Urteilsfehler: Der Zufall entscheidet mit
Ein professioneller Basketballspieler bereitet sich auf einen Freiwurf vor. Er steht an der Freiwurflinie. Er konzentriert sich – und wirft. Dies ist eine präzise Abfolge von Bewegungen, die er unzählige Male geübt hat. Trifft er?
Wir wissen es nicht, und er weiß es auch nicht. In der National Basketball Association verwandeln Spieler im Schnitt etwa drei Viertel ihrer Versuche. Dabei sind einige Spieler bekanntlich besser als andere, aber keiner trifft immer. Die Rekordhalter verwandeln etwas über 90 Prozent ihrer Freiwürfe (zurzeit sind dies Stephen »Steph« Curry, Steve Nash und Mark Price). Die schlechtesten haben eine Trefferquote von rund 50 Prozent. (Der große Shaquille O’Neal zum Beispiel verwandelte nur etwa 53 Prozent seiner Würfe.) Obgleich der Korb immer genau drei Meter hoch und 4,6 Meter entfernt ist und der Ball immer 625 Gramm wiegt, ist es nicht leicht, die genaue Abfolge der Gesten zu wiederholen, die erforderlich ist, um einen Treffer zu erzielen. Schwankungen der Trefferquote sind zu erwarten, nicht nur zwischen Spielern, sondern auch in Spielern. Der Freiwurf ist eine Art Lotterie; mit einer viel höheren Trefferwahrscheinlichkeit, wenn der Werfer Curry ist, als wenn er O’Neal ist – aber es bleibt eine Lotterie.
Woher kommt diese Variabilität? Wir wissen, dass zahllose Faktoren den Spieler an der Freiwurflinie beeinflussen können: die Erschöpfung durch ein langes Spiel, der mentale Druck eines knappen Spielstands, die anfeuernden Zurufe der Fans bei einem Heimspiel oder Buhrufe. Wenn jemand wie Curry danebenwirft, ziehen wir eine dieser Erklärungen heran. Aber tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass wir den genauen Stellenwert dieser Faktoren in Erfahrung bringen können. Die Schwankungen der Trefferquote eines Werfers sind eine Form von Noise (siehe »Zwei Fehler: Bias und Noise«).
Schwankungen der Trefferquote bei physischen Prozessen sind keine Überraschung. Wir sind die Variabilität in unserem Körper gewohnt: Unser Herzschlag, unser Blutdruck, unsere Reflexe, der Klang unserer Stimme und das Zittern unserer Hände sind zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich. Und wie sehr wir uns auch bemühen, immer wieder die gleiche Unterschrift hervorzubringen, ist sie jedes Mal ein bisschen anders.
Die Variabilität unserer Ansichten lässt sich weniger leicht beobachten. Selbstverständlich haben wir alle schon die Erfahrung gemacht, dass wir, auch ohne neue Informationen, unsere Meinung änderten ...
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