Teilchenphysik: Wankt das Standardmodell?
Myonen sind die schweren Verwandten der Elektronen. Wie diese haben sie als elektrisch geladene Teilchen mit Spin ein magnetisches Moment. Sie verhalten sich also wie winzige Stabmagneten. Zudem ist es Elementarteilchen nach der Heisenbergschen Unschärferelation gestattet, andere Partikel auszusenden und gleich wieder einzufangen. Die nicht beobachtbaren Teilchen tragen ebenfalls zum magnetischen Moment bei. Und über diesen Beitrag macht das seit mehr als 30 Jahren bewährte Standardmodell der Teilchenphysik genaue und überprüfbare Aussagen. Nun haben 68 Wissenschaftler aus den USA, Russland, Japan und Deutschland das Ergebnis dreijähriger Experimente präsentiert, in denen sie das magnetische Moment der Myonen so exakt wie nie zuvor bestimmten. Am Brookhaven National Laboratory ließen sie Myonen in einem Ringmagneten mit nahezu Lichtgeschwindigkeit kreisen. Aus der Spinänderung, welche die Teilchen dabei erfuhren, ermittelten die Forscher das magnetische Moment. Mit bemerkenswertem Resultat: Der gefundene Wert liegt deutlich über dem, den das Standardmodell vorhersagt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Daten doch mit dem Modell übereinstimmen, beträgt nur ein Prozent. Ist das etablierte Gedankengebäude der Teilchenphysik also reif für den Abriss? So weit möchten die Forscher denn doch nicht gehen. Aber das Ergebnis einer weiteren Datenauswertung, das binnen Jahresfrist vorliegen soll, wird schon jetzt mit Spannung erwartet.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2001, Seite 27
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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