Vor fünfzig und vor hundert Jahren
1949
Der Virus der spinalen Kinderlähmung. Anfang 1947 meldeten die Doktoren Loring und Schwerdt von der Stanford-Universität in Kalifornien, daß sie den Virus der spinalen Kinderlähmung in beinahe reinem Zustand zu 80 Prozent erhalten hätten; nunmehr erklärt nach dem Bericht einer französischen Zeitung der Direktor der Universität von Minneapolis (Minnesota), daß die bakteriologische Abteilung dieser Universität kurz vor der Isolierung des Virus stünde. (Kosmos, 45. Jg., Heft 2, Februar 1949, Seite 82)
Eine Triode aus Halbleitern. Es wird eine Anordnung beschrieben, die auf einem völlig neuen Prinzip beruht und die in vieler Hinsicht die Funktionen einer normalen Vakuumtriode übernehmen kann, obwohl sie keine evakuierte Hülle hat. Sie wird in den USA als Transistor bezeichnet und besteht in ihrer augenblicklichen Form aus einem Metallzylinder von 3/16 Zoll Durchmesser und 5/8 Zoll Länge, in dessen Innerem sich eine Platte aus Germanium befindet, die auf eine metallene Unterlage gelötet ist. Auf der Oberfläche sitzen zwei Wolframdrähtchen von etwa 0,05 mm Durchmesser im Abstand von ebenfalls 0,05 mm. Wenn man ein Eingangssignal in Reihe mit einer kleinen positiven Vorspannung an den einen Spitzenkontakt, die Eingangs- oder Emissionselektrode, legt und das zweite Drähtchen über einen Ausgangswiderstand und eine große negative Vorspannung mit der metallischen Basis verbindet, so ergibt sich eine Verstärkeranordnung, die eine Leistungsverstärkung von 100 (20 db) erreicht. (Elektrotechnische Zeitschrift, 70. Jg., Heft 2, Februar 1949, Seite 66)
Chemische Ursache der Tomatenwelke. Der Erreger der Tomatenwelke ist seit langem bekannt: es ist ein Pilz, Fusarium lycopersici. Man hat ihn außerhalb seiner Wirtspflanze in künstlichen Nährlösungen kultiviert. Dadurch hatte man derartig viel Material zur Verfügung, daß man durch chemische Aufarbeitung einen Stoff isolieren konnte, der den Namen Lycomarasmin erhielt. Bringt man 1 g dieses Stoffes in 1 Liter Wasser und stellt in diese Lösung frische gesunde Tomatenzweige hinein, dann tritt nach kurzer Zeit Welken ein... In welcher Weise der Welkestoff das krankhafte Welken herbeiführt, ist noch Gegenstand weiterer Versuche. Es scheint, als ob durch das Lycomarasmin das Plasma geschädigt und auf diese Weise der Wasserhaushalt der Zellen verändert wird. (Die Umschau, 49. Jg., Heft 3, 1. Februar 1949, Seiten 88 bis 89)
Ein neuer Fluor enthaltender Kunststoff ist das Fluorothene, das durch Polymerisation von Trifluormonochloräthylen im Autoklaven bei niedrigen Temperaturen gewonnen wird. Durch sehr langsames Abkühlen wird dieser neue Kunststoff sehr hart und kann für Maschinenteile, die starken fressenden Säure- oder Alkali-Dämpfen ausgesetzt sind, sowie für Röhren, Transportgefäße und Eßgeschirr verwendet werden. Durch kräftiges und lang andauerndes maschinelles Kneten wird Fluorothene weich und plastisch. In dieser Form kann es teilweise als Gummiersatz und für ähnliche Zwecke verwendet werden. (Orion, 4. Jg., Heft 3/4, Februar 1949, Seite 148)
1899
Sauerstoff für die Medicin. In der medicinischen Praxis dürfte sich der Sauerstoff bald einbürgern. Bei Vergiftungen durch Leuchtgas oder Kohlenoxydgas erweisen sich Sauerstoffeinathmungen von größtem Werthe. Man füllt das Sauerstoffgas aus der Flasche in einen Gummibeutel mit Schlauch und Mundstück und giebt dem Vergifteten das Mundstück aus Hartgummi in den Mund. Nöthigenfalls wird die Nase durch eine Quetschvorrichtung geschlossen gehalten und künstliche Athmung eingeleitet. Erfolgreich erweist sich auch die Sauerstoff-Inhalation nach der Narkose. (Der Stein der Weisen, 21. Band, 1899, Seite 119)
Radium entdeckt. Aus der Pechblende hatten Herr und Frau P. Curie durch rein chemische Verfahren eine Substanz extrahirt, welche sehr stark (Uran-)Strahlen aussandte, durch ihre chemischen Charaktere dem Wismuth nahe zu stehen schien und als wahrscheinlich neues Element mit dem Namen „Polonium“ belegt wurde. Im Verein mit Herrn G. Bemont diese Untersuchungen weiterführend, hat das Forscherpaar nun einen zweiten stark strahlenden Stoff in der Pechblende gefunden, der sich von dem ersten durch seine chemischen Eigenschaften wesentlich unterscheidet... Endlich hat Herr Demarçay die Substanz der Spectralanalyse unterworfen und hat neben dem Spectrum des Bariums ... eine Linie von der Wellenlänge 3814,8 gefunden, die stärker war als die Bariumlinien und keinem bekannten Elemente zugeschrieben werden kann. Als die Masse bei ihrer Reinigung etwa 60 mal so stark strahlte als Uran, war die neuen Linie kaum sichtbar, als aber dann das Strahlungsvermögen nach weiteren Reinigungen 900 mal so groß war als das des Urans, war die Linie sehr leicht wahrnehmbar. Die Verfasser glauben daher ein neues Element, wenn auch nicht isoliert, so doch nachgewiesen zu haben, und nennen dasselbe „Radium“. (Naturwissenschaftliche Rundschau, XIV. Jg., Nr. 7, 18. Februar 1899, Seiten 91 bis 92)
Das grösste Schiff der Welt. Vor Kurzem ist auf der englischen Schiffswerft von Harland und Wolff in Belfast der grösste Dampfer der Welt vom Stapel gelaufen, welcher auf den Namen „Oceanic“ getauft worden ist... Er wird, ohne die Kohlen erneuern zu müssen, mit 12 Knoten Fahrt 24000 Seemeilen, also mehr als rund um die Erde zu dampfen vermögen. Das Schiff besitzt eine Grösse von 17000 Register-Tonnen gegen 14500 Register-Tonnen des „Kaiser Wilhelm der Grosse“, des gegenwärtig grössten Dampfers der Welt. Die Geschwindigkeit des „Oceanic“, welcher zwischen Liverpool und New York fahren und wenn möglich noch in diesem Jahre seine Fahrten aufnehmen soll, wird die des „Kaiser Wilhelm der Grosse“ nicht ganz erreichen, sodass das deutsche Schiff bis auf Weiteres das schnellste der Welt bleiben wird. (Uhlands Verkehrszeitung und Industrielle Rundschau, XII. Jg., 9. Februar 1899)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1999, Seite 29
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben