Ethik: Tugend, Lust und Laster
Sieben lange Jahre hat Hans seinem Herrn treu gedient, nun möchte er nach Hause zu seiner Mutter zurückkehren. Als Lohn für seine Arbeit erhält er einen großen Klumpen Gold. Der wird Hans jedoch bald schon zu schwer zum Tragen: Bei nächster Gelegenheit tauscht er deshalb das Gold gegen ein Pferd ein, auf dem er reiten kann. Aber es dauert nicht lange, da geht das Pferd durch und wirft Hans ab. So tauscht er es gegen eine Kuh, die Milch gibt. Die wiederum tauscht er wenig später gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die Gans gegen einen Schleifstein. Als der Stein schließlich in einen Brunnen fällt, ist Hans froh, ihn nicht mehr mit sich herumschleppen zu müssen. »So glücklich wie ich«, ruft er aus, »gibt es keinen Menschen unter der Sonne.«
Jeder kennt die Geschichte von Hans im Glück. Was das grimmsche Märchen uns lehrt, beschrieb der Philosoph Ludwig Marcuse (1894–1971) so: »Man besitzt das Glück weder im Gold noch im Schwein noch im Stein. Vieles kann glücklich machen; aber kein Gut macht einen glücklich in jeder Beziehung.« Mit anderen Worten: Nicht objektiver Wohlstand macht das Glück eines Menschen aus, sondern allenfalls sein subjektives Wohlbefinden. Hans ist glücklich, obwohl seine Güter objektiv betrachtet nach und nach dahinschwinden. Sein persönliches Glück liegt weder im Reichtum noch im Erfüllen bestimmter Erwartungen, die etwa die Gesellschaft an ihn hat, sondern allein in seiner unverdrossen positiven Einstellung. Glücklich ist, wer sich glücklich fühlt.
Was uns heute fast wie eine Binsenweisheit vorkommt, war jahrhundertelang keineswegs selbstverständlich ...
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