Vor 50 und vor 100 Jahren
1949
Nobelpreis Medizin. Gar manchem wird zum erstenmal durch die Verleihung des Nobelpreises für Physiologie und Medizin 1949 an den Neurophysiologen Walter R. Hess klar werden, was er geschaffen hat ... eine Methodik zur genau lokalisierten, elektrischen Reizung, zur anschließenden, umschriebenen thermischen Ausschaltung von Bahnen und Zentren, zur Festhaltung der Reizergebnisse durch die Kinematographie... Es war ein Erlebnis, in dem kleinen Laboratorium des Obergeschosses des Züricher Institutes durch elektrische Reizung einer umschriebenen Zone des Zwischenhirnes das Einschlafen einer Katze demonstriert zu bekommen oder die blitzartige Ausschaltung bestimmter Zentren in ihren Folgen beobachten zu dürfen. (Deutsche Medizinische Wochenschrift, 75. Jg., Nr. 47, 25. November 1949, S. 1446)
Erweiterung der klassischen Thermodynamik. Nach Überlegungen des französischen Forschers J. Prigogine, die den bisherigen Anschauungen zum Teil widersprechen, ist die klassische Thermodynamik ein zwar bewundernswertes, aber nur einen Teil der Erscheinungen umfassendes Lehrsystem... So hat sich die klassische Theorie für manche Probleme der Elektrochemie, der Wärmediffusion, des osmotischen Drucks und vor allem für die Beschreibung von Vorgängen des organischen Lebens als unzureichend erwiesen. Bei irreversiblen Prozessen und offenen Systemen kann die Entropie entgegen dem zweiten Wärmesatz auch abnehmen. Diese Abweichungen können geradezu als Kennzeichen der lebenden Welt betrachtet werden, die nicht wie die unbelebte einen Zustand des Ausgleichs aller Differenzen und eine rein zufallsmäßige Unordnung anstrebt, sondern in ihrer Entwicklung auf eine größere Ordnung und Differenzierung herauszulaufen scheint. (Die Umschau, 49. Jg., Heft 21, 1. November 1949, S. 666)
Cortison gegen Gelenkrheumatismus. Hench von der Mayo-Klinik in Rochester (USA) ... gelang es, in einem schon seit mehreren Jahren bekannten Hormon (Oxydehydrocorticosteron) einen Stoff zu finden, der ... Gelenkrheumatismus in überraschend günstiger Weise beeinflußt. Kranke, die seit Jahren das Bett nicht mehr verlassen konnten und unter heftigen Schmerzen litten, waren nach 2-3wöchiger Behandlung in der Lage, mehrstündige Spaziergänge zu machen. Da das Hormon sehr schwierig herstellbar ist und es ferner laufend in relativ hoher Dosierung zugeführt werden muß, ... ist es zur Zeit noch fast unerschwinglich. Schon eine kurzfristige Behandlung würde mehr als 100000 DM kosten. (Die Umschau, 49. Jg., Heft 21, 1. November 1949, S. 667–668)
Walkie-Talkie beschleunigt Vermessungsarbeiten um 50 Prozent. Als die amerikanischen Invasionstruppen an der bretonischen Küste Brückenköpfe errichteten, waren sie in ständiger radiotelephonischer Verbindung mit den Kommandostellen. Ein niedlicher Beiname wurde für diese Einrichtung erfunden: „Walkie-Talkie“, abgeleitet von „Walk as you talk“, was heißt: Sprich, während du gehst. Sie hat nun in zivile Beschäftigungen (wie Vermessungsarbeiten) Eingang gefunden... Die zusätzliche „Behinderung“ durch ein siebenpfündiges neues Gerät, das der Vermessungsingenieur umgeschnallt hat, wird weit kompensiert durch seine verblüffenden Vorteile. Der Mann am Instrument ist in ständiger radiotelephonischer Verbindung mit dem Meßgehilfen, so daß das Einvisieren auf lange Distanzen zur Spielerei wird. (Schweizerische Technische Zeitschrift, Nr. 44, 3. Nov. 1949, S. 715)
1899
Künstliche Eisbahnen. Das Kälte erzeugende Mittel bildet flüssige Kohlensäure, durch deren Verdampfung das Wasser zum Gefrieren gebracht wird. Das Wasser befindet sich in einer Anzahl seichter Tröge, in welche die Kohlensäuredämpfe geleitet werden. Man erhält dadurch eine vollkommen glatte Eisschicht, deren Dichtigkeit von der Maschinenkraft abhängt. Es kann das Eis so hart gemacht werden, dass sich darauf gar nicht Schlittschuh laufen läßt, so gross ist die Kälte, die durch die Verdampfung der flüssigen Kohlensäure erzeugt wird; die Maschinen gestatten es jedoch, die Härte des Eises nach Belieben zu reguliren. (Zeitschrift für die gesammte Kohlensäure-Industrie, V. Jg., Nr. 21, 10. November 1899, S. 544)
Goubet’s verbessertes Unterseeboot. Eine Aufgabe von Wichtigkeit ist das Einhalten der Einstellungstiefe, beziehungsweise das Vermeiden von Tiefenschwankungen, soweit dies im Bereich des Möglichen liegt. Da die Ursachen, welche solche Schwankungen erzeugen, sacht und wenig merklich auftreten, muß auch die Steuerung des Wechsels für das Einnehmen und Auslassen des Wasserballastes demgemäß bedient werden. Dies geschieht mit Hilfe eines sinnreichen, automatisch wirkenden Apparates. Letzterer besteht im Wesentlichen aus einem Manometer, der entsprechend der vom Boote eingehaltenen Tiefe den Wasserdruck angiebt, wobei der Zeiger über einen Contactbogen schleift und hierdurch den Strom regulirt, welcher die Antriebsmaschine der Wasserballastpumpe speist. (Der Stein der Weisen, 22. Bd., 1899, S.320)
Eine neue Blitzlampe. Bei jeder Blitzlichtaufnahme muss das Licht von der Höhe kommen, damit einerseits die Augen nicht zu sehr durch das Licht geblendet werden ..., andererseits ... keine zu breiten Schlagschatten entstehen. Dies wird bei den Weiss’schen Lampen auf sinnreiche Weise dadurch erzielt, dass man sie leicht auf einen Stock oder Schirm aufschrauben kann und den Mechanismus, während man den Stock in die Höhe hält, durch eine Schnur von unten aus bethätigt. Nicht wie bei anderen Lampen wird das Magnesiumpulver durch eine brennende Flamme geblasen, wodurch häufig Versager eintreten, sondern ein kleines Quantum Magnesiumpulver wird an den Rand des Apparates gestreut... In eine Feder wird ein Zündholz geklemmt, das beim Anziehen der Schnur an einer Reibfläche vorbeischnellt, sich entzündet und das Magnesiumpulver entflammt. Der aufgeklappte Deckel des Apparates dient dabei zugleich als Reflektor. (Die Umschau, III. Jg., Nr. 46, 11. November 1899, S. 915)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1999, Seite 99
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