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Verschuldung und Raubbau in der Dritten Welt

Drückende Schuldenlasten können ein Entwicklungsland verleiten, seine natürlichen Ressourcen zu erschöpfen und die Umwelt zu zerstören. Dennoch besteht zwischen Zahlungs- und Umweltproblemen kein einfacher Zusammenhang.

Manche Umweltschützer behaupten, die Kreditvergabe an die Dritte Welt habe einen Teufelskreis von Verschuldung und Umweltzerstörung in Gang gebracht. Demnach würden die innenpolitischen Maßnahmen, die dortige Länder – oft unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds oder der Weltbank – ergreifen müssen, um ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, die Zerstörung der natürlichen Ressourcen beschleunigen; die Umweltverschmutzung wachse dadurch ebenso wie die Not der Armen, deren Entwurzelung weitere Umweltschäden verursachen könne. Viele Kritiker fordern deshalb, die Kreditgeber sollten ihre Darlehen abschreiben: Das Geld sei ohnehin nicht mehr einzutreiben, und ein Schuldenerlaß fördere eine nachhaltige Entwicklung.

Zwar ist Rückzahlung rein theoretisch nicht unvereinbar mit Zielen wie Vollbeschäftigung, stabilen Preisen, Wirtschaftswachstum oder gerechter Einkommensverteilung, doch in der Praxis hat sie ihnen geschadet. Darum nehmen die meisten Schuldnerstaaten noch mehr Kredite auf, obwohl das ihre Zwangslage nur verschärft. Weniger klar ist, ob dadurch auch unmittelbar die Umwelt geschädigt wird. Es gibt wenig empirische Indizien für einen signifikanten Zusammenhang zwischen Verschuldung und ökologischen Problemen. Manchmal verhindert die durch Schulden erzwungene Ausgabendisziplin sogar umweltschädliche Investitionen (Bild 1).

Die Schuldenkrise hat ihren Ursprung im Ölpreisschock von 1973, als sich die Energiepreise binnen Monaten fast verdoppelten. Die Banken wurden von den Einlagen der Erdölproduzenten geradezu überschwemmt und begannen nun den Entwicklungsländern (einschließlich Schwellenländern) förmlich Kredite aufzudrängen – zumal sie blind darauf vertrauten, daß Staaten ihre Schulden immer zurückzahlen. Diese wiederum nahmen nur zu gern die großzügig und zinsgünstig angebotenen Gelder in Anspruch. Doch als sich 1979 die Erdölpreise erneut verdoppelten, erhöhten die Industrienationen die Zinssätze, um ihre überhitzte Volkswirtschaft und damit die Inflation zu bremsen. Dies beschleunigte eine weltweite Rezession, welche die Nachfrage nach den in Entwicklungsländern produzierten Rohstoffen erstickte.

Infolge des Zinsanstiegs mußten die Schuldnerländer nun mehr für die großzügig getätigten Anleihen zahlen, hatten andererseits jedoch weniger Einnahmen aus Exporten. Viele konnten nicht einmal mehr den laufenden Verpflichtungen nachkommen, geschweige denn neue Kredite aufnehmen. Schuldentilgung wurde zum alles beherrschenden Ziel – mit entsprechenden Auswirkungen auf die staatlichen und privatwirtschaftlichen Ausgaben in den Entwicklungsländern; denn nur durch grundlegenden ökonomischen Wandel ließ sich dort die nötige harte Währung beschaffen. Seither zehrt in vielen Ländern die Rückzahlung von Schulden einen großen Teil der Einnahmen auf (Bild 2).


