Krebs und Nervensystem: Eine unheilvolle Verbindung
In den 1990er Jahren beobachteten Krebsforscher ein merkwürdiges Phänomen: Männer mit Schäden im Rückenmark erkranken seltener an Prostatakrebs als jene ohne solche Verletzungen. Der Grund hierfür blieb lange unklar. Zu der Zeit herrschte die Auffassung, Nerven seien nur passive Zuschauer bei der Krebsentstehung. Dabei war bereits aus der Entwicklungsbiologie bekannt, dass embryonales Gewebe nur dann wächst, wenn Nervenenden sprießen. Gleiches gilt für die Regeneration abgetrennter Gliedmaßen bei Amphibien, wie man 200 Jahre zuvor festgestellt hatte.
Wie so oft halfen Tierexperimente, das Rätsel zumindest im Ansatz zu lösen. Als 2013 ein Team um Claire Magnon vom Albert Einstein College of Medicine in New York bei Mäusen die Nervenversorgung der Prostata kappte – indem es die Nerven durchtrennte oder mit einem Gift zerstörte – wuchs der Krebs langsamer und breitete sich zögerlicher im Körper der Tiere aus. Ähnliche Beobachtungen bei anderen Arten von Tumoren untermauern eine Idee, die in den letzten zehn Jahren immer mehr Unterstützung findet, nämlich die, dass das Nervensystem eine aktive Rolle bei Krebserkrankungen spielt.
»Cancer Neuroscience« nennt sich das neue Fachgebiet, über das sich seit Kurzem Neurowissenschaftler und Krebsforscher miteinander austauschen. »Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das Nervensystem sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gehirns entscheidenden Einfluss auf die Entstehung, das Fortschreiten und die Therapieresistenz von Tumoren nimmt«, erklärt Varun Venkataramani von der Universitätsklinik Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).
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