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Moral: Unehrlich durch Übersee

Ein Auslandsaufenthalt beflügelt unser Denken und unsere Kreativität – das war bislang der Tenor vieler Studien. Ein Team um Adam Galinsky von der Columbia University entdeckte nun allerdings eine Schattenseite: Fremde Länder zu bereisen, macht uns offenbar nicht nur kognitiv, sondern auch moralisch flexibler.

Galinsky und seine Kollegen untersuchten in insgesamt acht Studien mit mehr als 2200 Probanden, wie sich der Aufenthalt im Ausland auf die Ehrlichkeit auswirkt. Sie baten beispielsweise Studenten vor und nach ein oder zwei Auslandssemestern in Ländern wie Kanada, Spanien, Indien, Neuseeland oder den USA, an verschiedenen Tests teilzunehmen. Dabei klopften die Forscher unter anderem das moralische Verhalten der Teilnehmer ab, indem sie ihnen kniffelige Aufgaben auf einem Tablet-Computer stellten und später danach fragten, wie viele sie richtig gelöst hatten. Was die Probanden nicht wussten: Eine der Aufgaben war völlig unlösbar – wer behauptete, sie geknackt zu haben, log also. Im Anschluss an die Studienzeit in der Ferne passierte dies deutlich häufiger.

Ein ähnliches Ergebnis lieferte ein Versuch, bei dem die Wissenschaftler ihre Teilnehmer einen kleinen Aufsatz über ein Land schreiben ließen, das sie schon einmal besucht hatten. Auch hier schummelten Probanden im Anschluss an einen Auslandsaufenthalt häufiger als jene, die über ihr Heimatland oder einen Besuch im Supermarkt schreiben sollten. Dieser Effekt war umso stärker, je mehr unterschiedliche Länder eine Person bereits bereist hatte; die Dauer der Aufenthalte spielte lediglich eine untergeordnete Rolle.

Dass der Hang zum Schummeln in erster Linie Reisen in Länder mit hoher Korruption geschuldet ist, glauben die Forscher nicht. Denn dann hätten sie bei ihren Teilnehmern abhängig von den Gepflogenheiten in Herkunfts- und Reiseland einen Werteverfall in unterschiedlichem Maß feststellen müssen. Das war jedoch nicht der Fall. Galinsky und seine Kollegen vermuten daher, dass es eher der Kontakt mit einer Vielzahl von verschiedenen Wertvorstellungen ist, der unseren moralischen Kompass im Lauf der Zeit ein wenig verstellt.

  • Quellen
J. Pers. Soc. Psychol. 112, S. 1–16, 2017

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