Ultrakurze Ultraschallpulse
Mit Laserblitzen lassen sich hochfrequente Druckwellenzüge mit einer Länge von nur zehn millionstel Millimetern erzeugen. Sie ermöglichen die zerstörungsfreie Prüfung von Schaltungen auf Computerchips.
In den vergangenen 30 Jahren haben Techniker Methoden zur Herstellung immer kleinerer Strukturen entwickelt. Paradebeispiel ist der Computerchip – ein nur daumennagelgroßes Plättchen aus Silicium mit bis zu mehreren Millionen Transistoren; für ihre korrekte elektronische Verschaltung sorgen auf das Silicium aufgebrachte Schichten von Metallen und Isolatoren, deren Dicke zwischen fünf Nano- und einigen Mikrometern (millionstel beziehungsweise tausendstel Millimetern) liegt. Von diesem Wert und seiner Einheitlichkeit im gesamten Chip hängt dessen Leistung ab – und damit auch die des Computers, in den er eingebaut wird.
Bei sehr dünnen Schichten beträgt die Toleranz nur ein zehntel Nanometer – weniger als einen Atomdurchmesser. Die Dicke zu bestimmen ist äußerst schwierig. Man kann einen Chip zwar durchtrennen und seinen Querschnitt vermessen; aber dabei wird er zerstört. Die meisten Hersteller behelfen sich, indem sie die Parameter des Fertigungsprozesses (wie Temperatur, Druck und Luftfeuchte) genauestens regulieren und die Schichtdicken nur stichprobenartig an einzelnen Exemplaren ermitteln, die sie zur Kontrolle der Serie opfern.
Im Jahre 1985 bestrahlten meine Mitarbeiter und ich an der Brown-Universität in Providence (Rhode Island) im Rahmen optischer Experimente einen Metallfilm auf einem Halbleiter mit einem kurzen Lichtblitz, um das Verhalten der Elektronen in dieser Schicht zu untersuchen. Als wir einen zweiten Blitz hinterherschickten, stellten wir überrascht fest, daß sich das Reflexionsvermögen der Oberfläche periodisch änderte: Der Metallfilm vibrierte und sandte dabei Schall sehr kurzer Wellenlängen von etwa 50 Nanometern aus. Bis dahin war niemand auf die Idee gekommen, daß es möglich wäre, auf diese Weise Schallpulse von so hoher Frequenz und – wie sich herausstellte – so kurzer Dauer zu erzeugen.
Inzwischen haben wir auf der Grundlage dieses Phänomens eine Methode entwickelt, dünne Strukturen auf einem Chip zerstörungsfrei zu vermessen. Das Prinzip besteht darin, die Dicke der Schichten auf dem Silicium-Substrat aus der Laufzeit der Echos von den Grenzflächen zu berechnen.
Fledermäuse als Vorbild
Wie das funktioniert und welche praktischen Probleme dabei zu meistern sind, läßt sich am Beispiel der Fledermäuse veranschaulichen, die ein vergleichbares Kunststück vollbringen. Bereits 1912 vermutete der amerikanisch-britische Erfinder Sir Hiram Stevens Maxim (1840 bis 1916), bekannt als Flugzeugbau-Pionier und Entwickler des ersten funktionstüchtigen Maschinengewehrs, daß die nachtaktiven fliegenden Säuger ihre Beute mittels Schallwellen orten – ähnlich den Sonarsystemen, die heute in der Seefahrt zur Navigation und Entfernungsmessung dienen. Da sie aber keine für Menschen hörbaren Töne von sich geben, nahm Maxim an, daß sie den durch ihre Flügelschläge erzeugten niederfrequenten Schall auswerteten. Der ist jedoch sehr langwellig und umfließt darum kleine Gegenstände, ohne nennenswert daran gestreut zu werden. Das Echo eines fliegenden Insekts sollte deshalb viel zu schwach sein, als daß Fledermäuse es registrieren könnten.
Hamilton Hartridge von der Universität Cambridge (England) äußerte deshalb 1920 die Vermutung, daß die Tiere zum Aufspüren ihrer Beute Ultraschallpulse aussenden, deren Frequenz über dem Bereich liegt, den das menschliche Gehör wahrnimmt. Tatsächlich konnten George W. Pierce und Donald R. Griffin von der Harvard-Universität in Cambridge (Massachusetts) 1938 solche Pulse nachweisen. Wie man heute weiß, nutzen Delphine und einige Vogelarten gleichfalls das Sonar-Prinzip; und auch der kleine Taumelkäfer ortet Gegenstände anhand von Reflexionen der Bugwelle, die er beim Kreiseln auf dem Wasser erzeugt.
