Schlichting!: Wirbel auf dem Honigbrot
Honig fließen zu lassen, hat etwas Meditatives. Die erste Portion löst sich von dem zur Seite gekippten Löffel und fällt wie ein zusammenhängendes Seil mit einem breiteren Tropfen voran auf die Brotscheibe. Die Geschwindigkeit des fallenden Honigs nimmt unter dem Einfluss der Schwerkraft zu, so dass sich der Querschnitt des Seils nach unten hin verringert. Schwebt der Löffel hoch genug über dem Brot, wird der Honigstrahl schließlich so dünn, dass er in einzelne Tropfen zerfällt, die auf dem kleinen Honigsee landen.
Aber so weit lassen wir es gar nicht erst kommen, um ein anderes Phänomen näher beobachten zu können: Hält man den Löffel beispielsweise in etwa fünf Zentimeter Höhe, windet sich das Seil am unteren Ende zu einer nach oben wachsenden zylindrischen Spirale. Ihre Höhe ist begrenzt, denn je mehr Wicklungen auf den Untergrund drücken, desto schneller verschwindet die jeweils untere darin. Bei einer bestimmten Anzahl von Wicklungen löst sich die unterste genau in der Zeit auf, wie oben eine neue hinzukommt. Dieses stationäre Gleichgewicht bleibt erhalten, solange Honig in gleich bleibender Weise nachströmt.
In der nichtlinearen Physik spricht man auch von einer dissipativen Struktur: Die Energie des Systems bleibt im zeitlichen Mittel konstant, weil ihm genauso viel Höhenenergie zufließt, wie es durch Dissipationsvorgänge, also letztlich als Wärme, abgibt. ...
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