Export um jeden Preis

Meist wird der Zusammenhang zwischen Überschuldung und Umweltzerstörung mit der sogenannten Exportförderungshypothese begründet. Damit ein Land die zur Begleichung seiner Auslandsschulden nötigen Devisen zu erwirtschaften vermag, muß es Ressourcen von der Güterproduktion für den heimischen Markt abziehen und in Sektoren umleiten, die Exportgüter herstellen. Die Produktion von Exportgütern schädige aber, so die These, die Umwelt mehr als die von Waren für den Inlandsbedarf, und darum wirke sich eine Schuldenrückzahlung ökologisch negativ aus. Es gibt freilich von vornherein keinen triftigen Grund, einen solchen Unterschied anzunehmen, aber einige Umweltschützer bestehen dennoch darauf. Sie weisen beispielsweise auf die Möglichkeit hin, daß Staaten ganze Wälder vernichten, um Tropenholz zu schlagen oder Flächen für sogenannte cash crops (devisenbringende Ackerbauprodukte) zu gewinnen.

Doch nach den statistischen Daten aus zahlreichen Entwicklungsländern wird die Exportmenge mindestens genauso stark durch Sozialprodukt und Preisniveau beeinflußt wie durch Auslandsschulden. Raymond Gullison von der Universität Princeton (New Jersey) und Elisabeth C. Losos, derzeit am Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa (Panama), haben die Auswirkungen der Verschuldung auf die Holzexporte aus Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Paraguay, Peru, Kolumbien, Ecuador und Mexiko untersucht; sie fanden insgesamt nur geringe Korrelationen. Ausgerechnet in Paraguay, dem einzigen Land, in dem die Verschuldung sich signifikant auszuwirken schien, gingen wachsende Schulden mit vermindertem Einschlag einher.

Kürzlich fanden James R. Kahn von der Universität von Tennessee in Knoxville und Judith A. MacDonald von der Lehigh-Universität in Bethlehem (Pennsylvania) konkretere Indizien für eine Korrelation zwischen Schulden und Entwaldung, wobei allerdings spezifische Faktoren des jeweiligen Landes eine große Rolle spielten. Sie schätzen, daß ein Schuldenerlaß von 1 Milliarde Dollar die jährliche Abholzung um 51 bis 930 Quadratkilometer mindern dürfte. In Brasilien liegt sie derzeit bei mehr als 25000 und in Indonesien bei mehr als 6000 Quadratkilometern pro Jahr.

Die Entwaldung ist nur ein Aspekt der Umweltzerstörung in der Dritten Welt. Leider hat man die Folgen der Verschuldung für weitere Umweltindikatoren – etwa Verschmutzung, Rückgang biologischer Vielfalt oder Raubbau an anderen Ressourcen – bislang nicht untersucht.

Andere Zusammenhänge zwischen Schuldenrückzahlung und Umweltschäden sind weitgehend spekulativ. Einige Beobachter führen die Haushaltsstreichungen an, mit denen solche Staaten Mittel zur Finanzierung ihrer Schulden freizubekommen suchen. In Schwarzafrika gingen die Ausgaben für Gesundheit, Bildung und andere staatliche Dienstleistungen in den achtziger Jahren um mehr als 40 Prozent zurück; gleichzeitig stiegen die für Rückzahlungen stark an (Bild 3). Aber die Auswirkungen auf die Umwelt bleiben ungewiß.

Kürzungen von Staatsausgaben können zwar durchaus Vorhaben treffen, die eigens zum Schutz der Umwelt geplant waren, etwa Projekte zur Verbesserung der Wasserqualität oder der Kanalisation. Doch andererseits verhindern manche Streichungen vielleicht große kapitalintensive Projekte – wie den Bau von Staudämmen und Straßen –, deren verheerende Folgen für die Umwelt oft bei weitem die erhofften finanziellen Vorteile überwogen hätten. Der Verzicht auf kostspielige Straßenbauprogramme im brasilianischen Amazonas-Gebiet hat vermutlich die Entwaldung mit verlangsamt. Theoretisch können Kürzungen staatlicher Ausgaben somit der Umwelt sowohl nutzen als auch schaden.

