würden die Holzgesellschaften zögern, in künftige Holzernten zu investieren, die sich erst Jahre später einbringen lassen. Doch sicherzustellen, daß die Unternehmen im Prinzip von der Waldhege auf dem gepachteten Land profitieren können, liefert noch keinerlei finanziellen Anreiz, der solche Praktiken auch fördern würde. Längere Pachtzeiten ermöglichen den Holzgesellschaften zwar, Investitionen in die Hege zu erwägen, machen diese aber nicht automatisch wirtschaftlich lohnend. Statt solche Investitionen zu fördern, verringern längere Pachtzeiten womöglich einfach nur das Risiko für größere Investitionen in Maschinenpark und Ausrüstung (weil deren Nutzung gewährleistet ist) und begünstigen so eine schnellere Ausbeutung der Ressource Wald.

Genau dieses Problem brachte 1994 Reid zu unserem Team. Rice und Reid hatten sich zwei Jahre zuvor während eines Wolkenbruchs im Herzen des Petén getroffen. In dieser nördlichen Provinz von Guatemala, in der die ausgedehnten Wälder rasch durch Subsistenz- und Weidewirtschaft zurückgedrängt werden, war die Holzfällerei per Regierungsbeschluß eingestellt worden, aber Politiker des Landes beabsichtigten, große Teile der Waldregionen Holzgesellschaften für 25 Jahre zur Nutzung zu übertragen.

Wir waren uns einig, daß derart lange Pachtverträge die Probleme mit nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft und mit der Rodung zu Landwirtschaftszwecken wahrscheinlich nicht lösten. Dieses Vorgehen könnte vielmehr, so fürchteten wir, jene Tausende von Leuten treffen, welche die Wälder auf der Suche nach Chicle-Gummi, Schmuck-Palmwedeln und Jamaika-Pfeffer durchstreiften – alles wertvolle Exportgüter. Als nun ört-liche Behörden einen Antrag zur Zulassung von langfristigen Holznutzungskonzessionen einreichten (in der Hoffnung, diese würden Nachhaltigkeit fördern), rief Rice Reid an, um ihn zu fragen, ob er diese Politik mit ihren Konsequenzen im Detail prüfen wolle. Sechs Wochen später hatte die guatemaltekische Regierung unseren Bericht vorliegen, der zeigte, daß die Holzgesellschaften hohe Gewinneinbußen aufzufangen hätten, würden sie diese Wälder nachhaltig bewirtschaften. Daraufhin wurde der Plan aufgeschoben, weiterhin aber wird Druck gemacht, den Wald an die Holzindustrie zu übertragen.


Was bringen Ökosiegel?

Viele derjenigen, die sich um die Zukunft des Regenwaldes sorgen, sehen in Umweltzertifikaten für Holz, sogenannten Ökosiegeln oder -labels, das beste Mittel, den nötigen finanziellen Anreiz für nachhaltige Forstwirtschaft zu schaffen. Solche Zertifizierungsprogramme setzen eine freiwillige Befolgung etablierter Umweltstandards voraus; im Gegenzug versprechen sich die Teilnehmer höhere Preise oder einen besseren Zugang zum Markt oder beides. Während Experten noch darüber debattieren, ob Ökosiegel wirklich zu höheren Marktpreisen verhelfen, ist die wichtigere Frage, ob die von den Konsumenten akzeptierten Aufpreise auf "grüne" Produkte überhaupt ausreichen, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Unsere wirtschaftliche Analyse des Chimanes-Gebiet hatte ja ergeben, daß für solche wertvollen Arten wie Mahagoni die üblichen nicht-nachhaltigen Nutzungsweisen bis zu fünfmal profitabler sein können als die nachhaltigeren Alternativen. Bis jetzt aber scheinen die Konsumenten allenfalls zehn Prozent mehr für zertifiziertes Holz zahlen zu wollen. Die Diskrepanz ist also enorm.

