Umwelt im juristischen Netz
Die Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zu Klimaänderungen ist bereits seit Frühjahr 1994 in Kraft; aber bisher ist es noch nicht gelungen, die Vertragsstaaten dazu zu bewegen, die Emission von Treibhausgasen innerhalb einer bestimmten Frist um eine bestimmte Menge zu reduzieren. Immerhin stellte die Berliner Konferenz der Vertragsstaaten 1995 die Weichen für ein völkerrechtlich bindendes Abkommen zur Reduktion, indem in einer Pilotphase erste Erfahrungen gesammelt werden sollen. Möglicherweise könnte dann die dritte derartige Konferenz, die im Dezember 1997 in Kioto (Japan) stattfindet, ein solches Instrument verabschieden. Maßgebend für den Erfolg wird sein, ob die Industrieländer dazu bereit sind, sich zu einer generellen Drosselung der Emissionen ab dem Jahre 2000 um feste Quoten und innerhalb bestimmter Fristen zu verpflichten, oder ob das Ausmaß der Reduzierungen beispielsweise von den wirtschaftlichen Möglichkeiten der einzelnen Staaten abhängen soll. Die Entwicklungsländer werden jedenfalls zunächst keine solchen ergebnisorientierten Pflichten übernehmen müssen; für sie überlegt man eine finanzielle Unterstützung oder eine Kompensation für die wirtschaftlichen Einbußen, die sie durch Maßnahmen zum Klimaschutz erleiden.
Dieses Beispiel macht eines der wichtigsten Resultate der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro deutlich: Umwelt- und Entwicklungspolitik können nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern sind gemeinsam dem Ziel der Nachhaltigkeit verpflichtet. Auch das Montrealer Protokoll von 1997 zum Schutz der Ozonschicht räumte den Entwicklungsländern das Privileg ein, den Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) verzögert zu reduzieren (Spektrum der Wissenschaft, März 1997, Seite 116). Ein multilateraler Fonds, der sie beim Ausstieg aus der Produktion und der Verwendung ozonschichtschädigender Stoffe unterstützt, stellt für 1997 bis 1999 noch einmal 540 Millionen US-Dollar bereit. Andererseits sollen bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Protokolls Mitte September in Montreal unter anderem die Fristen für den Ausstieg der Industrieländer aus der Verwendung der FCKW-Ersatzstoffe Brommethan (Methylbromid) und teilhalogenierte FCKW (H-FCKW) verkürzt werden.
UN-Organisation für nachhaltige Entwicklung gefordert
In seinem Jahresgutachten 1997, das der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU) am 16. Juli in Bonn vorstellte, setzt er sich ausführlich mit der internationalen Politik zum globalen Wandel seit der Rio-Konferenz auseinander. Er regt zum Beispiel an, daß die Vereinten Nationen eine zusammenfassende "Organisation für nachhaltige Entwicklung" bilden und das Konzept der Nachhaltigkeit in ihre Satzung aufnehmen.
Die bisherige internationale Umweltpolitik ist geprägt von Auseinandersetzungen darüber, wie das Montrealer Protokoll, die Klima-Rahmenkonvention und andere Abkommen umgesetzt werden können. Das Washingtoner Globale Aktionsprogramm von 1995, das die Meere vor Schadstoffeinleitungen schützen soll, wird zwar bereits in nationale Programme umgewandelt, doch stehen für die Entwicklungsländer zuwenig Finanzmittel zur Verfügung. Als erster Schritt zu einer internationalen Meeresschutzkonvention wird für zwölf besonders gefährliche dauerhafte organische Schadstoffe ein weltweit rechtsverbindliches Reduktionsregime angestrebt. Ein Fischereiabkommen ist 1994 mit der UN-Seerechtskonvention in Kraft getreten, die auch die Grundlage für den Internationalen Seegerichtshof in Hamburg bildet. Zu dem Weltwüsten-Abkommen findet im September 1997 eine Vertragsstaatenkonferenz statt, auf der auch entschieden wird, ob das Sekretariat dieser Konvention nach Bonn kommt.
Zentraler Punkt: biologische Vielfalt
Besondere Bedeutung in der globalen Umweltpolitik kommt den Bestimmungen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt zu, das 1993 in Kraft getreten ist. Diese Biodiversitäts-Konvention ist eng mit anderen Bereichen, Abkommen und Organisationen verbunden und bietet einen konkreten Einblick in die Einzelheiten des Umweltvölkerrechts (Bild). Der WBGU rügt freilich erneut, in Politik und Forschung in Deutschland setze sich "nur zögerlich die Erkenntnis durch, daß Erhaltung und nachhaltige Nutzung von Biodiversität kein Spezialproblem der Naturschutzpolitik, sondern eine Querschnittsaufgabe der Umwelt- und Entwicklungspolitik ist".
