Angemerkt!: Unterschätzte Komplexität
Gedankenlesen per Bildgebung? Der Neuropsychologe Frank Rösler hält das für Zukunftsmusik.
Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) misst nicht die Aktivität von Nervenzellen, sondern Änderungen der Sauerstoffversorgung im Gehirn. Insofern geben die gemessenen Signale nur indirekt Aufschluss über die neuronalen Grundlagen des Denkens und Fühlens. Kann man damit dennoch Gedanken lesen?
Einige bislang publizierte Studien zeigten hier beachtliche Erfolge: Allein anhand von fMRT-Daten konnten Forscher mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 80 Prozent korrekt identifizieren, welches von zwei Objekten Testpersonen gesehen hatten. Das ist ohne Frage beeindruckend. Aber eine Trefferquote ist ein statistischer Wert, der sich nicht einfach auf den Einzelfall anwenden lässt. Wollte man zum Beispiel herausfinden, ob ein potenzieller Straftäter die Tatwaffe kennt, so wäre dies ein ganz anderer Fall. Es ginge nämlich nicht darum, in 80 von 100 Fällen richtig zu liegen, sondern um eine "harten" Beweis dafür, dass der Verdächtige das betreffende Objekt identifiziert hat, obwohl er dies bestreitet. Man müsste also mittels Bildgebung ein ganz bestimmtes Erregungsmuster aus einer Menge von vielleicht 100 oder 1000 ähnlichen Bildern herausfiltern können. Bei einer Verlässlichkeit der eingesetzten Methode von 80 Prozent liegt der effektive Vorhersagewert, wenn es um "1 aus 100" geht, aber nur noch bei wenigen Prozent! Mit anderen Worten: Würde der Hirnscan 20-mal signalisieren, der Verdächtige habe die Waffe wiedererkannt, so wäre das nur in einem einzigen Fall korrekt – in den 19 anderen handelte es sich um Fehlalarm.
Doch ist das nicht bloß eine Frage der Messgenauigkeit? Je besser die Instrumente, desto größer auch die Zielsicherheit beim Gedankenlesen per fMRT. Hier kommt ein weiteres, oft unterschätztes Problem zum Tragen: die ungeheure Zahl neuronaler Verknüpfungen.
Forscher messen beim Neuroimaging Veränderungen der Hirndurchblutung in Volumeneinheiten, so genannten Voxel, einer bestimmten Größe (zum Beispiel 2 · 2 · 2,5 mm = 10 mm3) und analysieren dann Muster aus 500 bis 1000 solcher Voxel. Da sich die Großhirnrinde in unterschiedliche Funktionsbereiche aufgliedert, kann man aus der Aktivitätsverteilung einiges über den momentanen geistigen Zustand des Probanden ableiten.
Allerdings: Die biologischen Korrelate von Gedanken bestehen nicht in Änderungen des Blutflusses, sondern in Aktivitätszuständen komplexer neuronaler Netzwerke. Ein Kubikmillimeter Großhirnrinde enthält etwa 40 000 Neurone und gut 800 000 000 synaptische Kontakte. Nehmen wir an, das Wissen über eine Tatwaffe sei in einem Ensemble von Neuronen repräsentiert, das nur 1000 solcher Volumeneinheiten von je einem Kubikmillimeter umfasst – dann wären an diesem "Gedanken" rund 40 000 000 Neurone und 8 · 1011 Synapsen beteiligt.
Nehmen wir weiter an, dass die synaptischen Verschaltungen zehn verschiedene Zustände haben können, so ergibt das bereits 8 · 1012 potenzielle Muster. Entspräche ein bestimmter Gedankeninhalt nur einem dieser acht Billionen Muster, so mag man erahnen, welche immense Datenmenge zu verarbeiten ist, um es zu identifizieren. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist nichts dagegen!
Selbst wenn die räumliche Auflösung durch eine verbesserte Aufnahmetechnik auf einen halben Kubikmillimeter pro Voxel wüchse, könnte man Gedanken per funktioneller Bildgebung immer noch nicht entziffern; denn das gemessene Signal ist und bleibt ein indirektes – es lässt keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Schaltzuständen der Synapsen zu.
Da Neurone zudem dynamisch miteinander wechselwirken, sprechen wir bei alldem nicht von einem statischen Erregungsmuster, sondern einem über die Zeit ausgedehnten Prozess. Und hier stößt die Bildgebung, die nur phasenweise Durchblutungs-änderungen erfasst, an enge Grenzen. Als wäre das noch nicht genug, klafft auch eine erkenntnistheoretische Lücke: Ist es möglich, einen Gedanken eineindeutig auf ein neuronales Korrelat abzubilden? Bislang zumindest gibt es kein Modell, das solche Entsprechungen zwischen psychologisch und biologisch definierten Entitäten überzeugend beschreibt. Gedankenlesen im Wortsinn bleibt somit wohl bis auf Weiteres, was es ist: Sciencefiction!
