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Universitäten in Deutschland sollen wieder international attraktiver werden

Die deutschen Hochschulen sind in der Krise das ist nicht neu. Doch auch international drohen sie den Anschluß zu verlieren: Vielfältige Hindernisse veranlassen immer mehr ausländische Studenten, die hiesigen Universitäten zu meiden. Nach Jahren politischer Versäumnisse hat jetzt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ein schlüssiges Aktionsprogramm zur Förderung des Studiums von Ausländern an deutschen Hochschulen präsentiert.

Nominell ist die Bundesrepublik nach den USA und Frankreich drittgrößtes Gastland für ausländischen akademischen Nachwuchs: 140000 Ausländer sind heute an deutschen Universitäten eingeschrieben (1975 waren es noch weniger als 50000); und gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Studierenden nimmt Deutschland immerhin noch Platz zehn in der internationalen Statistik ein.

Doch real betrachtet ist Deutschland in dieser Hinsicht längst in das Mittelfeld vergleichbarer Industrienationen abgerutscht. Von den Studierenden, die einen ausländischem Paß haben, sind nämlich mittlerweile etwa die Hälfte sogenannte Bildungsinländer, also bereits in der Bundesrepublik aufgewachsen. Für die Internationalität der deutschen Hochschulen und für die künftige wissenschaftliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit anderen Staaten ist es aber wichtig, daß tatsächlich aus dem Ausland kommende qualifizierte Studenten hier ausgebildet werden. "Unser Ehrgeiz ... muß es sein, wieder zur Spitzengruppe der Wissenschaftsadressen zu zählen, und lebensnotwendig für eine Exportnation ist das obendrein", meint denn auch der Präsident des DAAD, Theodor Berchem.

Was ihm und anderen Hochschulpolitikern Sorge bereitet, ist zum Beispiel die ungleiche regionale Verteilung der ausländischen Studierenden in Deutschland. Die Bildungsinländer eingeschlossen, haben fast 16000 von ihnen die türkische Staatsangehörigkeit; mehr als 10000 sind Iraner, mehr als 7000 Griechen, jeweils fast 6000 Chinesen und Österreicher und je mehr als 4500 Koreaner und Franzosen.

Doch der Anteil der Studierenden aus Ländern und Regionen, mit denen eine Kooperation wissenschaftlich und wirtschaftlich besonders wichtig ist, stagniert – so für Westeuropa insgesamt und auch für Südamerika – oder sinkt sogar wie für die USA von 1980 bis 1992 von 11,4 auf 7,2 Prozent. Trotz der großen Zahl von Gästen aus China und Korea ist Deutschland mit 32000 Studierenden bei den dynamischen ostasiatischen Staaten insgesamt weit hinter die USA zurückgefallen. Nach den bei einer Tagung der Herbert-Quandt-Stiftung bekanntgewordenen Daten studierten 1995 in den USA fast 9,5mal so viele Chinesen, achtmal so viele Japaner, 2,6mal so viele Bürger aus den ASEAN-Staaten und 3,5mal so viele Koreaner wie in Westeuropa. Besonders alarmierend sind die Stagnation bei indischen Studierenden in Deutschland um knapp 700 und der Rückgang der Zahl der Studierenden aus Indonesien – mit dem lange Jahre intensive wissenschaftliche Beziehungen bestanden – von 3300 im Jahre 1975 auf 2100 im Jahre 1992. Die künftige Elite dieser Länder meidet also Deutschland.

Für das Villa-Hügel-Gespräch 1996 des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft listete Berchem vielfälti- ge Gründe für das Wegbleiben auslän-discher Studierender auf: sprachliche Anforderungen, ausländerrechtliche Erschwernisse und Hürden, Probleme der Anerkennung von Studienleistungen, mangelnde Zugangsmöglichkeiten für ausländische Bachelor-Absolventen, international geringe Akzeptanz deutscher Hochschulabschlüsse, zu geringe Ausländerquote beim Numerus clausus für besonders nachgefragte Hochschulen, ferner strukturelle Probleme der deutschen Hochschulen wie unübersichtliche Studiengänge, unberechenbar lange Studienzeiten sowie mangelnde Betreuung und Beratung. Schon im Mai 1996 verlangten die Bundesminister des Auswärtigen und für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF), Klaus Kinkel und Jürgen Rüttgers, den Studienstandort Deutschland attraktiver zu machen.


Hemmnisse im Universitätsverständnis

Indes: Allzu selbstherrlich bestehen deutsche Professoren immer noch darauf, einzig die Prinzipien der deutschen Universität mit ihren akademischen Graden vom Diplom über die Promotion bis zur Habilitation garantierten die Wissenschaftlichkeit von Hochschulabschlüssen. Die Erfolge der deutschen Forschung schienen dies auch zu bestätigen; und aus aller Welt strömten in den vergangenen Jahrzehnten Studenten und Nachwuchswissenschaftler an die deutschen Hohen Schulen.

Doch heute ist dieses System eines der wichtigsten Hindernisse für Angehörige anderer Staaten, in Deutschland zu studieren und wissenschaftlich zu arbeiten. Der seinen Aufenthalt an der Universität Ulm im ganzen positiv bewertende Chemiker Ashraf A. Maasour von der Universität Kairo zum Beispiel stellte in einem Beitrag für das Hügel-Gespräch die Anerkennung seines Universitätsgrades als sein größtes Problem dar. Der Diplom-Ausschuß sei über die anderen Systeme, also das englische und amerikanische, ungenügend informiert, nehme sich dafür auch keine Zeit und lehne es ab, jeden Fall individuell zu beurteilen, wenn der Student nicht protestiere.

