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Müllentsorgung: Vermeiden, Verwerten, Verbrennen

Überall, wo Wirtschaftswachstum und Verstädterung im Eiltempo zunehmen, wird die Müllentsorgung zum drängenden Problem. Gefragt sind umweltfreundliche und wirtschaftlichere Recycling-Verfahren.


Hamburger, Pommes und Cola – auch wenn das Fast Food rund um die Welt nahezu gleich schmeckt, die Überbleibsel des Mahls gehen verschiedene Wege: In den Industriestaaten werden sie meist recycelt oder verbrannt, in Entwicklungs- und Schwellenländern landen sie bestenfalls auf der Müllhalde. Vielerorts fehlt eine geregelte Entsorgung und die Bewohner der Slums ersticken im Müll. Allein die Städte Asiens produzieren jeden Tag 760000 Tonnen feste Abfälle, für deren Entsorgung sie, aufs Jahr gerechnet, 25 Milliarden Dollar ausgeben. Bis zum Jahr 2025 werden sich diese Zahlen selbst nach konservativen Schätzungen mehr als verdoppeln.

In vielen Ländern seien die Stadtverwaltungen überfordert, nur mit Hilfe von außen werden sie ein vernünftiges Abfallmanagement aufbauen können, mahnt die Weltbank. Oberste Priorität habe das Schließen von Müllkippen und die Einrichtung von Deponien, die bestimmten Standards entsprechen müssen. Lars Mikkel Johannessen, der im Auftrag der Weltbank mehr als fünfzig Deponien in Entwicklungsländern besuchte, hat in Afrika, Asien und Lateinamerika meist das Gleiche zu bemängeln: Es werde zu oft Isoliermaterial zur Abdeckung, zum Beispiel Bauschutt, ausgebracht, was die Zirkulation und den Bioabbau behindere und unnötige Betriebskosten verursache. Auch würden die Sickerstoffe, wie vom Regen ausgewaschene Schadstoffe und Verrottungsprodukte, nur ungenügend behandelt. Das entstehende Gas entweiche ungenutzt in die Atmosphäre, obwohl es sinnvoll und technisch möglich sei, das Methan zu Produktionszwecken zurückzugewinnen. Und selbst bei Deponien, die über moderne Anlagen verfügten, würden diese nur selten genutzt, weil das Personal nicht genügend geschult sei oder die Betreiber die Stromkosten scheuten.

Umweltschützern wie Politikern ist allerdings längst klar, dass auch Abraumhalden nach besten westlichen Standards nicht ausreichen, um die wachsenden Abfallmengen zu bewältigen. Müllverbrennungsanlagen, die früher als Giftschleudern verschrien waren, haben sich inzwischen zu modernen und umweltschonenden Kraftwerken gemausert. In Entwicklungsländern sind sie allerdings weniger verbreitet: "Selbst wenn sie die Investitionskosten aus internationalen Fonds bestreiten, die Betriebskosten können sie nicht aufbringen", erläutert Dr. Eckhard Willing, Verwertungsspezialist im Umweltbundesamt. Das Verbrennen ist etwa zehnmal teurer als die Deponierung, die pro Tonne Müll rund zwanzig Mark kostet. "Ballungsgebiete wie Jakarta oder Manila werden aber Verbrennungsanlagen bauen müssen, denn Müllverbrennung bedeutet gleichzeitig Gesundheitsvorsorge. Für solche Länder ist die normale Rostfeuerung das Beste", betont Willing.

Mit dem Wandel zur Konsumgesellschaft setzt sich auch der Abfall anders zusammen: In 25 Jahren werden in armen Ländern Papier und Kartonagen, Glas und Metalle 22 Prozent des Müllbergs ausmachen (verglichen mit 8 Prozent heute und gleichbleibenden etwa 50 Prozent in reichen Staaten). Das Recyceln dieser Stoffe ist für alle Länder sinnvoll und bezahlbar, da sie andernfalls den steigenden Bedarf mit teuren Rohstoffen decken müssen. High-Tech-Verwertungsanlagen werden Entwicklungs- und Schwellenländer aber frühestens in zwanzig Jahren nutzen können, schätzt Eckhard Willing. Allerdings gibt es etwa in Indien und Pakistan seit Jahren eine unkoordinierte Wiederverwertung: Ganze Familien leben davon, Brauchbares aus dem Müll zu ziehen. Diese Arbeit der Müllpicker sollte legalisiert und in das Abfallmanagement integriert werden, empfiehlt die Weltbank den Kommunen; Abfall sollten sie als Ressource, statt als lokales Problem ansehen.