Trotz allem könnten Ökolabels ein wichtiges Instrument zur Erhaltung des Waldes werden – sofern man sich statt auf teure Veränderungen mit zweifelhaften Vorteilen auf kostengünstige Modifikationen konzentriert, die mit Sicherheit Umweltschäden verringern (man könnte beispielsweise Holzfällern ein Ökosiegel gewähren, die die Jagd auf Waldtiere unterlassen). Bis jetzt besteht zwar noch keine ausgedehnte Nachfrage nach zertifiziertem Holz, doch wie es aussieht, existiert eine wachsende Marktlücke – und die ließe sich füllen, wenn die Kosten für das Öko-Image möglichst niedrig gehalten werden.

In der Zwischenzeit wäre es am besten, die finanziellen Anreize für alle Holzeinschlagfirmen nicht durch Maßnahmen wie längere Pachtzeiten oder geförderte Nutzung weniger bekannter Baumarten zu verändern – einfach um den kleinen Kreis derer zu begünstigen, die an Zertifizierung interessiert sind. Ohne eine viel breitere Akzeptanz der Zertifizierung würden solche Maßnahmen womöglich die Degradation der tropischen Wälder nur beschleunigen.


Die Realitäten berücksichtigen

Daß sich nachhaltige Holzproduktion in Tropenwäldern auf breiter Front durchsetzt, ist unwahrscheinlich, zumindest in naher Zukunft. Gegensätzliche wirtschaftliche Anreize, unzureichende staatliche Überwachung und mangelnde politische Unterstützung vor Ort – all dies wird auch die besten Bemühungen langfristig vereiteln, besonders in Entwicklungsländern. Umweltschützer müssen sich den Realitäten stellen. Obwohl auch wir keine einfachen Lösungen sehen, verdienen zumindest einige Vorschläge nähere Betrachtung.

Eine Möglichkeit ist, den Holzgesellschaften zinsgünstige Kredite zu gewähren, um die Regeneration der Wälder und die Erhaltung der biologischen Vielfalt zu finanzieren. Bei den hohen Zinssätzen, die in Entwicklungsländern üblich sind, wäre eine diesen Zielen folgende Holzwirtschaft zwar nicht profitabel genug; sie könnte es jedoch mit Hilfe von billigerem Kapital werden – etwa von Entwicklungsbanken oder von umweltbewußten Investoren.

Eine andere Möglichkeit ist, den Schutz großer Waldareale innerhalb und im Umkreis von Holzeinschlagsgebieten zu fördern. Solche von der Nutzung ausgenommenen Zonen würden verhältnismäßig kostengünstig zu überwachen sein und könnten beträchtlich zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen, weil sich damit – anders etwa als bei bloßen Forstkulturen – Wald bewahren ließe, der annähernd sein gesamtes Artenspektrum und seine gewachsene Altersstruktur behielte. Idealerweise sollten die Zonen an andere intakte Wälder grenzen oder in deren Nähe liegen. Um die Kosten möglichst niedrig zu halten, schlagen wir vor, vor allem wirtschaftlich uninteressante Flächen dafür vorzusehen – wie Stellen, die zu steil für die Holzfällerei sind oder an denen auch bisher kaum Holz geschlagen wurde.

Selbst wenn solche Schutzzonen zu den ökonomisch weniger produktiven im Machtbereich der Holzgesellschaften gehört, werden diese sich wohl jeglichen Restriktionsversuchen widersetzen. In Bolivien begegnet die Regierung dieser Schwierigkeit durch finanzielle Beihilfen zur Walderhaltung. Aufgrund eines neuen Gesetzes wird sie eine Flächen-steuer von ungefähr einem US-Dollar pro Hektar und Jahr auf die Rechte zum Holzeinschlag erheben. Holzgesellschaften können allerdings bis zu 30 Prozent des ihnen überlassenen Areals von der Nutzung ausnehmen und diese Flächen somit von der Steuer befreien. Diese Regelung sollte sie zum Schutz ihrer wirtschaftlich wenig interessanten Flächen ermuntern und könnte vielleicht auch ihren Widerstand gegen das Ausweisen anderer Flächen als Naturschutzzonen aufweichen.

