Überwachung küstennaher Gewässer
Die Flachwasserzonen im Schelfbereich nehmen zwar nur 8 Prozent der Meeresfläche ein, erzeugen aber 20 bis 30 Prozent der Biomasse in den Weltmeeren. Gerade diese produktiven Bereiche sind durch nahe Siedlungen und deren Einleitung von Schad- und Nährstoffen stark belastet.
Aufschluß über den Zustand eines solchen Gewässers vermittelt der lokale Gehalt an Phytoplankton (kleinsten, im Meer treibenden Pflanzen, die das erste Glied der marinen Nahrungskette bilden), an Gelbstoffen (gelösten Huminsäuren, die aus abgestorbenen Tieren und Pflanzen entstehen) und an Schwebstoffen, die Schwermetalle binden. Die Datenerhebung durch Stichproben in Verbindung mit Luftaufnahmen hilft, die Verteilung dieser Indikatoren in kleinen Gebieten wie dem Wattenmeer zu bestimmen. So zeigt das linke Bild den Bereich Königshafen an der Sylter Küste; an den markierten Stellen wurden Bodenproben entnommen, um die Besiedelung mit Kieselalgen zu bestimmen.
Phytoplankton läßt sich auch von Flugzeugen aus erfassen, denn es absorbiert aus dem Sonnenlicht den roten und blauen Anteil und erscheint damit grün. Der Gehalt an Biomasse ist also durch den Farbwechsel des Wassers von Blau zu Grün meßbar. Doch Experimente zeigten, daß andere Schwebstoffe ähnliche Wirkungen haben und unterschiedliche Planktonarten die Daten ebenfalls schwer interpretierbar machen.
Das Forschungszentrum in Geesthacht (GKSS) entwickelte deshalb zusammen mit der Deutschen Aerospace (DASA) und der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein abbildendes Spektrometer, das aus dem Wasser zurückgestreutes Sonnenlicht von 430 bis 850 Nanometern in 85 Kanälen von je 5 Nanometer spektraler Breite mißt. Durch statistische Auswertung und anhand rechnerischer Modelle über das Strahlungsspektrum läßt sich damit die Rückstreuung einzelner Wasserinhaltsstoffe unterscheiden; außerdem kann aus dem Strahldichtespektrum die durch Sonnenlicht angeregte Fluoreszenz des Phytoplanktons bestimmt werden (als Fluoreszenz bezeichnet man eine Lichtemission nach vorhergehender Absorption, die mit einer leichten Verschiebung der ursprünglichen Wellenlänge einhergeht).
Das System mit dem Namen ROSIS (Reflective Optics System Imaging Spectrometer) wurde 1993 erfolgreich getestet. Das rechte Bild zeigt die Schweb-stoffverteilung in der Elbe, etwa 30 Kilometer vor der Mündung in die Nordsee. Die Trübung ist relativ hoch, wenn sich Meer- und Flußwasser mischen; in flacheren Zonen steigen die Werte weiter an (blau: um 100, grün: um 180, gelb und rot: bis 280 Milligramm pro Liter).
Bei einer Flughöhe von vier Kilometern erreicht ROSIS eine räumliche Auflösung von 2,20 Metern. Um das System zu kalibrieren, werden von Schiffen aus optische und chemische Messungen vorgenommen, unter anderem mit einem speziellen Spektrometer, dem Marine Radiometric Spectrometer (MARAS). Die Methode wird im Rahmen nationaler und internationaler Projekte zur Küsten- und Wattenmeerforschung eingesetzt. Für den Umweltsatelliten ENVISAT ist ein ähnliches System geplant; ROSIS bildet die Basis für entsprechende Systemstudien.
(K.D.L.)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1995, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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