Welternährung: Fischfarmen für eine Milliarde Chinesen
An jenem Januartag 2007 fuhr der vietnamesische Fischer Nguyên Phú mit seiner Crew wie gewohnt hinaus aufs Meer – als am Horizont mehrere chinesische Kanonenboote auftauchten. Im ersten Moment dachte Phú an Flucht, doch er wusste: Mit seinem kleinen Gefährt hatte er keine Chance. "Mit den Chinesen legen wir uns nicht an", erzählt er mir über den Dolmetscher. "Wir wehren uns nicht. Wir kauern uns zusammen, mit den Armen über dem Kopf, so, und beten, dass wir es überstehen." Die chinesischen Soldaten hätten sein Boot beschlagnahmt, alle auf eine nahe Insel gebracht und dort ins Gefängnis gesteckt. Über einen Monat lang musste Phú in einer engen Zelle ausharren – ohne Verhandlung, ohne Richter, ohne Erklärung – und wurde täglich geschlagen. Dann ließ man ihn gehen. Wie einen Fisch, den man nach Belieben fängt und freilässt.
Diese Geschichte passt zu anderen aus den letzten Jahren. Nach Aussage von Tunfischfängern der Fidschi-Inseln respektieren chinesische Kapitäne dort keine Fangquoten. Auch in japanischen Gebieten belasten unrechtmäßige Fischzüge die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die Philippinen haben ihre militärische Präsenz vor ihren Küsten wegen der dort patrouillierenden chinesischen Fischerboote verstärkt. China behauptet, dass südchinesische Meer gehöre seit Jahrhunderten zu seinem Territorium.
Eines ist unbestreitbar: Das Land hat einen immensen Bedarf an Meeres- und Süßwasserfrüchten. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist dort schon traditionell sehr hoch, und der zunehmende Lebensstandard steigert die Nachfrage nach Fisch, Muscheln, Krebsen und Ähnlichem weiter. Die 1,4 Milliarden Chinesen verzehren heute mehr Fisch und dergleichen als die zehn nächstgrößten Nationen zusammen. Tatsächlich fängt und erzeugt die Volksrepublik mit Abstand die meisten Fischprodukte im weiten Sinn: 2012 waren es laut der Welternährungsorganisation FAO 57 Millionen Tonnen – ein Drittel der Weltproduktion. Seine 700 000 Fischereischiffe sind rund um den Globus im Einsatz, schleifen riesige Käfige über den Meeresboden und ziehen fußballfeldgroße Netze hinter sich her. Andere Nationen machen das nicht anders, aber China übertrifft bei der Ausbeutung der Meere inzwischen sogar Japan und die USA. Es trägt hierdurch wesentlich dazu bei, dass die Bestände etwa von Seegurken, Haien oder den beliebten Abalonen (auch Meerohren genannte Meeresschnecken) überall zurückgehen. ...
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