Das Sonarsystem der Fledermaus ist erstaunlich hoch entwickelt. Da sich das angepeilte Insekt bewegt, unterscheidet sich wegen des Doppler-Effekts die Frequenz des von ihm zurückgeworfenen Echos leicht von der des ausgesandten Schallpulses. Aus der Differenz ermittelt die Fledermaus Geschwindigkeit und Flugrichtung der Beute. (Dasselbe Prinzip nutzt die Verkehrspolizei bei Radar-Geschwindigkeitskontrollen.) Zusätzlich ändert das Tier während jedes Pulses kontinuierlich die Schallfrequenz. Dank dieser glissandoartigen Modulation (nach dem englischen Wort für zirpen auch Chirp genannt) ist das Echo nicht nur besser auswertbar, sondern enthält vermutlich auch weitere Informationen, so daß sich Form, Flügelschlagfrequenz und vielleicht sogar die Art des anvisierten Insekts daraus entnehmen lassen – beispielsweise, ob es sich um einen Käfer oder einen Nachtfalter handelt.
Will die Fledermaus die Entfernung zu ihrer Beute bestimmen, muß sie einen so kurzen Schallpuls aussenden, daß er sich nicht mit dem Echo überlagert. Schall breitet sich in Luft mit einer Geschwindigkeit von 330 Metern pro Sekunde aus. Beträgt also der Abstand zu einem Insekt 3,30 Meter, benötigt der Schall nur eine fünfzigstel Sekunde für die Strecke hin und zurück. Bei zunehmender Annäherung an die Beute stößt die Fledermaus stakkatoartig in schneller Folge kurze Chirps aus, die teils nur eine Millisekunde dauern. So vermag sie das Opfer auch auf den letzten Zentimetern noch zu orten.
Bei der Vermessung sehr dünner Metallfilme stellt sich das Zeitproblem in stark verschärfter Form. Schall breitet sich zum Beispiel in Aluminium etwa 20mal so schnell aus wie in Luft (mit 6000 Metern pro Sekunde). Schickt man Schallwellen durch eine Aluminiumschicht mit einer Dicke von zehn millionstel Millimetern, benötigen sie für Hin- und Rückweg also nur drei billionstel Sekunden. Zur sonargestützten Vermessung solch winziger Strukturen braucht man somit Pulse von höchstens einer billionstel Sekunde Dauer.
Im Labor wird Schall in einem Festkörper oder in einer Flüssigkeit meist mit einem piezoelektrischen Wandler erzeugt. Er besteht aus einem Material wie Quarz, das sich beim Anlegen einer elektrischen Spannung leicht ausdehnt. Mit einer Wechselspannung kann man den Kristall deshalb zum Vibrieren bringen. Er sendet dann Druckwellen derselben Frequenz aus, mit der das elektrische Feld sich umkehrt. Mit dieser bereits in den zwanziger Jahren entwickelten Technik lassen sich Schallpulse von einer millionstel Sekunde Dauer und einer Frequenz zwischen 100 Kilohertz und einem Gigahertz (einer Milliarde Schwingungen pro Sekunde) erzielen. Dies erlaubt, wenige Millimeter dicke Schichten zu vermessen, reicht für die Prüfung von Computerchips aber nicht aus.
Umweg über Laserblitze
Wie oft in der Wissenschaft ergab sich die Lösung aus Fortschritten auf einem anderen Forschungsfeld. Im Jahre 1960 realisierte Theodore Maiman von den Hughes-Forschungslaboratorien in Malibu (Kalifornien) an einem Rubinstab das Laser-Prinzip – die Lichtverstärkung durch induzierte Emission von Photonen. Mit einer Blitzlampe versetzte er das Gros der Chromatome in dem Material in einen energetisch höhergelegenen Zustand. Atome, die spontan in den Grundzustand zurückfielen, sandten dabei Lichtquanten aus, die andere angeregte Atome veranlaßten, es ihnen gleich zu tun, so daß sich die gespeicherte Anregungsenergie lawinenartig in einem intensiven roten Lichtblitz von weniger als einer tausendstel Sekunde Dauer entlud.
In den folgenden Jahren wurden auf der Basis von vielerlei Materialien und Funktionsprinzipien zahlreiche weitere Lasertypen entwickelt, darunter Gas-, Farbstoff-, Reaktions- und Festkörperlaser. Zugleich gelang es, die Pulse stetig zu verkürzen. Anfang der achtziger Jahre konnte man schließlich Laserblitze von weniger als zehn billiardstel Sekunden Dauer erzeugen. Ein solches Lichtpaket entspricht einer Schwingung des elektromagnetischen Feldes, die sich nur über drei Mikrometer oder fünf Wellenlängen erstreckt.