Schließlich mag es sich für Wälder wie den Chimanes-Forst, wo praktisch nur selektiv herausgeschlagen wird und der Siedlungsdruck gering ist, als beste Option erweisen, einige Elemente des Status quo zu akzeptieren. Wie in vielen anderen Gebieten des bolivianischen Tieflandes wird die Holzfällerei dort höchstwahrscheinlich noch lange nach der völligen Ausbeutung von Mahagoni weitergehen. Tatsächlich könnte der gegenwärtig praktizierte selektive Einschlag einer großen Zahl kommerzieller Arten nacheinander, höchstens aber von zweien gleichzeitig, in einigen Gebieten Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Die Herausforderung an Naturschützer ist in diesen Fällen nicht so sehr die, Holzgesellschaften von einer nachhaltigen langfristigen Holzwirtschaft zu überzeugen, sondern die, irgendeine Form von Schutz altgewachsener Wälder zu etablieren, solange noch Gelegenheit besteht.

Naturschützer sollten sich zudem immer vor Augen halten, daß der tropische Regenwald weiterhin von vielen Seiten bedroht bleibt, selbst wenn nachhaltige Holzwirtschaft auf breiter Front betrieben würde. Ob staatliche Landwirtschaftspolitik, Straßenbau oder Besiedlung – jeder Faktor für sich kann tropische Wälder weit mehr gefährden als nicht-nachhaltige Holzwirtschaft (Bild 3 rechts). Die davon herrührende Zerstörung zu verringern könnte viel mehr zur Walderhaltung beitragen, als an den derzeitigen forstwirtschaftlichen Praktiken herumzuflicken.

Zweifellos wird keine Strategie für sich allein auf Dauer oder für alle Wälder funktionieren. Unsere Empfehlungen (insbesondere Teile altgewachsener Wälder im Bereich des Holzeinschlags von der Nutzung auszunehmen) könnten schließlich an den gleichen Kräften scheitern, die heute eine nachhaltige Forstwirtschaft vereiteln. Auf lange Sicht dürfte der Nutzungsdruck der Holzproduzenten auf derzeit noch unwirtschaftliche Gebiete zunehmen. Ohne eine entschlossene staatliche Aufsicht wird nichts durchzusetzen sein. Unser Vorschlag, Teile vom Holzeinschlag auszunehmen, hebt sich aber insofern von anderen ab, als er sofortige und echte Vorteile für die Umwelt bietet, indem er alte naturgewachsene Wälder schützt. Mehr noch: statt auf komplizierten Vorschriften zum Holzeinschlag, beruht er auf simplen, strikten Vorgaben, wo kein Baum gefällt werden darf.

Wenn unsere Vorschläge auch weit von einer voll befriedigenden Lösung entfernt sind, dürften sie die realistischste Chance bieten, Regenwaldschutz mit Holzeinschlag zu vereinbaren – solange, bis politischer und wirtschaftlicher Wandel in der Dritten Welt auf breiter Front der Forderung nach wirksamerem Schutz der majestätischen tropischen Wälder Geltung verschafft.

Literaturhinweise

- The Economics of Overexploitation. Von C. W. Clark in: Science, Band 181, Heft 4100, Seiten 630 bis 634, 17. August 1973.

– The Tropical Timber Trade and Sustainable Development. Von Jeffrey R. Vincent in: Science, Band 256, Seiten 1651 bis 1655, 19. Juni 1992.

– Ecology and Management of Mahogany (Swietenia macrophylla King) in the Chimanes Forest, Beni, Bolivia. Von R. E. Gullison, S. N. Panfil, J. J. Strouse und S. P. Hubbell in: Botanical Journal of the Linnean Society, Band 122, Heft 1, Seiten 9 bis 34, September 1996.