Die deutschen Hochschulen können sich nicht darauf hinausreden, ihre Studienabschlüsse würden weltweit geachtet. Nicht nur die südostasiatischen, sondern auch die traditionell mit der deutschen Tradition verbundenen osteuropäischen Länder wenden sich dem angloamerikanischen System zu.


Vom Bachelor zum Diplom

An solchen inneruniversitären Hemmnissen setzen nun BMBF, Hochschulrektorenkonferenz und DAAD mit ihren Reformvorschlägen an. In seinem am 14. Januar 1997 veröffentlichen Aktionsprogramm schlägt der DAAD neue "Studiengänge für ausländische Bachelors" vor. Dieser akademische Grad entspricht dem Abschluß des deutschen Vordiploms plus zwei Semester. Er kann in den Vereinigten Staaten nach zwölf Jahren Schulbesuch und vier Jahren undergraduate-Studium erlangt werden. Nach den tutorbetreuten Modellstudiengängen des DAAD sollen ausländische Bewerber danach in maximal zweieinhalb Jahren ein deutsches Diplom oder den Magistergrad erreichen. Anschließend soll nach einer Mitte 1996 verabschiedeten Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz ein Promotions- oder Habilitationsstudium möglich sein.

Der DAAD empfiehlt sogar, das deutsche Hochschulsystem generell auf das international verkehrsfähige Bachelor-Master-Modell umzustellen – was allerdings bei anderen Partnern, etwa den Kultusministern, auf Widerstand stößt, denn damit würden die als besonders wichtig angesehenen Elemente des deutschen Hochschulwesens samt dem 13. Schuljahr entfallen.

Der DAAD möchte mit seinem Aktionsprogramm auch die anderen das Ausländerstudium bedrohenden Lücken füllen. Er hat ein neues Programm für auslandsorientierte, zweisprachige Studiengänge ausgeschrieben, an dem 50 Prozent Ausländer – ohne Bildungsinländer – teilnehmen sollen, und das einen obligatorischen Auslandsaufenthalt vorsieht. In der Geschäftsstelle des DAAD wird dazu ein eigenes Referat eingerichtet. Bis zum Jahre 2001 sind für das im Wintersemester 1997/98 beginnende Programm 30 Millionen Mark vorgesehen.

Für die mittlerweile 23 zum Teil englischsprachigen entwicklungsländerorientierten Aufbaustudiengänge, die der DAAD mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert, stiegen die Mittel von 18,8 Millionen Mark 1995 auf 22,1 Millionen Mark 1997 an. Der Internationalisierung des Lehrangebots an deutschen Hochschulen dient ein Ende Januar ausgeschriebenes Programm zur Förderung ausländischer Gastdozenten, das im Rahmen des Hochschulsonderprogramms III von 1997 bis 2000 mit voraussichtlich 26 Millionen Mark gefördert wird. Dabei ist die Lehre in einer Fremdsprache erwünscht.

Für das von den Ministern angekündigte German Students Exchange Programme (STEP), das ein umfassendes Netz von Hochschulkooperationen mit nicht der Europäischen Union angehörenden Staaten vorsah, stehen noch keine Mittel zur Verfügung. Dagegen will das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ab 1997 ein neues DAAD-Programm für fachbezogene Partnerschaften mit Hochschulen in Entwicklungsländern fördern – mittelfristig mit bis zu zwei Millionen Mark jährlich. Es soll die deutschen Hochschulen in Entwicklungsländern bekannt machen. Für den Ausbau des projektbezogenen Personenaustauschs mit Asien erwartet der DAAD Mittel im Rahmen des Asien- und des Lateinamerikaprogramms des BMBF. Unter anderem sollen damit die lockerer gewordenen Verbindungen zu Indien und Indonesien aufgefrischt werden.


Marketing und Service-Pakete

Weitere Aktionen des DAAD betreffen beispielsweise Deutschkurse und -tests für Ausländer, liberalere Zulassungsregeln sowie Verfahren der Anerkennung von Studienabschlüsssen. Für Deutschland neu sind Informations- und Marketing-Maßnahmen für Hochschulen, die in anderen Ländern – etwa Australien – schon lange gepflegt werden.

Auch regelrechte Servicepakete für Ausländer sollen nach dem Vorbild anderer Staaten angeboten werden und so die Internationalität der deutschen Hochschulen stärken. DAAD, Hochschulrektorenkonferenz und Deutsches Studentenwerk prüfen zur Zeit, inwieweit dies in Deutschland auch ohne Studiengebühren möglich sein kann. Derartige Pakete könnten zum Beispiel die sprachliche Vorbereitung im Heimatland und in Deutschland umfassen sowie Flugarrangements einschließlich Abholung am Ankunftsort, die Wohnungsvermittlung, Hilfe zum Überwinden bürokratischer Hindernisse, das Vermitteln eines Betreuers sowie Exkursionen und andere begleitende Aktivitäten, welche die soziale und kulturelle Integration von Ausländer fördern.

Was in Deutschland – auch in den einschlägigen Empfehlungen des Wissenschaftsrates – noch völlig fehlt, ist die Bewertung der Internationalität der Hochschulen in den Evaluierungen von Forschung und Lehre. Der DAAD empfiehlt ein plausibles Indikatorensystem für den Grad der Internationalisierung. Sie müsse, das drängt sich aus der Diskussion und den konkreten Vorschlägen der letzten Zeit auf, tatsächlich ein Qualitätskriterium der Hochschule werden, das sich auch in der hochschulinternen Mittelverteilung niederschlägt.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1997, Seite 122
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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