Sozialgeschichte des Fahrrads: Vom Adelsspielzeug zum Massenverkehrsmittel
Als der Freiherr Karl von Drais am 12. Juni 1817 in Mannheim zur ersten Ausfahrt mit der von ihm konstruierten Laufmaschine aufbrach, war ihm eine epochale Erfindung gelungen (siehe "Karl Drais – das vergessene Genie", S. 62). Aber obgleich Drais nicht nur bei der Konstruktion seines Urfahrrads, sondern auch bei dessen Vermarktung beträchtliche Fantasie aufbrachte, blieb der kommerzielle Erfolg aus. Ein vom badischen Großherzog, seinem Taufpaten, für zehn Jahre gewährtes "Erfindungs-Patent" galt außerhalb Badens nichts. Vielerorts griffen Nachahmer die Idee begeistert auf, ohne auf den Urheber Rücksicht zu nehmen.
Für wie viele Geräte Drais den Kaufpreis oder zumindest eine Lizenzgebühr kassiert hat, ist nicht verlässlich zu ermitteln. Die wenigen erhaltenen Exemplare mit einer Lizenzplakette stammen aus dem Besitz des europäischen Hochadels – wenig erstaunlich bei den Preisen. Eine beim Erfinder bestellte Laufmaschine mit höhenverstellbarem Sitz und ebensolcher Lenkvorrichtung sollte 50 Gulden kosten, so viel, wie mancher Schullehrer in einem ganzen Jahr verdiente.
Davon abgesehen hatten die meisten Zeitgenossen 1817 andere Sorgen. Hinter ihnen lagen die seit 1792 andauernden Koalitionskriege zwischen Frankreich und seinen Rivalen, die Auflösung des Heiligen Römischen Reichs und die von Napoleon angestoßene politische und territoriale Neugliederung Europas. Das "Jahr ohne Sommer" 1816 mit seinen massiven Ernteausfällen hatte in Süddeutschland eine Hungersnot zur Folge ...
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