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Vom Panama-Isthmus zum Grönlandeis

Messungen an Bohrkernen vom Meeresboden der Karibik zeigen, wann genau und wie sich durch die Schließung der Meerenge von Panama vor 13 bis 1,9 Millionen Jahren die Strömungsverhältnisse im Atlantik änderten – mit gravierenden Folgen für das Weltklima.


Vor etwa 3,1 Millionen Jahren kühlte die Erde dramatisch ab. Eine permanente Eiskappe überzog fortan die Nordpolarregion, und 400.000 Jahre später bedeckten erstmals kilometerdicke Eisschilde außer Grönland auch große Teile Skandinaviens, Nordasiens und Nordamerikas. Seitdem hat sich der Pulsschlag des Klimas auf einen fortwährenden Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten eingependelt – bei insgesamt eher niedrigen Temperaturen.

Was war die Ursache dieses spektakulären Übergangs zum heutigen Eiszeitalter (wobei wir das Glück haben, in einer vorübergehenden Warmphase zu leben)? Schon lange wurde ein Zusammenhang mit der Schließung des Isthmus von Panama vermutet, der einst Nord- und Südamerika trennte. Das Verschwinden dieser Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik könnte das ozeanische Strömungsmuster und damit zugleich das irdische Klimasystem grundlegend geändert haben. Heute treiben regionale Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt des Oberflächenwassers ein gewaltiges globales Förderband an, das die Ozeane großräumig umwälzt (Bild 1). Diese thermohaline Zirkulation sollte, wie Computersimulationen von Ernst Meier-Reimer, Uwe Mikolajewicz und Tom Crowley am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg ergaben, bei einer offenen Meeresstraße zwischen Nord- und Südamerika sehr viel schwächer gewesen sein. Davon war insbesondere auch der Golfstrom betroffen, der Nordeuropa ein relativ mildes und feuchtes Klima beschert.



Spurensuche im Sediment



Der Isthmus von Panama hatte sich vor etwa 2,7 Millionen Jahren offenbar vollständig geschlossen; denn zu diesem Zeitpunkt fand der erste Austausch von terrestrischen Säugetieren zwischen den beiden Halbkontinenten statt. Allerdings ist zu vermuten, daß die Wasserzirkulation zwischen Atlantik und Pazifik über die sich einschnürende Meerenge hinweg schon früher eingeschränkt war. So stellte Lloyd Keigwin von der Oceanographic Institution in Woods Hole (Massachusetts) durch Vergleich von Sedimentprofilen aus dem äquatorialen Pazifik und der Karibik 1982 bereits fest, daß vor etwa 4,6 Millionen Jahren der Salzgehalt in den obersten Meeresschichten der Karibik anzusteigen begann. Offenbar konnte nur mehr wenig salzreiches Oberflächenwasser aus dem äquatorialen Atlantik in den Pazifik abfließen. Der Isthmus dürfte demnach kaum noch tiefer als 100 Meter gewesen sein.

Indem wir die chemische Zusammensetzung der Kalkschalen von Mikrofossilien aus karibischen Meeressedimenten untersuchten, konnten wir diese Schlußfolgerung nun bestätigen und nachweisen, daß die Schließung der Meerenge von Panama tatsächlich vor 4,6 Millionen Jahren jenes kritische Stadium erreichte, in dem die ozeanische Zirkulation umschlug und so letztlich die Voraussetzungen für den Übergang zu kälteren Klimabedingungen auf der Nordhemisphäre schuf. Als Untersuchungsmaterial diente uns einer der teilweise mehr als 1000 Meter langen Bohrkerne, die im Rahmen des internationalen Ocean Drilling Program (ODP) mit dem Bohrschiff "Joides Resolution" geborgen worden sind.

Seit Jahrmillionen ist der Golfstrom ein wesentlicher Teil des atlantischen Zirkulationssystems, von dem an der Meeresoberfläche warmes, salzreiches Wasser aus dem Süd- bis hoch in den Nordatlantik befördert wird – teilweise auf dem Umweg über die Karibik. In der Norwegisch-Grönländischen und der Labrador-See kühlt es unter dem Einfluß arktischer Winde stark ab, sinkt in lokalen Konvektionszellen bis zu drei Kilometer unter die Oberfläche und strömt als nordatlantisches Tiefenwasser bis weit in den Südatlantik zurück. Im Bereich des Südpolarmeeres wird es schließlich in den zirkumantarktischen Strömungsring eingespeist und breitet sich weiter in den Indik und Pazifik aus.

