Neurophilosophie : Was von der Seele übrig bleibt
Eine Seele ist etwa 20 Zentimeter lang, kostet 95 Cent und übersteht selten die Mittagspause. Es handelt sich um eine Art kross gebackenes Baguette mit Salz und Kümmel, das besonders im süddeutschen Raum verbreitet ist. Damit hört die empirisch gesicherte Bedeutung dieses Wortes allerdings auch schon auf.
Seele – das klingt nach Geistern und Wiedergeburt, nach Jenseits oder letztem Seinsgrund. Im Alltag bereitet uns das kaum Kopfzerbrechen: "Er ist eine gute Seele", sagen wir, um die Güte eines anderen zu loben. "In der Seele zerrissen" ist, wer einen Konflikt mit sich ausficht. Und "ein Herz und eine Seele" sind Leute, die sich blendend verstehen. Kaum einen anderen Begriff verwenden wir so selbstverständlich, ohne doch recht zu wissen, was er bedeutet.
In der Forschung ist so viel Vagheit natürlich verpönt, vor allem wenn sie spirituell konnotiert ist. So verschwand die Seele in den vergangenen 100 Jahren nahezu völlig aus der Psychologie, der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. Nach einer Auswertung des Psychologen Ulrich Weger von der Universität Witten/Herdecke enthielten im Jahr 2014 nur 387 Fachartikel in der Datenbank "ISI Web of Knowledge" das Wort "soul" – "brain" (Gehirn) dagegen 37 422. In psychologischen Journalen war von der Seele im gleichen Jahr nur ganze zwei Mal die Rede. Die Seelenkunde, wie sie manchmal noch genannt wird, hat sich zu einer "Wissenschaft ohne Seele" entwickelt. ...
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