Biochemie: Verschmähtes Silizium
Silizium ist – nach Sauerstoff – das zweithäufigste Element in der Erdkruste. Angesichts dessen erscheint es verwunderlich, dass vier Milliarden Jahre Evolution keine Lebewesen hervorgebracht haben, die Silizium in ihren Stoffwechsel einbeziehen. Zumal solche Anpassungen im Hinblick auf Metalle sehr häufig geschehen sind: Rote Blutkörperchen beispielsweise üben ihre physiologische Funktion ganz wesentlich mit Hilfe von Eisen aus, und Pflanzen bauen Magnesium in ihren Farbstoff Chlorophyll ein. Silizium als Halbmetall hingegen scheint nur in anorganischen Zellbestandteilen vorzukommen, etwa in den Hüllen der Kieselalgen (Diatomeen).
Forscher um Frances H. Arnold vom Caltech (USA) haben jetzt eventuell einen Weg gefunden, dieses Rätsel zu lösen. Sie züchteten E.-coli-Bakterien, die organische Verbindungen aus Kohlenstoff und Silizium produzieren. Dies gelang ihnen mit Hilfe eines Hämoproteins – eines Enzyms, das eisenhaltige Komplexe bindet. Es kommt normalerweise in Mikroben vor, die in heißen Quellen Islands leben. Hämoproteine sind bekannt dafür, über ihre eigentliche biologische Funktion hinaus verschiedene "nicht natürliche" Reaktionen zu katalysieren, bei denen instabile Kohlenstoffverbindungen namens Carbene als Zwischenstufen auftreten. Das ließ die Forscher vermuten, das Enzym könne unter Beteiligung von Carbenen auch Siliziumverbindungen entstehen lassen. Arnold und ihr Team isolierten das Gen für das Hämoprotein, schleusten es in E. coli ein und brachten die Bakterien so dazu, das Enzym herzustellen. Wurden diese nun noch mit siliziumhaltigen Nährstoffen gefüttert, bauten sie das Silizium tatsächlich in verschiedene organische Moleküle ein.
Im einem zweiten Schritt veränderten die Forscher das Hämoprotein, indem sie Mutationen in seinem Gen erzeugten. Dabei entstanden diverse Varianten, unter anderem solche mit deutlich höherer katalytischer Aktivität, also verbessertem Stoffumsatz. Diese sind wesentlich effizienter als bisher verwendete, künstliche Katalysatoren zum Herstellen von organischen Kohlenstoff-Silizium-Verbindungen.
Die Arbeit könnte dazu beitragen, neue Arzneistoffe zu entwickeln. Und sie hilft möglicherweise aufzuklären, warum Lebewesen sich so beharrlich "weigern", Silizium in ihren Stoffwechsel zu integrieren.
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