Verfahren und Prozeßketten zur Fertigung metallischer Bauteile und Werkzeuge
Ein Rapid Prototyping ermöglicht die schnelle Herstellung komplexer Modelle, Musterteile und Prototypen direkt auf der Basis von CAD-Daten ohne Formen und Werkzeuge. Kennzeichnend dafür ist, daß ein Werkstück nicht wie herkömmlich durch Abtrag, sondern durch Hinzufügen von Material geformt wird.
Das erste dieser Verfahren war die vor rund acht Jahren entwickelte Stereolithographie. Inzwischen erschloß eine zweite Generation mit anderen Techniken weitere Anwendungen. Trotz der Erfolge, die mit Rapid Prototyping im industriellen Einsatz bereits erzielt werden, hemmen derzeit verarbeitbare Werkstoffe die allgemeine Verbreitung: Funktions- und Festigkeitsprüfungen sind an den Modellen nur bedingt möglich, weil deren Materialeigenschaften in der Regel nicht denen des Serienprodukts entsprechen. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen entwickelt deshalb mit besonderen Forschungsanstrengungen Verfahren und Prozeßketten der dritten Generation für metallische Bauteile und Werkzeuge (Bild 1).
Metallabgüsse von Modellen
Ein vielversprechender Ansatz für die schnelle und kostengünstige Herstellung sowohl von Prototypen als auch von Einzelteilen und Kleinserien ist die Kombination von Rapid-Prototyping-Verfahren mit Metallgießverfahren wie dem Feinguß. Dabei verwendet man anstelle der traditionell aufwendig gefertigten wächsernen Modelle solche, die schichtweise aus Kunststoffen aufgebaut sind, taucht sie in ein Keramikbad, brennt die Form und gießt diese mit Metall aus.
Insbesondere die bei der Stereolithographie üblicherweise verwendeten Harze erwiesen sich im ausgehärteten Zustand bis etwa 390 Grad Celsius als temperaturstabil (konventionelle Wachse schmelzen bei 90 Grad aus), und die Modelle mußten ausgebrannt werden. Weil sich die Polymere bei Erwärmung aber zehnmal stärker ausdehnen als die Keramikwerkstoffe, brachen dabei häufig die Formschalen. Wenn nicht, beeinträchtigten Verbrennungsrückstände darin die Oberflächengüte der Feingußmodelle.
Erforderlich sind also neue Polymere, stabilere Hohlkonstruktionen massiver Bauteilstrukturen, ein modifizierter Schalenaufbau und die Optimierung der Ausbrenntechnik. In Zusammenarbeit mit dem Gießerei-Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen gelang es uns, mit konventioneller Stereolithographie hergestellte Bauteile als verlorene Modelle abzugießen, indem wir die Formen in stützendem Material lagerten, das Spannungen bei der temperaturbedingten Ausdehnung auffing. Bild 2 zeigt das so gefertigte Modell eines Kugellagerkäfigs mit zugehörigem Metallabguß; von Vorteil war hier auch die Dünnwandigkeit, denn massive Objekte dehnen sich im Verhältnis stärker aus.
Pulvermetallurgische Prozesse
Die direkte Herstellung funktionstauglicher Bauteile und Werkzeuge aus Metall kann Produktentwicklungszeiten noch weiter reduzieren. Eine Möglichkeit dazu ist, mittels Laserstrahlung pulverförmige Legierungen durch lokales Erhitzen zu einem massiven Körper zu formen. Dabei sind je nach Art der Pulverzufuhr und der Verbindungsmechanismen der eingesetzten Werkstoffe zwei Verfahrensvarianten zu unterscheiden:
- Beim Laser-Generieren wird das Zusatzmaterial kontinuierlich in die vom Strahl erzeugte Schmelze eingebracht, während es beim Laser-Sintern bereits als Layer mit definierter Dicke vorliegt.
- Beim Laser-Generieren verbindet sich neu zugeführtes Material mit der zuvor erzeugten Schicht nur, wenn das Metall schmilzt; beim Laser-Sintern ist das nicht erforderlich.
Das erste Verfahren entspricht mithin vom Prinzip her einem Beschichtungsprozeß. Beim Aufbau dreidimensionaler Strukturen werden einzelne Lagen neben- und aufeinander abgeschieden. Dank der exakt einstellbaren Brennfleckabmessungen und der gut dosierbaren Strahlintensität lassen sich auch dünnwandige Strukturen mit definierten Lagegeometrien reproduzierbar erzeugen. Dies ist für die Formgenauigkeit des Bauteils wesentlich (Bild 3).
Beim Sintern wird das Ausgangsmaterial schichtweise unter inerter Atmosphäre mit einer Nivellierwalze auf eine Trägerplattform aufgebracht. Der über eine Scannereinheit gesteuerte Laserstrahl sintert das Pulver lokal an den zur Bauteilstruktur gehörenden Bereichen (beim Sintern fließen nur die Oberflächen der Metallkörnchen ineinander). Das umliegende Pulver stützt dabei das Bauteil ab. Entsprechend der 3D-CAD-Geometrie wird so Schicht um Schicht verfertigt, während man die Trägerplattform zyklisch abwärts bewegt. Prinzip und Ablauf entsprechen im wesentlichen dem von der Firma DTM in Austin (Texas) Anfang der neunziger Jahre entwickelten Sinterprozeß zur Verarbeitung von Kunststoffen.
Auch die Pulver selbst sind Gegenstand der Forschung. Bei der indirekten Herstellung werden solche aus Metall mit Polymer gemischt beziehungsweise umhüllt, das im Laserstrahl zuerst schmilzt und somit die Metallkörnchen bindet. Während des anschließenden Aushärtens im Sinterofen erhält das Bauteil seine endgültige Festigkeit. Bei der anderen Variante strebt man die direkte Herstellung des Bauteils aus hochschmelzenden Metallen ohne Zusatz von Bindemitteln an.
Erste Resultate
Die Tauglichkeit des Laser-Sinterns hochschmelzender Metallpulver haben wir mit einem eigens errichteten Versuchsstand geprüft. Er besteht aus einem Neodym-YAG-Laser mit 300 Watt Ausgangsleistung, einer Scannereinheit mit einer maximalen Scangeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde, einem Wischersystem, um neu zugeführtes Pulver gleichmäßig auf der Oberfläche zu verteilen, und einer Prozeßkammer mit Schutzgaszufuhr und Hochleistungs-Infrarotstrahler.
Als Versuchswerkstoffe wurden ein rostfreies Stahlpulver und später zweiphasige Pulvergemische wie Kupfer und Selen, Kupfer und Selen-Blei-Lot sowie Bronze und Nickel verarbeitet. So konnte die Gußform für ein Schnappverbindungselement in etwa einer Stunde aus einer Bronze-Nickel-Legierung gefertigt werden (Bild 4).
Mit den beschriebenen Verfahrensvarianten ließen sich bisher sowohl dünnwandige als auch massive Bauteile aus verschiedenen metallischen Werkstoffen herstellen. Die Vision, Stahlbauteile buchstäblich wachsen zu lassen, ist also im Labor Wirklichkeit geworden. Für den industriellen Einsatz dieser Technik müssen nur mehr die Genauigkeit und die mechanischen Eigenschaften der Bauteile eingehender untersucht sowie die entsprechenden Anlagen und Prozesse optimiert werden.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1995, Seite 97
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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