– Simulated Financial Returns and Selected Environmental Impacts from Four Alternative Silvicultural Prescriptions Applied in the Neotropics: A Case Study of the Chimanes Forest, Bolivia. Von A. F. Howard, R. E. Rice und R. E. Gullison in: Forest Ecology and Management, Band 89, Hefte 1 bis 3, Seiten 43 bis 47, 1. Dezember 1996.

– Ressourcen und Umweltmanagement. Von Ian G. Simmons, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1993.

– Biologische Vielfalt und Naturschutz. Von Andrew P. Dobson, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1993

Kasten: Es lebe die Vielfalt

Die Tropenwälder sind der Lebensraum mit der größten biologischen Vielfalt, also der größten Mannigfaltigkeit von Ökosystemen, Arten und Genen. Zig Millionen Arten dürfte es geben, aber erst 1,4 bis 1,5 Millionen sind bekannt. Davon entstammen allein 50 Prozent den Tropenwäldern; es wären wohl sogar 90 Prozent, hätte man schon alle Arten global erfaßt.



Einige Beispiele mögen den biologischen Reichtum veranschaulichen. So beherbergt einer Studie zufolge ein einziger Hektar Regenwald von Peru 300 Baumarten. Zum Vergleich: Mitteleuropa hat insgesamt nur rund 50 ursprünglich heimische baumartige Gehölzarten. Bei einem anderen Projekt zählten Forscher in Peru auf einem Areal von fünf Quadratkilometern Regenwald mehr als 1300 Tagfalterarten und 600 Vogelarten. (Zum Vergleich: In ganz Deutschland sind rund 600 Großschmetterlinge, einschließlich Tagfaltern, und mehr als 400 Vogelarten heimisch.) In demselben Gebiet entdeckte Edward O. Wilson von der Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts) 43 Ameisenarten in einem einzigen Baum – etwa so viel, wie in ganz Großbritannien leben.



Die reiche Vielfalt an Tieren und Pflanzen ist direkt und indirekt eine unschätzbare Quelle für Nahrung, Arzneien und Rohmaterialien. Wildpflanzen enthalten zum Beispiel die genetischen Ressourcen für die Zucht von schädlings- oder krankheitsresistenten Nutzpflanzen. Klinisch angewendet werden rund 120 Wirkstoffe von 95 Pflanzenarten, und davon wachsen 39 in Tropenwäldern. Überdies werden weltweit schätzungsweise zwischen 35000 und 70000 Pflanzenarten, die meisten wiederum aus dem Regenwald, in der Volksmedizin genutzt. Mit den Lebensräumen dieser Arten gehen unzählige medizinisch interessante Stoffe für immer verloren.



Ein Instrument zum Schutz der biologischen Vielfalt ist die Internationale Übereinkunft zum Handel mit bedrohten Arten (CITES). Dieses Vertragswerk von 1973, auch als Washingtoner Artenschutzabkommen bekannt, hat maßgeblich zum Überleben von Elefanten und Gorillas beigetragen. Bolivien, Brasilien und Mexiko haben angekündigt, die amerikanische Mahagoni-Spezies Swietenia macrophylla King in Anhang III einzustufen, wie Costa Rica es bereits getan hat; wenigstens diese Länder kontrollieren somit freiwillig den Export des Edelholzes. Bei Einstufung in Anhang II wären alle Beitrittsländer dazu verpflichtet gewesen, was gewährleisten soll, daß der internationale Handel die Art nicht gefährdet. (Anhang I des Artenschutz-Abkommens enthält dagegen jene Arten, deren kommerzieller Handel völlig verboten ist.) Der Antrag Boliviens und der USA auf Einstufung in Anhang II wurde auf der Konferenz im Juni abgelehnt.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1997, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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