Vulkanismus und Vulkanlandschaften.
CD-ROM. Dr. Gottfried Hofbauer, Geowissenschaftliche Dokumentation, Erlangen 1999, DM 69,– (zu beziehen über Spektrum der Wissenschaft, Bestellkarte S. 19/20).
Der promovierte Geologe Gottfried Hofbauer publiziert im Eigenverlag „ein reichhaltiges Bildarchiv und zugleich eine Einführung in den Vulkanismus auf aktueller wissenschaftlicher Grundlage“. Seit langem unterrichtet er zu Themen der Geologie an der Universität Erlangen, aber auch an Volkshochschulen, denn der „Dialog mit der Welt außerhalb der Universität“ ist ihm ein Anliegen. Seine CD-ROM soll interessierte Laien, Gymnasiasten, Studenten der Geowissenschaften und Fachgeologen (nicht aber Vulkanexperten) ansprechen.
Wie hat er sein Vorhaben in die Praxis umgesetzt? Als interessierter Laie erhalte ich beim Start des Programms – angenehmerweise ohne jede Installation direkt vom Datenträger aus – den Rat, zunächst das Einführungskapitel durchzuarbeiten. Schnell entsteht der Eindruck eines Buches in elektronischer Form: Kapitel, Unterkapitel und Seiten mit Bildern und Texten. Wozu dann das Multimedium CD-ROM? Das bleibt zunächst unklar.
„Was ist ein Vulkan?“ lautet die Eröffnung auf der ersten Seite. Gute Frage; aber die Antwort läßt auf sich warten. Zunächst sei eine systematische Betrachtung der Einzelformen von Vulkanen erforderlich. Und schon sind wir bei Details über den „Schlackenkegel“ (Bild S. 116): „Er wird überwiegend aus zerspratzten Schmelzfetzen aufgebaut, die wegen ihrer blasigen Ausbildung Schlacken genannt werden. Die in Schlotnähe ausgeworfenen Schlacken sind schmelzflüssig und verschweißen fest mit der Unterlage, während die weiter ausgeworfenen Teile meist eine nur lockere Anhäufung bilden.“ In dieser klaren, sachlichen, dem Fachdeutsch noch ziemlich nahen und wenig attraktiven Sprache geht es mehr als sechzig Seiten so weiter. Mittels Pfeiltasten hangelt man sich durch Einzel- und Großformen, durch Maare, Dome, Schildvulkane, Vulkanruinen und mehr.
Den Eindruck eines Schulbuches ändern auch die Bildserien nicht, die auf jeder Seite den Text illustrieren. So sollen auf den oben genannten Seiten vier Photos mit eingezeichneter Graphik das Entstehen eines isländischen Schlackenkegels veranschaulichen. Laut Broschüre wurden „wesentliche Strukturen mit den Mitteln digitaler Bildbearbeitung hervorgehoben“. Das beschränkt sich aber wohl meist auf eingezeichnete Pfeile und Linien. Auch die „zum Teil animierten Modelle“ wirken bieder und schlicht.
Immerhin steht am Ende jedes Unterkapitels eine Zusammenfassung samt Tabelle der Erscheinungsformen, die folgerichtig von Kapitel zu Kapitel wächst. Ein weiterer Vorzug gegenüber manchen Edutainment-Produkten: Die Navigation ist recht einfach. Mausklicken auf Pfeile erlaubt das Vor- und Zurückblättern um je eine Seite, Doppelpfeile führen zum Kapitelanfang beziehungsweise zur Kapitelübersicht (die etwas irritierend sozusagen am Schluß steht). Außerdem kann man mit einem Button „G & T“ auf jeder Textseite das Glossar und diverse Tabellen aufrufen. Manche Seiten enthalten Links zu erläuternden Graphiken und Animationen, und von der Kapitelübersicht gelangt der Leser in ein Themen- und ein Ortsregister.
Dann endlich auf Bildschirmseite 68 die Antwort auf die Eröffnungsfrage. Der Autor nennt gleich mehrere Definitionen, die er kritisch bewertet, und bringt dann seine eigene: „Ein Vulkan ist eine Stelle, an der Material aus dem Innern eines Planeten an die Oberfläche oder zumindest in ihre Nähe gelangt.“ Daß so viel Lehrbuchstoff in einer so schlichten Aussage mündet, ist doch etwas überraschend. Vielleicht hätte Hofbauer die eine oder andere Definition schon zu Anfang nennen und den weiteren Verlauf der Darstellung mit dem Hinweis auf deren Mängel motivieren sollen.
„Das Werk … bringt eine neue Klassifikation nach Einzel- und Großformen“, die laut Zusatzinformation für Rezensenten von den Erfahrungen in Vorlesungen und Kursen inspiriert ist. Anscheinend hat sich der Autor in didaktischem Übereifer zu sehr in sein eigenes Klassifikationsschema verliebt – so sehr, daß er das herkömmliche gar nicht erst beschreibt (das nicht explizit zwischen Einzel- und Großformen unterscheidet). Auch vergißt er anzumerken, daß alle von ihm genannten Formen Ergebnisse von Eruptionen mit zentralem Schlot sind, im Unterschied zu solchen aus langen Spalten der Erdoberfläche. „Spalteneruption“ taucht auch nicht im Register auf.
Nachdem der Autor sein Pflichtprogramm abgearbeitet hat, widmet er sich in den folgenden elf Kapiteln deutlich erleichtert vertiefenden oder weiterführenden Themen. So beginnt das erste von zwei Island-Kapiteln: „Es ist keineswegs nur eine Laune, die Hebriden-Insel Skye im Nordwesten Schottlands zum Ausgangspunkt einer Islandreise zu wählen. Manche der hier sichtbaren landschaftlichen Züge werden wir in Island wiederfinden.“
Dem Kapitel über den Granit stellt der Autor unter anderem Goethes Ansichten voraus: „Jeder Weg in unbekannte Gebirge bestätigte die alte Erfahrung, daß das Höchste und das Tiefste Granit sei, daß diese Steinart … die Grundfeste unserer Erde sei.“ Das Kapitel „Plutonismus & Neptunismus“ schließlich beschreibt unterhaltsam die Diskussion im 18. Jahrhundert darüber, ob Granit und Basalt vulkanischen Ursprungs seien oder chemische Ausfällungen eines Urmeeres.
Wer sich durch die Einführung gearbeitet hat, dem offenbart sich letztlich ein recht gelungenes Werk. Es ist sauber programmiert und mit Liebe aufbereitet. Für die umfangreichen Texte ist der Bildschirm trotz des angenehm grauen Hintergrundes nicht das geeignete Medium. Aber auf Papier hätte sich die umfangreiche und durchdachte Verlinkung zu näheren Erläuterungen, Tabellen und Graphiken kaum umsetzen lassen. Die eingesetzten Mittel sind einfach, dementsprechend aber auch die Anforderungen an die Rechnerausstattung bescheiden: Windows 3.1 und 8 Megabyte RAM reichen aus – wo gibt es das noch?
Das umfangreiche, vor allem aus Deutschland und europäischen Ländern stammende Bildmaterial kommt sicher Schülern und Studenten zugute, indem sie Exkursionen virtuell nachempfinden können. Wer nur das Echte liebt: Das Ortsregister erlaubt die Auswahl naher Reiseziele. Beim Einsatz der CD-ROM als Unterrichtsmaterial wäre ein begleitendes Lehrbuch mit herkömmlicher Klassifikation als Ergänzung zu empfehlen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1999, Seite 115
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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