Ebenso ungewiß ist, wie sich die Verschuldung auf spezifische Ausgaben für den Umweltschutz auswirkt. Einigen Ökonomen zufolge sollte die Qualität der Umwelt mit dem Sozialprodukt steigen. (Dieser sogenannte Kusnets-Kurven-Effekt beruft sich auf Simon Kusnets, den Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 1971; er beobachtete, daß in reicheren Nationen die Einkommen gleichmäßiger verteilt sind.) Umgekehrt wird eine enorm verschuldete Nation wahrscheinlich Mittel vom Posten Umweltschutz für dringlichere Probleme abzweigen.

Aber dies muß nicht unbedingt die Verschmutzung erhöhen: Viele Schuldnerländer haben wahrscheinlich von jeher wenig für Umweltschutz ausgegeben; darum dürfte sich eine Beschneidung dieses Budgets kaum auswirken. Mehr noch: Ein sich entschuldendes Land wird sich zwar wohl kaum strenge Umweltauflagen leisten können – aber vielleicht ebensowenig Güter mit umweltschädigender Produktion.

Denkbar ist freilich, daß fehlende oder nachlässig kontrollierte Umweltschutzbestimmungen sozusagen Verschmutzungs-Freiräume entstehen lassen – wie etwa in der Maquiladora-Zone im Norden Mexikos mit ihrer exportorientierten Fertigungsindustrie. Offenbar haben US-Firmen sich dort unter anderem wegen der niedrigeren Umwelt-Standards niedergelassen (siehe Spektrum der Wissenschaft, Januar 1994, Seite 40). In einer Untersuchung aus dem Jahre 1992 fanden Gene M. Grossman und Alan B. Krueger von der Universität Princeton allerdings kaum statistische Belege für diesen Zusammenhang. Sie meinen, vor allem Niedriglöhne und leichter Zugang zu den US-Märkten hätten die Investitionen angeregt. Alles in allem bleibt somit unklar, welchen Nettoeffekt reduzierte Inlandsausgaben auf Umweltverschmutzung und Ressourcenabbau haben.

Extreme Schuldenlast kann nicht nur ökologisch unvernünftige Exportanstrengungen oder Budgetkürzungen verursachen, sondern auch umweltschädliches Verhalten verstärken. In vielen Ländern hat der Abfluß von Geldern in den Schuldentilgungsdienst massive Arbeitslosigkeit und manchmal Wanderbewegungen von Armen ausgelöst, die Arbeit oder bestellbares Land, von dem sie sich wenigstens ernähren können, suchen. Kaum rentable Flächen und Fischgründe ohne eindeutige Besitzer haben oft Migranten angezogen, bis schließlich Böden und Fischbestände erschöpft waren. Allerdings wäre diese Überausbeutung ohnedies eingetreten – mangels etablierter Regeln für den Zugang zu Land, Wasser und anderen Ressourcen. Offenbar kennzeichnend für viele verschuldete Länder sind gemeinsam genutzte Ressourcen, ein hohes Maß an Wanderfeldbau auf Subsistenzniveau, Überweidung und sinkende Erträge. Unklare oder überhaupt keine festen Besitzverhältnisse haben oft die Auszehrung der Böden beschleunigt; das Durchsetzen von Eigentumsrechten hätte dies in vielen Fällen verhindert, weil ein Anreiz zu pfleglichem Wirtschaften geschaffen worden wäre.


Strukturelle Anpassung

Wenn sich ein Staat angesichts wachsender Verarmung gezwungen sieht, zusätzliche Darlehen aufzunehmen, muß er oft als Auflage sogenannte strukturelle Anpassungen seiner Volkswirtschaft durchführen: Subventionen abschaffen, Zölle aufheben und staatliche Unternehmen privatisieren. Ziel dieser Reformen ist, den Staaten einen Weg aus der Verschuldung zu zeigen, indem die auffälligsten wirtschaftlichen Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden.

