Umwelt Global. Veränderungen, Probleme, Lösungsansätze
Springer, Berlin 1995.
252 Seiten, DM 58,-.
252 Seiten, DM 58,-.
Das Thema Umwelt entwickelt sich immer mehr zu einer Klammer, mit der man die auseinanderdriftenden Disziplinen der Wissenschaft zusammenzuhalten versucht. Daß diese Aufgabe nicht einfach ist, zeigt der vorliegende Band mit den Beiträgen einer Vorlesungsreihe an der Freien Universität Berlin.
Von den beiden Bedeutungen des Begriffes global ist dabei die wörtliche relativ selten gemeint: Nur die Beiträge zum globalen Wasserkreislauf, zur Ozonproblematik, zur Fernerkundung sowie zum Naturschutz im Amazonasgebiet beschäftigen sich mit erdumspannenden Themen. Der Schwerpunkt des Bandes liegt vielmehr in einer inhaltlichen Integration.
Zwei naturwissenschaftliche Beiträge zum Stadtklima und zum Ökosystem "Stadt" leiten über zu lokalen Problemen sowie zum sozioökonomisch und geisteswissenschaftlich dominierten Teil. Dieser enthält unter anderem Beiträge zu rechtlichen Aspekten von Altlasten und zur Steuerung von Stoffströmen. Etliche Artikel zum Klimaschutz, zur Ressourcenpolitik und zur Rolle von Industrieunternehmen diskutieren die praktische und politische Umsetzung. Der Schlußteil schlägt mit soziologischen, philosophischen und ethischen Themen die Brücke von den naturwissenschaftlichen Grundlagen bis zu der persönlichen Wahrnehmung und Verantwortung des einzelnen.
Die Autoren sind sämtlich Wissenschaftler der Freien Universität Berlin; naturgemäß gibt das Buch deren Vorlieben und Forschungsschwerpunkte wieder. Dadurch ergeben sich Lücken: Artenschutz und Biodiversität werden mit keinem Wort erwähnt, und die Landwirtschaft fehlt völlig.
Es ist auch kein roter Faden in der Auswahl der Themen zu erkennen; der Leser muß gleichsam einzelne Steinchen eines unvollständigen Mosaiks selbst zusammensetzen. Das entspricht zwar der starren Struktur und der Abgrenzung von Fachgebieten der deutschen Universitäten, sollte aber nach mehreren Jahrzehnten Umweltforschung inzwischen überwunden sein.
Erschwerend kommt hinzu, daß einzelne Autoren sich nicht von der Fachsprache ihrer Disziplin lösen konnten oder wollten. Manche Sprachkonstruktionen eines Soziologen oder Philosophen nötigen dem Naturwissenschaftler längere Denkpausen auf und erschweren das Verständnis unnötig. Aber auch Physiker und Biologen lassen sich von ihrer Begeisterung für ihr Thema oft zu weit tragen und verlieren sich in Details, die für Fachfremde von untergeordneter Bedeutung sind, zum Beispiel Feinheiten des Strahlungshaushalts oder die Verwendung von künstlichen neuronalen Netzen in der Fernerkundung. Manche juristischen Artikel setzen die Kenntnis von Gesetzentwürfen voraus, die nicht einmal Fachjuristen geläufig sein dürften. Während in der englischsprachigen inter- und multidisziplinären Literatur viele Autoren dem Leser möglichst weit entgegenkommen, muten deutsche dem Wissenskonsumenten häufig immer noch zu, sich mühsam durch hoch aufgetürmte Sprachgebirge zu dem vorzuarbeiten, was gemeint sein könnte.
Bei einer Länge der einzelnen Beiträge von ungefähr 15 Seiten lassen sich diese sprachlichen und fachlichen Durststrecken aber überwinden. Vor allem Naturwissenschaftler werden einige neue Gedanken finden, die ihnen drastisch deutlich machen, warum so wenig von ihren Erkenntnissen angewandt wird: Die soziologischen und philosophischen Beiträge machen klar, daß die naturwissenschaftliche Erkenntnis nur der Anfang sein kann – sie ändert weder Menschen noch die bestehenden Verhältnisse. Die Umsetzung des sachlich Gebotenen in die allgemeine Praxis ist wesentlich langwieriger, mühsamer und frustrierender als die reine Forschungstätigkeit. Ein zusätzlicher Beitrag eines Politikers oder Umweltschützers hätte solche Schwierigkeiten sicherlich noch einsichtiger machen können.
Wer bereits breites Grundwissen und hohes Interesse am Thema Umwelt hat und dadurch die Beiträge richtig einordnen kann, erhält einen tieferen Einblick in methodische Ansätze und Denkmuster etlicher Disziplinen. Besonders profitieren könnten diejenigen Naturwissenschaftler, die sich mit dem Ökologie-Verständnis von Geisteswissenschaftlern vertraut machen möchten oder sich verstärkt um die Umsetzung der Ergebnisse von Umweltforschung in die Praxis kümmern wollen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1996, Seite 130
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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