Unsere eingangs skizzierte Entdeckung eröffnete dann die unverhoffte Möglichkeit, die Lichtblitze in ähnlich kurze akustische Pulse umzusetzen. In unserem Labor fokussieren wir dazu den Strahl eines gepulsten Lasers auf ein Material, das die Photonen innerhalb einer dünnen Schicht direkt an der Oberfläche absorbiert. Ihre Energie geht zunächst auf Elektronen über, die dabei kurz beschleunigt, aber durch Zusammenstöße mit Atomen ebenso schnell wieder abgebremst werden. Die Kollisionen versetzen die Atome in Schwingung und lassen die Temperatur am Auftreffpunkt schlagartig um einige Grad emporschnellen, wodurch sich die Schicht ausdehnt. Die Folge ist ein Schallpuls – manchmal ein einzelner Druckstoß, manchmal ein ganzer Wellenzug –, der in das Material eindringt. Unter Umständen dauert er nur eine Pikosekunde (billionstel Sekunde) und ist gerade einige Nanometer lang. Seine Amplitude (die von den Atomen bei der Schwingung zurückgelegte Strecke) beträgt etwa zehn billionstel Millimeter, also nur ungefähr das Zehnfache des Durchmessers eines Atomkerns.
Wie aber lassen sich die Echos der Pulse nachweisen? Auch dafür lieferte unsere unerwartete Entdeckung die Lösung: Wenn der reflektierte Schall die Oberfläche erreicht, komprimiert er das Material periodisch und verändert dadurch dessen Reflexionseigenschaften, was sich mit einem zweiten Lichtpuls feststellen läßt.
Auf diese Weise vermag man die Dicke einer Metallschicht auf weniger als ein zehntel Nanometer genau zu messen. Das ist insofern erstaunlich, als die Wellenlänge des verwendeten Ultraschalls zwischen 5 und 50 Nanometern liegt und nach einem physikalischen Prinzip normalerweise keine Details aufgelöst werden können, die kleiner sind als die Wellenlänge der zur Untersuchung benutzten Schwingung. In der Praxis umgehen wir diese Einschränkung, indem wir das Profil des ausgesandten mit dem des reflektierten Schallpulses vergleichen. Selbst wenn Anfang und Ende des Echos schlecht auszumachen sind, läßt sich sein Maximum sehr exakt ermitteln. So kann man auf den Bruchteil einer Pikosekunde genau bestimmen, wann die Echowelle ihren größten Ausschlag erreicht, und daraus die zurückgelegte Strecke auf bis zu ein zehntel Nanometer genau berechnen. Dieses Meßverfahren ähnelt der Interferometrie, bei der Laufzeitdifferenzen zwischen zwei Wellen durch deren Überlagerung ermittelt werden.
Als wir an diesem Punkt angelangt waren, kamen einige meiner Mitarbeiter auf eine eher kuriose Idee: Wenn wir mit Licht Schall zu erzeugen vermochten, sollten wir damit auch Musik machen können. Unterstützt von Experten des Thomas-J.-Watson-Forschungszentrums der Firma IBM in Yorktown Heights (US-Bundesstaat New York) bauten wir ein "Nanoxylophon" (Bild auf Seite 63). Es sieht aus wie das normale Schlaginstrument, außer daß die Klangstäbe aus Gold bestehen und weniger als 40 Nanometer (150 Atome) dick und 200 Nanometer breit sind. Ein auftreffender Lichtpuls erzeugt einen Ton von acht Milliarden Hertz pro Sekunde, also etwa 24 Oktaven über dem eingestrichenen C. Wir haben inzwischen noch andere Miniaturinstrumente gebaut, die sich mit einem Lichtpuls in Schwingung versetzen lassen. Der höchste Ton, den wir damit erzeugen konnten, liegt mit 700 Milliarden Hertz etwa 31 Oktaven über dem eingestrichenen C. Freilich vermag das menschliche Ohr keinen dieser Töne wahrzunehmen.
Qualitätsprüfung an Computerchips
Wie eingangs erwähnt, liegt die praktische Bedeutung extrem kurzer Ultraschallpulse darin, daß sie die einfache, zerstörungsfreie Überprüfung integrierter Schaltkreise ermöglichen. Die Fabrikation eines elektronischen Bauelements ist ein komplizierter Prozeß, der mehrere hundert Einzelschritte umfaßt und sich über viele Wochen hinzieht. Als Ausgangsmaterial dient ein hochreiner Siliciumkristall, der in sogenannte Wafer – runde Scheiben mit einem Durchmesser von etwa 20 Zentimetern – zerschnitten wird, die nur Bruchteile eines Millimeters dick sind. Nach dem Polieren dotiert man die Oberfläche gezielt an einzel-nen Stellen mit bestimmten Fremdatomen und erzeugt dadurch die als Schalt- und Speicherelemente fungierenden Transistoren. Schließlich wird eine Folge von dünnen Schichten aus verschiedenen elektrisch leitfähigen und isolierenden Materialien aufgetragen.