Einige bislang publizierte Studien zeigten hier beachtliche Erfolge: Allein anhand von fMRT-Daten konnten Forscher mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 80 Prozent korrekt identifizieren, welches von zwei Objekten Testpersonen gesehen hatten. Das ist ohne Frage beeindruckend. Aber eine Trefferquote ist ein statistischer Wert, der sich nicht einfach auf den Einzelfall anwenden lässt. Wollte man zum Beispiel herausfinden, ob ein potenzieller Straftäter die Tatwaffe kennt, so wäre dies ein ganz anderer Fall. Es ginge nämlich nicht darum, in 80 von 100 Fällen richtig zu liegen, sondern um eine "harten" Beweis dafür, dass der Verdächtige das betreffende Objekt identifiziert hat, obwohl er dies bestreitet. Man müsste also mittels Bildgebung ein ganz bestimmtes Erregungsmuster aus einer Menge von vielleicht 100 oder 1000 ähnlichen Bildern herausfiltern können. Bei einer Verlässlichkeit der eingesetzten Methode von 80 Prozent liegt der effektive Vorhersagewert, wenn es um "1 aus 100" geht, aber nur noch bei wenigen Prozent! Mit anderen Worten: Würde der Hirnscan 20-mal signalisieren, der Verdächtige habe die Waffe wiedererkannt, so wäre das nur in einem einzigen Fall korrekt – in den 19 anderen handelte es sich um Fehlalarm.
Doch ist das nicht bloß eine Frage der Messgenauigkeit? Je besser die Instrumente, desto größer auch die Zielsicherheit beim Gedankenlesen per fMRT. Hier kommt ein weiteres, oft unterschätztes Problem zum Tragen: die ungeheure Zahl neuronaler Verknüpfungen.
Forscher messen beim Neuroimaging Veränderungen der Hirndurchblutung in Volumeneinheiten, so genannten Voxel, einer bestimmten Größe (zum Beispiel 2 · 2 · 2,5 mm = 10 mm3) und analysieren dann Muster aus 500 bis 1000 solcher Voxel. Da sich die Großhirnrinde in unterschiedliche Funktionsbereiche aufgliedert, kann man aus der Aktivitätsverteilung einiges über den momentanen geistigen Zustand des Probanden ableiten.
Allerdings: Die biologischen Korrelate von Gedanken bestehen nicht in Änderungen des Blutflusses, sondern in Aktivitätszuständen komplexer neuronaler Netzwerke. Ein Kubikmillimeter Großhirnrinde enthält etwa 40 000 Neurone und gut 800 000 000 synaptische Kontakte. Nehmen wir an, das Wissen über eine Tatwaffe sei in einem Ensemble von Neuronen repräsentiert, das nur 1000 solcher Volumeneinheiten von je einem Kubikmillimeter umfasst – dann wären an diesem "Gedanken" rund 40 000 000 Neurone und 8 · 1011 Synapsen beteiligt.
Nehmen wir weiter an, dass die synaptischen Verschaltungen zehn verschiedene Zustände haben können, so ergibt das bereits 8 · 1012 potenzielle Muster. Entspräche ein bestimmter Gedankeninhalt nur einem dieser acht Billionen Muster, so mag man erahnen, welche immense Datenmenge zu verarbeiten ist, um es zu identifizieren. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist nichts dagegen!
Selbst wenn die räumliche Auflösung durch eine verbesserte Aufnahmetechnik auf einen halben Kubikmillimeter pro Voxel wüchse, könnte man Gedanken per funktioneller Bildgebung immer noch nicht entziffern; denn das gemessene Signal ist und bleibt ein indirektes – es lässt keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Schaltzuständen der Synapsen zu.
Da Neurone zudem dynamisch miteinander wechselwirken, sprechen wir bei alldem nicht von einem statischen Erregungsmuster, sondern einem über die Zeit ausgedehnten Prozess. Und hier stößt die Bildgebung, die nur phasenweise Durchblutungs-änderungen erfasst, an enge Grenzen. Als wäre das noch nicht genug, klafft auch eine erkenntnistheoretische Lücke: Ist es möglich, einen Gedanken eineindeutig auf ein neuronales Korrelat abzubilden? Bislang zumindest gibt es kein Modell, das solche Entsprechungen zwischen psychologisch und biologisch definierten Entitäten überzeugend beschreibt. Gedankenlesen im Wortsinn bleibt somit wohl bis auf Weiteres, was es ist: Sciencefiction!
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