Im Gegenzug fließt im Atlantik in mittleren Meerestiefen antarktisches Zwischenwasser nach Norden und strömt zusammen mit oberem nordatlantischen Tiefenwasser über 1600 bis 1900 Meter tiefe Passagen in die Karibik ein (Bild 2). Vor allem der Beitrag von frischen, carbonat-gesättigten nordatlantischen Wassermassen sorgt heute für eine gute Erhaltung der Kalkgehäuse von Mikrofossilien in den karibischen Sedimenten. Bei einer offenen Meeresverbindung mit dem Pazifik sollte dieser Anteil hingegen geringer sein und carbonat-armes antarktisches Zwischenwasser dominieren, das kalkige Mikrofossilien mit der Zeit auflöst. Entsprechend wäre ein deutlich geringerer Carbonatgehalt der karibischen Sedimente zu erwarten. In den Proben, die wir am GEOMAR analysiert haben, sollten sich Änderungen der Strömungsverhältnisse und der Meerwasserchemie, die durch die Schließung des Isthmus von Panama eingeleitet wurden, mithin detailliert widerspiegeln.

Tatsächlich enthalten die vor mehr als 4,6 Millionen Jahren abgelagerten karibischen Sedimente nur wenig Kalk (siehe Kasten auf Seite 36). Offenbar standen sie also mit Wasser in Kontakt, das an Carbonat untersättigt war. Dafür spricht auch das ungewöhnlich niedri-ge Verhältnis der beiden Kohlenstoff-Isotope mit den Massen 13 und 12 in den wenigen erhaltenen Kalkschalen.

Vergleichbar niedrige d13C-Werte finden sich heute im schlecht durchlüfteten Südatlantik, während sich das frische nordatlantische Tiefenwasser durch einen relativ hohen Anteil an Kohlenstoff-13 auszeichnet. Das liegt daran, daß das Kohlendioxid in einer Wassermasse, die lange vom Kontakt mit der Luft abgeschnitten war, hauptsächlich aus der Oxidation von abgesunkenem Phytoplankton stammt, das seinerseits bei der Photosynthese bevorzugt das leichtere Isotop Kohlenstoff-12 aufgenommen hat. Wie die Sedimentdaten aus dem frühen Pliozän belegen, wurde die Chemie der karibischen Tiefenwässer damals also hauptsächlich durch den Zustrom südatlantischer Wassermassen bestimmt.

Infolge der zunehmenden Abschnürung der mittelamerikanischen Meeresstraße und der dadurch bedingten Einschränkung des Wasseraustausches zwischen Atlantik und Pazifik begann sich vor 4,6 Millionen Jahren jedoch der Golfstrom zu verstärken. Dadurch erwärmte sich die Nordhemisphäre, und die Bildung von nordatlantischem Tiefenwasser in der Norwegisch-Grönländischen und der Labrador-See beschleunigte sich, bis sie vor 3,6 Millionen Jahren einen ersten Höhepunkt erreichte. Dies zeigt sich an einem sprunghaften Anstieg der d13C-Werte und der Carbonatgehalte von karibischen Sedimenten seit 4,6 Millionen Jahren (siehe Kasten auf Seite 36).



Astronomische Faktoren



Durch den verstärkten Zustrom von Wassermassen aus tropisch-subtropischen Breiten fielen im nordatlantischen und arktischen Raum mehr Niederschläge. Damit war erstmals eine für das Wachstum polarer Eisfelder notwendige Randbedingung erfüllt: hohe atmosphärische Feuchte und Niederschlagsraten. Doch fehlte noch die zweite Voraussetzung: kalte Sommer, in denen der im Winter gefallene Schnee nicht wieder abschmilzt und sich über die Jahre in permanentes Eis umwandelt.

Der saisonale Temperaturunterschied zwischen Sommer- und Winterhalbjahr wird im wesentlichen durch die Neigung der Erdachse zur Sonne bestimmt. Sie schwankt mit einer Periode von 41000 Jahren. Zugleich aber ändert sich die Amplitude dieser Schwankung über Zeiträume von Jahrmillionen (siehe Kasten). Vor 3,1 Millionen Jahren hatte sie astrophysikalischen Berechnungen zufolge schließlich soweit zugenommen, daß die Sommermonate im hohen Norden wegen des geringen Neigungswinkels der Erdachse zunehmend kühler wurden. Damit konnte eine anhaltende Vereisung in den Polarregionen den Umschwung zu einem insgesamt kälteren Weltklima einläuten.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1998, Seite 32
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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