Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Quantenphysik: Die überraschenden Eigenschaften von Flüssen in Nanoröhren

Flüssigkeiten verhalten sich auf der Nanoebene völlig anders als erwartet. Die dafür verantwortlichen Quanteneffekte könnten den Weg für neue Technologien wie effiziente Osmosekraftwerke ebnen.
Ein spiegelndes Wassermolekül in einer schwarz-blauen Kohlenstoffnanoröhre.

Um gegen die Klimakrise anzukämpfen, brauchen wir neue Lösungen für erneuerbare Energiequellen. Fachleute aus verschiedensten wissenschaftlichen Bereichen gehen allerlei Ansätzen nach, aber eine Spur blieb bislang relativ ungenutzt: die osmotische Energie. Diese lässt sich beispielsweise aus dem unterschiedlichen Salzgehalt von Meer- und Flusswasser gewinnen: Indem man beide Flüssigkeiten durch eine halbdurchlässige Membran trennt, drücken sich Wassermoleküle des Süßwassers in das Meerwasserreservoir. Da diese Form der Energiegewinnung erneuerbar und dauerhaft verfügbar ist, ließe sie sich an vielen Orten auf der ganzen Welt nutzen – und könnte theoretischen Überlegungen zufolge Leistungen von 1000 bis 2000 Atomreaktoren erzeugen. Allerdings hatten die auf Osmose beruhenden Technologien bisher einen niedrigen Wirkungsgrad, weshalb diese mögliche Energiequelle kaum weiterverfolgt wurde. Das könnte sich nun ändern: Neue Erkenntnisse über das Fließverhalten von Wasser auf Nanoebene haben die Erforschung der osmotischen Energie in den vergangenen Jahren befeuert. Nun wollen Start-up-Unternehmen erste Prototypen von Osmosekraftwerken testen, um den Weg in die Industrialisierung zu ebnen.

Die Erkundung der Nanoebene hat im 20. Jahrhundert das Informationszeitalter eingeleitet. Immer kleinere, dichtere, schnellere und leistungsfähigere Geräte führten zu technologischen Revolutionen wie Computern, Satelliten, das Internet und vieles mehr. Der Physiker Richard Feynman hatte bereits 1959 in einem Seminar die visionäre Idee des »there is plenty of room at the bottom« vorgestellt. Er wies aber damals schon darauf hin, dass die Miniaturisierung nicht bloß auf eine Verkleinerung des Maßstabs hinausläuft. Atomverbände verhalten sich auf der Mikroebene anders als auf großen Skalen, da sie den Gesetzen der Quantenmechanik unterworfen sind. Der Tunneleffekt in einigen Mikroskopen oder der Riesenmagnetowiderstand, der die Entwicklung der Spintronik vorangetrieben hat, sind Beispiele für diese neuen Eigenschaften.

Wenn sich Elektronenströme auf kleinen Skalen seltsam verhalten, wie sieht es dann mit Flüssigkeiten aus? Die Frage ist umso spannender, weil das Gehirn keine Elektronen überträgt, um Signale zu verarbeiten, sondern in Wasser gelöste Ionen. Im Lauf der Evolution hat sich eine ionische und wasserbasierte Maschinerie durchgesetzt, die aus einem Netzwerk von Proteinkanälen besteht und zu unglaublichen Leistungen fähig ist. Man braucht sich nur Ionenpumpen anzusehen, die den Transport von geladenen Teilchen durch eine biologische Membran kontrollieren, oder die hochselektiven Poren aus Proteinen (Aquaporine), die das Herzstück unserer Nieren bilden …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Mehrere Higgs-Teilchen vor dem Aus?

2012 wurde der Nachweis des Higgs-Teilchens vom CERN bekannt gegeben, seitdem wird fleißig weiter geforscht. Warum gibt es mehr Materie als Antimaterie? Was ist Dunkle Materie? Diese und weitere Fragen behandeln wir in unserer Titelgeschichte. Außerdem: Die seelische Gesundheit unserer Kinder.

Spektrum - Die Woche – Klimakonferenz in Trumps Schatten

Am 11. November begann die 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29). Angesichts steigender CO₂-Emissionen und erschöpfter natürlicher Puffer wie Wälder und Ozeane steht die Weltgemeinschaft vor großen Herausforderungen.

Spektrum der Wissenschaft – Vielfältige Quanten

Wir tauchen ein in die Welt der Quanten, die uns noch immer zahlreiche Rätsel aufgibt. Forscher entwickeln ständig neue Modelle und hinterfragen Grundlegendes, wie beispielsweise das Konzept der Zeit. Gleichzeitig macht die Entwicklung neuer Quantencomputer große Fortschritte und könnte unsere Verschlüsselungssysteme bedrohen. Experten arbeiten an neuen Methoden, um unsere Daten zu schützen. Erfahren Sie, wie diese Herausforderungen gemeistert werden und ob Kryptografen den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen können.

  • Quellen

N. Kavokine, M. L. Bocquet und L. Bocquet, Fluctuation-induced quantum friction in nanoscale water flows, Nature, 2022.

P. Robin et al., Modeling of emergent memory and voltage spiking in ionic transport through angström-scale slits, Science, 2021.

N. Kavokine et al., Fluids at nanoscales: from continuum to sub-continuum transport, Annual Review of Fluid Mechanics, 2021.

S. Marbach and L. Bocquet, Osmosis, from molecular insights to large scale applications, Chemical Society Reviews, 2019.

L. Fumagalli et al., Anomalously low dielectric constant of confined water, Science, 2018.

S. Marbach, Sich von der Niere inspirieren lassen, um Wasser zu filtern, oder wie man das Sieb neu erfindet, Reflets de la Physique, 2018.

R. H. Tunuguntla et al., Enhanced water permeability and tunable ion selectivity in subnanometer carbon nanotube porins, Science, 2017.

E. Secchi et al., Massive radius-dependent flow slippage in single carbon nanotubes, Nature, 2016.

B. Radha et al., Molecular transport through capillaries made with atomic-scale precision, Nature, 2016.

G. Algara-Siller et al., Square ice in graphene nanocapillaries, Nature, 2015.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.