Bereits im vergangenen Jahr monierte der WBGU, in Deutschland sei die Biodiversitätsforschung zu wenig interdisziplinär und international orientiert. Forschungsschwerpunkte sollten vier Bereiche sein: moderne Taxonomie, Schutz und Nutzung der Ökosysteme, Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Ökosysteme sowie die Fragen im Zusammenhang mit den internationalen Bemühungen um den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Biodiversität. Im aktuellen Jahresgutachten wird festgestellt, Deutschland sei mit der Umsetzung der Ergebnisse internationaler Diskussionen und Aktionen im Rückstand. So sei zwar das Bundesnaturschutzgesetz inzwischen novelliert worden, doch fehle eine nationale Strategie zur Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention.
Die bisher drei Vertragsstaatenkonferenzen faßten Beschlüsse zur Erhaltung biologischer Vielfalt im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Nutzung, zur Küsten- und Meeresbiodiversität und zum Thema Wälder. Die Biodiversitäts-Konvention sieht genetische Ressourcen nicht mehr als Kollektivgut mit freiem Zugang an, sondern sie "fallen ausdrücklich unter die Zuständigkeit der Nationalstaaten. Die Interessen von Industrieunternehmen, die auf der Suche nach neuen Quellen genetischer Ressourcen sind, die Rechte der lokalen und indigenen Gemeinschaften mit ihrem traditionellen Wissen um diese Vielfalt und die Souveränität der Staaten müssen miteinander in Einklang gebracht werden". Einige Staaten haben bereits die Bestimmungen der Konvention in nationales Recht umgesetzt. Sie sichern diesen Interessenausgleich und die gerechte Teilhabe am Nutzen genetischer Ressourcen. Gegenwärtig wird über ein Zusatzprotokoll zur Sicherheit im Umgang mit Biotechnologie (Biosafety) verhandelt.
Max-Planck-Gesellschaft nimmt globale Verantwortung ernst
Weil der Umgang mit globalen Ressourcen und die Gefährdung natürlicher Lebensgrundlagen neue Anforderungen sowohl an naturwissenschaftliche als auch an sozial- und rechtswissenschaftliche Forschung stellt, wird die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) die Reihe ihrer mehr als 20 Einrichtungen mit ökologischen Forschungsfeldern um eine Projektgruppe "Recht der Gemeinschaftsgüter" ergänzen; sie wird als Basis eines künftig möglichen Max-Planck-Instituts in Bonn aufgebaut. Interdisziplinär wird sie die Steuerungsfunktionen des Rechts auf dem Gebiet der natürlichen Lebensgrundlagen – etwa Atmosphäre, Klima, Wasser, Weltmeere, Boden, Fauna und Flora – untersuchen.
Für diese Güter fehle der das bisherige Recht bestimmende Eigennutz der Staaten, meint Rüdiger Wolfrum vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. In einem Vortrag auf der diesjährigen MPG-Hauptversammlung zog er eine Bilanz der neuen Entwicklungen im Umweltvölkerrecht. Dieses sei bisher nur unzulänglich auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Um eine Ressource als global einzustufen, sei nicht mehr der Umstand allein entscheidend, ob sie auf einem keinem Staat territorial zugeordneten Gebiet liege, sondern "welche Bedeutung sie für die Staatengemeinschaft hat". Wer aber entscheidet in diesem Fall? Im nationalen Recht ist etwa im Naturschutzgesetz geregelt, wie ein Eigentümer mit den für die Gemeinschaft wesentlichen Gütern umgehen darf. Doch eine vergleichbare Gemeinschaftspflichtigkeit der Staaten, so Wolfrum, beginne sich im Völkerrecht erst in jüngster Zeit zu entwickeln, wie das Beispiel der Biodiversitäts-Konvention zeige.
Die Verantwortung für die Erhaltung von Gemeinschaftsgütern liege bei allen Staaten gemeinsam, doch fehlten noch die erforderlichen juristischen Instrumente. Das Völkerrecht sehe "grundsätzlich keine Institutionen vor, die Rechtsnormen unabhängig von Staaten und mit Wirkung für diese entwickeln". Eine allgemeine Durchsetzungsinstanz fehle ebenso wie Bestimmungen darüber, wie Initiativen aus nichtstaatlichen Organisationen als den Sachwaltern globaler Ressourcen in den Willensbildungsprozeß der Staatengemeinschaft eingebracht werden können.
Zwar seien Ansätze für neue Norm- und Durchsetzungsverfahren im Völkervertragsrecht erkennbar; sie ließen sich aber nur erfolgreich anwenden, wenn die Pflichten, die jeder einzelne Staat wahrzunehmen habe, sich nach dessen technischer und finanzieller Leistungsfähigkeit richten würde.
Das heißt aber letztlich: Die Industriestaaten müssen sich bei der Nutzung globaler Ressourcen gegenüber ihren bisherigen Gewohnheiten einschränken. Ob die weltweite Solidarität zwischen ihnen und den Entwicklungsländern tatsächlich entstehen kann scheint sehr zweifelhaft. Weder Industrie- noch Schwellen- und Entwicklungsländer zeigen derzeit besondere Neigung, Weltklima, Ozonschicht und biologische Vielfalt tatsächlich zu schützen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1997, Seite 112
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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