Einige Beobachter behaupten, diese an strenge Auflagen geknüpften Programme würden den Regierungen erlauben, vordem unmögliche politische Veränderungen durchzusetzen, indem ihnen die internationalen Gremien gleichsam als politische Blitzableiter dienten. Andere wiederum meinen, die Auflagen würden alle anderen Ziele – insbesondere die ökologischen – der Schuldenrückzahlung unterordnen. Systematische Kürzungen in lebenswichtigen Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Ernährung (die in der Regel auf der Prioritätenliste der Regierungen höher stehen als die Umwelt) sprechen eher für die letztgenannte Ansicht. Demnach müßten sich in Ländern, die größere Anleihen mit strukturellen Auflagen erhalten haben, negative Auswirkungen auf die Umwelt feststellen lassen.

Doch die Indizien dafür sind uneindeutig. Nach Fallstudien des World Wildlife Fund zu Strukturprogrammen des Internationalen Währungsfonds in Mexiko, der Elfenbeinküste und in Thailand haben die Programme alles in allem der Umwelt genützt. In Thailand hat die Abschaffung indirekter Subventionen für Bewässerungssysteme dazu beigetragen, Wasserverschwendung und Bodenversalzung (eine Folge hoher Verdunstung) zu senken. Aber in Malawi, das seit 1979 vier Umstrukturierungspakete des Internationalen Währungsfonds und sechs Strukturanpassungskredite der Weltbank empfangen hat, fand das Londoner Overseas Development Institute weit mehr negative als positive Resultate. Auf den Philippinen förderten die Strukturanpassungen der achtziger Jahre nach einer Studie des World Resources Institute in der US-Bundeshauptstadt Washington die Überausbeutung natürlicher Ressourcen; die Folge waren verstärkte Schadstoff-Emissionen, massierte Verschmutzung und die Übervölkerung städtischer Gebiete.

Wohin das ökologische Pendel ausschlägt, scheint großenteils von den konkreten Kreditvereinbarungen und den jeweiligen Verhältnissen im Lande oder gar in einer Teilregion abzuhängen. Im Fall der Elfenbeinküste hat man die Kontrolle der Nahrungsmittelpreise und die Subventionen für Düngemittel und Pestizide auf ein Minimum heruntergeschraubt. Diese Veränderungen können die Bauern einerseits dazu bringen, umweltbelastende Anbauverfahren aufzugeben; andererseits können niedrigere Ernteerträge auch die Rodung verbliebener Waldbestände für neue Anbauflächen veranlassen. In Malawi haben die Abwertung der Landeswährung sowie Agrarreformen zu einer Ausdehnung des Tabakanbaus beigetragen und Anreize zur Kultivierung von beispielsweise Baumwolle und Hybridmais geschaffen; ihr Anbau wirkt aber in der Regel erosionsfördernd. Dennoch ist Malawi kein eindeutiger Fall: Unabhängig von der Strukturreform sind die Ressourcen des Landes durch eine massive Flüchtlingswelle aus Moçambique beispiellos beansprucht worden.

In anderen Teilen der Welt scheinen strukturelle Anpassungen sich eher günstig auf die Umwelt auszuwirken. Die maßgeblichen Programme beschneiden landwirtschaftliche Subventionen, die letztlich oft Entwaldung und Bodenerosion gefördert haben. Zum Beispiel gewährte Brasilien bis Ende der achtziger Jahre Steuervorteile für die Rodung von Wäldern und gab zinsgünstige Darlehen für Ackerbau- und Viehzucht-Projekte. Meist deckten diese staatlichen Anreize zu zwei Dritteln die Kosten von Viehzuchtfarmen, die bis 1980 für 72 Prozent der Entwaldung im brasilianischen Amazonas-Gebiet verantwortlich waren (siehe Spektrum der Wissenschaft, Juni 1990, Seite 122). Nachdem die Regierung gegen Ende der achtziger Jahre viele Rodungssubventionen gestrichen hatte, verlangsamte sich der Prozeß. Das brasilianische Amazonas-Gebiet ist außerdem ein Beispiel dafür, daß öffentliche Investitionen in die Infrastruktur – etwa für den Straßenbau – mit Wanderungsbewegungen in Gebiete, die wenig zur Landwirtschaft taugen, einhergehen und dadurch Entwaldung, Erosion und andere Schäden verursachen (Bild 4).