Eine besonders ökologische Müllverwertung bietet das Schwel-Brenn-Verfahren. Dabei wird der Müll zunächst nur auf 450 Grad erhitzt. Die festen, nicht brennbaren Anteile wie Eisen, Glas, Stein und Aluminium werden sortenrein abgetrennt. Die brennbaren Stoffe verschwelen zu Kohlenstaub und Prozessgas, die dann bei hoher Temperatur verbrannt werden. Endprodukt ist ein weiterverwendbares Schmelzgranulat. 1300 Grad Celsius garantieren eine Zerstörung organischer Schadstoffe wie Dioxine oder Furane. Von einer Tonne Müll bleiben so maximal dreißig Kilogramm Sondermüll übrig, der deponiert werden muss. In Deutschland wird dieses Verfahren nach einer Panne in der ersten großtechnischen Anlage in Fürth derzeit nicht genutzt. Japan verwertet seit 1998 Autoschredder-Reste in einer Schwel-Brenn-Anlage und plant weitere Anlagen zur Verschwelung von Hausmüll.

Europa setzt auf Müllvermeidung und Recycling – 220 Millionen Verbraucher in zehn Ländern kaufen Waren mit dem Grünen Punkt und zahlen damit schon beim Einkauf für die Wiederverwertung der Verpackung. Pünktlich zur Expo 2000 in Hannover hat eine erste vollautomatische Sortieranlage ihren Betrieb aufgenommen. Sortec 3.0 nennen die Aufbereitungstechniker von der HTP-Ingenieurgesellschaft und der RWTH Aachen ihre Neuentwicklung. Sie kann stündlich fünf Tonnen großer wie kleiner Leichtverpackungen nach Wertstoffen sortieren. In der High-Tech-Fabrik ist das ganze Arsenal moderner Sortiertechnik vereint: Rüttel- und Trommelsiebe, ein riesiger Fön (Windsichter), der Plastikfolien und Papier herausbläst, sowie Magnet- und Wirbelstromscheider, die Weißblech und Aluminium aussondern.

Auf Getränkekartons und Pet-Flaschen wartet ein Nahinfrarot-Spektrometer, das die Verpackung anhand ihrer Spektralanalyse erkennt und mit Hilfe von Druckluftventilen in die Sammelbehälter bläst. Nach einer nassmechanischen Aufbereitung werden die sortenreinen Kunststoffe zu marktfähigem Granulat oder Agglomerat veredelt. Bei Sortec 3.0 genügen sieben Mann Bedienungspersonal, um den Verpackungsmüll von einer Million Menschen aufzubereiten. "Ein Meilenstein auf dem Weg zur Kostensenkung beim Recycling", lobt Wolfram Brück, Vorstandsvorsitzender der Duales System Deutschland AG. Noch in den Kinderschuhen steckt die Kreislaufwirtschaft dagegen beim Elektroschrott, von dem allein in Deutschland jährlich rund zwei Millionen Tonnen anfallen (Spektrum der Wissenschaft 1/1998, S. 104).

Wohin mit dem Elektroschrott?


Eine jüngst beschlossene EU-Richt-linie nimmt die Computer- und Elektroindustrie jetzt in die Pflicht: Innerhalb von fünf Jahren müssen sie ausgediente Radios, Toaster oder PCs kostenlos zurücknehmen und umweltfreundlich entsorgen. Ziel sind Produkte, die nur aus wenigen, aber gut identifizierbaren und trennbaren Werkstoffen bestehen und ohne Problemsubstanzen wie Blei, Cadmium und Fluorchlor-Kohlenwasserstoffe auskommen.

Beispiele sind das vom Tastaturhersteller Cherry entwickelte Keyboard "Green Line", das nur noch aus wenigen Polymeren besteht, oder ein von Panasonic hergestellter MiniDiscPlayer, der kein Bleilot enthält. An einem viel versprechenden Verfahren zum Recyceln von Leiterplatten arbeitet das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie zusammen mit DaimlerChrysler. Mit "überkritischem" Wasser behandeln sie geschredderte Platinen: Bei 374 Grad und 221 bar wird Wasser zum aggressiven Lösungsmittel, das organische Verbindungen wie Epoxidharze und andere Kunststoffe in Kohlendioxid, Wasser und Bromid zerlegt. Anorganischen Stoffen wie Keramik und Glasfasern kann es fast nichts anhaben, sie werden abgetrennt und wiederverwertet.

Zeitungen, Joghurtbecher und Teebeutel kommen aber nur dann zu einem zweiten Leben, wenn die Bürger ihren Müll trennen. Wie die Erfahrungen der Industrieländer zeigen, tragen Infokampagnen und flächendeckende Containernetze schon nach wenigen Jahren Früchte. Selbst Müllweltmeister USA recycelt oder kompostiert inzwischen ein gutes Viertel seines städtischen Abfalls; in Deutschland gehen etwa vierzig Prozent in die Verwertung, ab 2005 sollen biologische Siedlungsabfälle überhaupt nicht mehr auf Deponien landen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2000, Seite 81
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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