Die Metallfilme bilden ein komplexes, die gesamte Scheibe überspannendes Muster aus elektrischen Verbindungen zwischen den Transistoren, das an ein Autobahnnetz mit Überführungen und Kreuzungen erinnert. Die nichtleitenden Schichten – in der Regel aus Glas oder Kunststoff – isolieren die Metall-Lagen voneinander. Auf jeder Scheibe werden nebeneinander etwa 100 gleichartige Chips hergestellt und am Ende ausgeschnitten.
Der gesamte Fertigungsprozeß erfordert äußerste Reinheit und strenge Kontrollen; schon ein einziges Staubkörnchen kann einen Chip unbrauchbar machen und jede unbemerkte Abweichung von den Spezifikationen seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Insbesondere müssen sämtliche Transistoren im Gleichtakt arbeiten. Die Zeit, die ein Signal von einem zum anderen braucht, spielt deshalb eine entscheidende Rolle. Sie ist proportional zum Widerstand der Metallschicht zwischen den jeweiligen Transistoren, der seinerseits umgekehrt proportional zur Dicke der Leitungsbahn ist. Darum müssen die Spezifikationen für die Schichtstärken genauestens eingehalten werden.
Mittels Pikosekunden-Ultraschall gelingt nun erstmals eine akkurate Qualitätsprüfung, die das Bauelement intakt läßt (siehe Kasten auf Seite 64). Anders als im Falle eines einzelnen Metallfilms sind dabei allerdings mehrere Echos auszuwerten – je eines von jeder Grenze zwischen benachbarten Lagen. Das Verfahren gleicht somit seismologischen Methoden, mit denen Geologen die Mächtigkeit der verschiedenen Gesteinsformationen innerhalb der Erdkruste bestimmen. Einen Unterschied gibt es jedoch: Die Metallfilme im Chip sind so dünn, daß die Echos unmittelbar aufeinanderfolgen und sich sogar überlappen können. Sie erzeugen ein Interferenzmuster, das man entschlüsseln muß, um Form und Dicke der Schichten zu ermitteln. (Auf einer solchen Überlagerung beruht auch das farbige Schillern eines auf Wasser schwimmenden Ölfilms – etwa von Benzin auf einer Pfütze.)
Die Echos können auch andere Fabrikationsmängel aufdecken. So verlängert und verbreitert sich der Schallpuls bei der Reflexion an einer rauhen Grenzfläche, was sich durch Analyse der Echowellenform feststellen läßt. Zudem verrät die Stärke der Reflexion, wie gut zwei benachbarte Schichten miteinander verbunden sind. Schließen sie – zum Beispiel wegen einer Verschmutzung – nicht dicht aneinander an, kann der Schall die Grenzfläche relativ schlecht überwinden, und ein größerer Teil wird zurückgeworfen. Deshalb lassen sich anhand der Stärke der Echos auch mechanische Fehler erkennen.
Als nächstes möchten wir erkunden, inwieweit man mit Pikosekunden-Ultraschall auch Strukturen und Vorgänge im Innern lebender Zellen sichtbar machen kann. Seit längerem schon dient die Sonographie mit Ultraschall als bildgebendes Verfahren in der medizinischen Diagnostik – etwa um die Entwicklung von Feten im Mutterleib zu überwachen. Wir hoffen, mit extrem kurzen Pulsen analoge akustische Bilder einzelner Zellen zu erhalten, in denen etwa das Cytoskelett (das Zellgerüst) ebenso plastisch und detailreich hervortritt wie das menschliche Skelett in einem Röntgenbild. Dann ließe sich zum Beispiel unmittelbar optisch verfolgen, was in einer Zelle während ihrer Teilung geschieht.
Noninvasive Picosecond Ultrasonic Detection of Ultrathin Interfacial Layers: CFx at the Al-Si Interface. Von G. Tas et al. in: Applied Physics Letters, Band 61, Heft 15, Seiten 1787 bis 1789, 12. Oktober 1992.
Study of Vibrational Modes of Gold Nanostructures by Picosecond Ultrasonics. Von H.-N. Lin et al. in: Journal of Applied Physics, Band 73, Heft 6, Seiten 37 bis 45, 1. Januar 1993.
The Science and Engineering of Microelectronic Fabrication. Von Stephen A. Campbell. Oxford University Press, 1996.
Ultrasonic Multilayer Metal Film Metrology. Von C. J. Morath et al. in: Solid State Technology, Band 40, Heft 6, Seiten 85 bis 92, Juni 1997
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1998, Seite 62
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