Auch Subventionen des Energieverbrauchs zu kürzen könnte für die Umwelt in Entwicklungsländern vorteilhaft sein. Global beliefen sich die Ausgaben hierfür 1990 auf 230 Milliarden Dollar, wie Anwar M. Shah und Björn K. Larsen von der Weltbank errechnet haben. Ihre Streichung könnte den Ausstoß von Kohlendioxid (dem wichtigsten Treibhausgas) um 9,5 Prozent senken, und die freiwerdenden Gelder kämen der wirtschaftlichen Entwicklung zugute. Die Entwicklungsländer verfügen in der Tat über viele Ressourcen, die sie nur besser nutzen müßten, um ihre Auslandsschulden ohne Kappen des Inlandsverbrauchs tilgen zu können.

Strukturanpassungsprogramme wirken sich unter Umständen auch in anderer Weise vorteilhaft aus. Seit kurzem werden Struktur-Kredite mit der Auflage vergeben, daß die Regierung die Frage des Grundbesitzes klären muß. Das sollte die Umweltzerstörungen mindern, die ansonsten durch die gemeinsame Nutzung von Land verursacht werden, für das niemand sich verantwortlich fühlt.


Schuldenerlaß

Insgesamt läßt sich demnach nicht schlüssig belegen, wie weit die Schuldenerstattung mit den Umweltproblemen in der Dritten Welt zusammenhängt. Unbestreitbar ist aber, daß sie der Hauptgrund für drastische Kürzungen der Pro-Kopf-Sozialausgaben in diesen Ländern ist; spricht dies nicht deutlich für einen Schuldenerlaß? Auf den Finanzmärkten wechseln Schuldverschreibungen von Entwicklungsländern oft für einen Bruchteil ihres Nennwerts den Besitzer. Dies zeigt schon, wie wenig die Banken damit rechnen, die Darlehen je vollständig zurückgezahlt zu bekommen.

Aus zwei einfachen Gründen schreiben die Banken solche Außenstände dennoch nicht völlig ab. Erstens entstünde ein moralisches Risiko: Ein totaler Erlaß könnte die Länder ermuntern, sich in der Erwartung, nie zur Kasse gebeten zu werden, noch mehr zu verschulden. Dieser Verfall der Kreditmoral würde offensichtlich weitere Bankvermögen gefährden. Zweitens kann man nie wissen: Da die schwache Möglichkeit besteht, daß ein Schuldnerland aufgrund unerwartet günstiger Entwicklungen eines Tages wieder zahlungsfähig wird, ist keine Bank interessiert, sich selbst der Möglichkeit zu berauben, von einer unverhofften Glückssträhne des Schuldners zu profitieren.

Umgekehrt bringt es wenig, eine vertraglich vereinbarte Schuld, die das betroffene Land höchstwahrscheinlich ohnedies nicht begleichen kann, nur teilweise zu senken. Dies reduziert weder seinen aktuellen Geldbedarf, noch erleichtert es den Erhalt neuer Kredite. Als Bolivien 1988 34 Millionen Dollar aufbrachte, um von seinen Schuldverschreibungen einen Anteil von 308 Millionen zurückzukaufen, stieg der Kurs der restlichen Papiere von 6 auf 11 Cent pro ausgestelltem Dollar. Dadurch sank der effektive Wert der Verschreibungen von 40,2 Millionen Dollar (670 Millionen, Stand 6 Cent pro ausgestelltem Dollar) auf gerade 39,8 Millionen (362 Millionen, Stand 11 Cent), also um lediglich 400000 Dollar.

