Anthropogenetik: Unsere Evolution geht weiter
Keine andere Art greift in ihr eigenes Schicksal so stark ein wie der Mensch. Ob Naturgewalten, Krankheiten oder Raubtiere – zahllosen Gefahren, die unsere Vorfahren dahinrafften, wissen wir heute viel besser zu begegnen als früher. Für Nahrungsmittel sorgt eine Agrarwirtschaft im industriellen Maßstab. Selbst die Aussichten auf die Geburt von gesunden Kindern haben sich beträchtlich erhöht.
Nicht nur manche Wissenschaftsjournalisten, sondern sogar einige ausgewiesene Forscher behaupten: Weil der Mensch die Natur nun so gut beherrscht, ist unsere Evolution wohl zum Stillstand gekommen. Denn die technologischen Errungenschaften würden uns dem Zugriff der natürlichen Selektion entziehen. Da heute die meisten ein hohes Alter erreichen, gelte das darwinsche Prinzip vom Überleben der Bestangepassten für den Homo sapiens nicht mehr.
Doch in Wahrheit ist unsere Evolution keineswegs beendet. Wir haben uns selbst noch in der jüngsten Vergangenheit biologisch verändert, und solange es uns gibt, wird das auch weiterhin geschehen. Projiziert man die sieben Millionen Jahre seit dem Zeitpunkt, an dem sich unsere Entwicklungslinie und die der Schimpansen getrennt haben, auf einen einzigen 24-Stunden-Tag, dann entsprechen die letzten 30 000 Jahre gerade einmal sechs Minuten. Aber in dieser kurzen Zeitspanne, dem bisher letzten Kapitel unserer Evolutionsgeschichte, hat sich in biologischer Hinsicht eine Menge ereignet: Es gab große Wanderbewegungen in teils völlig neue Lebensräume und einige drastische Ernährungsumstellungen. Die Gesamtbevölkerung ist in der kurzen Zeit um mehr als das 1000-Fache gewachsen, und die vielen Menschen brachten zahlreiche einzigartige Mutationen ein – eine Menge neues Material für das Wirken von Selektionskräften. Statt anzuhalten, erfuhr die menschliche Evolution hierdurch sogar einen Schub. Und die Beschleunigung wird sich fortsetzen. ...
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