Das gleiche gilt auch für andere Entschuldungsverfahren, etwa sogenannte debt-for-nature swaps (Schulden-gegen-Naturschutz-Tauschgeschäfte). Bis 1992 hatten sich 17 Staaten daran beteiligt: Geldgeber zahlten 16 Millionen Dollar als Ausgleich für fast 100 Millionen Dollar Schulden in Entwicklungsländern; im Gegenzug sollten dort Nationalparks und andere Umweltschutzprojekte realisiert werden. Zwar bewahren solche Tauschgeschäfte manche ökologisch gefährdeten Regionen vor Schlimmerem, doch die nominell starke Senkung verändert die reale Belastung für die Schuldendienste kaum. Tatsächlich haben solche Staaten unter Umständen sogar mehr als erwartet rückgezahlt.

Somit scheint übermäßige Verschuldung unweigerlich eine radikale Umstrukturierung der Volkswirtschaft zu verursachen. Da die Wirtschaftspolitik entscheidend die Nutzungsweise natürlicher Ressourcen mitbestimmt, wirkt sie sich zwangsläufig auf die Umwelt aus. Nur läßt sich kaum vorhersagen, ob eine bestimmte Veränderung ökologisch schaden oder nützen wird.

Soweit ein Zusammenhang zwischen Verschuldung und Umweltzerstörung besteht, beruht er im wesentlichen auf den Programmen zur Strukturanpassung – insbesondere der Forderung, für Subventionen und andere Staatsausgaben vorgesehene Mittel zur Rückzahlung zu verwenden. Trotzdem hat die Umweltzerstörung in der Dritten Welt wahrscheinlich größtenteils andere Gründe als den Schuldentilgungsdienst. Die strukturelle Anpassung ist berechtigter aus humanitären Gründen zu kritisieren: Statt die Arbeitslosigkeit zu lindern und die Einkommen gerechter zu verteilen, haben die Preisreformen – insbesondere durch das Streichen von Subventionen für Nahrungsmittel und Brennstoffe – die Armen am härtesten getroffen.

Da zwischen Tilgung und ökologischen Zerstörungen ein bestenfalls geringer Zusammenhang besteht, wäre der Versuch, die Umwelt durch Schuldenerlaß zu schützen, vermutlich erfolglos. Am wirksamsten begegnet man Problemen wie Verschmutzung und Entwaldung, indem man individuelle Besitztitel auf bislang frei zugängliche Ressourcen schafft, umweltschädliche Subventionen streicht, marktwirtschaftliche Mechanismen zur Verschmutzungskontrolle einrichtet (so daß die Erzeuger giftiger Substanzen für deren Folgen zahlen) und Hilfsgelder nur gezielt zum direkten Schutz von global bedeutsamen Umweltgütern einsetzt.

Zweifellos erzeugt der Geldabfluß von Süden nach Norden in den Entwicklungsländern Armut und Unterernährung; er hemmt den Aufbau des Gesundheits- und Bildungswesens. Diese Folgen sind ein überzeugendes Argument für Schuldenerlässe. Aber ein Allheilmittel gegen die Umweltzerstörung wäre damit nicht gefunden.

Literaturhinweise


– A Fate Worse Than Debt. Von Susan George. Penguin Books, 1989.

– The Environmental Effects of Stabilization and Structural Adjustment Programs: The Philippines Case. Von W. Cruz und R. Repetto. World Resources Institute, 1992.

– Structural Adjustment and the Environment. Von D. Reed. World Wide Fund for Nature/Westview Press, 1992.

– Africa's Recovery in the 1990's, from Stagnation and Adjustment to Human Development. Von G.A. Cornia, R. van der Hoeven und T. Mkandawire. St. Martin's Press, 1993.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1995, Seite 32
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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